News, Wirtschaftspolitik, zAufi

Wirtschaftsförderer wollen mehr Chip-Zulieferer aus Taiwan nach Sachsen lotsen

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (links) und Thomas Horn, der Chef der Wirtschaftsförderung Sachsen. Foto: Heiko Weckbrodt

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (links) und Thomas Horn, der Chef der Wirtschaftsförderung Sachsen. Foto: Heiko Weckbrodt

Durchmischte Bilanz: Mit TSMC & Co. landete Freistaat große Coups – doch die Exportkraft sinkt

Dresden, 18. März 2024. Die Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS) will sich in nächster Zeit unter anderem darauf konzentrieren, taiwanesische Mikroelektronik-Zulieferer im Großraum Dresden anzusiedeln, die Robotik-, Automatisierungs- und Softwarebranche im Freistaat stärken und neue Handelspartner jenseits von EU und China auch für kleinere und mittlere Unternehmen aus Sachsen zu finden. Das haben Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) und WFS-Chef Thomas Horn heute in Dresden angekündigt. Zudem werde sich das Ministerium um mehr Arbeits- und Fachkräfte bemühen sowie die Digitalisierung und De-Karbonisierung der regionalen Wirtschaft unterstützen.

Über 10 Milliarden Euro in Freistaat investiert

Im vergangenen Jahr hatten Wirtschaftsförderer und -politiker im Freistaat zwei große Coups und mehrere kleine gelandet. Dazu gehören vor allem die Chipfabrik-Investitionen von TSMC und Infineon, aber auch mehrere Projekte beispielsweise aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau sowie der Solartechnik. Insgesamt unterstützte die WFS 16 Ansiedlungen und Firmen-Erweiterungen mit einem Gesamt-Investitionsvolumen von reichlich zehn Milliarden Euro und 2682 versprochenen neuen Arbeitsplätze. Die gesamten Investitionen in Sachsen dürften höher gelegen haben, da die staatlichen Wirtschaftsförderer bei weitem nicht alle Vorhaben begleiten.

„Größte Einzelinvestition im Freistaat überhaupt“

„Die Ansiedlung von TSMC ist die große Einzelinvestition, die die WFS jemals betreut hat“, betonte Thomas Horn. „Sie ist zugleich auch die bisher größte Einzelinvestition im Freistaat Sachsen überhaupt und ein Quantensprung für unseren Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort.“

Wirtschaftsminister: Sachsen ist in Top 5 der Chip-Standorte aufgerückt

Mit diesen und weiteren Investitionen in der Mikroelektronik rücke der Freistaat unter die fünf größten Halbleiterstandorte weltweit auf, schätzte Wirtschaftsminister Dulig ein. Das Vertrauensbeweis von TSMC und Infineon habe zugleich auch ideell den internationalen Ruf Sachsens als Investitionsstandort gestärkt. Diesen Rückenwind wollen Dulig und Horn nun mehr Chipfabrik-Zulieferer aus Taiwan, Japan und weiteren Ländern zu einer Ansiedlung in Sachsen animieren. Neben dem Reputationsgewinn dürfte dafür auch der Umstand eine Rolle spielen, dass TSMC daheim ein sehr schlagkräftiges Ökosystem aus Zulieferern aufgebaut hat, das auf Spitzen-Chipfabriken spezialisiert ist, wie es sie nur in Taiwan gibt. Aus Branchenkreisen war mehrfach zu hören, dass TSMC noch Zweifel hat, ob die sächsischen Chipfabrik-Ausrüster und -Zulieferer für die geplante Megafab in Dresden ausreichen werden.

„Die großen Gewinner werden die Landkreise sein“

In „herausfordernden Jahren“ voller „Polykrisen“ von Corona über Ukrainekrieg bis hin zu Energiekrisen habe sich Sachsen recht gut geschlagen, meint Wirtschaftsminister Dulig und ist überzeugt, dass gerade die jüngsten Großansiedlungen nicht nur Dresden zugute kommen: „Die großen Gewinner werden die umliegenden Landkreise sein“, prognostizierte er.

Von der Solarfabrik bis zum Fahrzeugbauer: 16 Ansiedlungen und Ausbauten betreut

Auch Horn ist überzeugt: „Sachsen ist attraktiv – Punkt. Da werden sie von mir kein ,Noch’ hören.“ Er verweist dabei auch auf die kleineren Ansiedlungsprojekte und Erweiterungen, die die WFS im Jahr 2023 betreut habe. Dazu gehört beispielsweise die Investition des Anlagenbauers „Bausch und Ströbel“ in sein Werk im erzgebirgischen Jahnsdorf, die 150 neue Arbeitsplätze schaffen soll. Auch begleitet WFS die Einrichtung einer Fabrik durch Sunmaxx PVT in Ottendorf-Okrilla: Das 2021 in Dresden gegründete Unternehmen will dort mit 80 Beschäftigten Solarmodule bauen, die Sonnenenergie sowohl elektrisch wie auch thermisch, also als Heizquelle, verwerten. Als weiteres Beispiel für die Investitionsbereitschaft der sächsischen Wirtschaft inmitten von Krisenstimmung nennt WFS-Horn den Maschinenbauer „Fiedler“ aus Schmölln-Putzkau, der künftig mehr Aufbauten für Kehrmaschinen und andere Kommunalfahrzeuge fabrizieren will, dafür neun Millionen Euro investieren und 70 neue Jobs schaffen möchte. „Außerdem plant das Unternehmen, künftig auch selbst Fahrzeuge herzustellen“, verriet Horn. Damit werde Fiedler zu einem echten Fahrzeughersteller.

Die Visualisierung zeigt, wie Feldschwärmkünftig die Äcker bestellen sollen. Visualisierung: TU Dresden TD/AST

Die Visualisierung zeigt, wie Feldschwärmkünftig die Äcker bestellen sollen. Visualisierung: TU Dresden TD/AST

Agrar- und Pflege-Roboter im Kommen

Auch für die nahe Zukunft rechnet WFS-Chef Horn jenseits aller Großansiedlungen mit einem organischen Wachstum der hiesigen Wirtschaft. Gute Chancen sieht er unter anderem für Unternehmen, die Agrar-Roboter für Felder, Obstgärten und Weinhänge entwickeln, im Segment der Pflege– und Gesundheitsroboter, sowie bei den Spezialisten für Automatisierung und Digitalisierung.

Die andere Seite: Großansiedlungen sind teuer erkauft, Stimmung in großen Teilen der Wirtschaft am Boden

Diese Erfolgsmeldungen spiegeln allerdings nur eine Seite der Medaille. So ist zu erwähnen, dass Bund und Freistaat beispielsweise die jüngsten Großinvestitionen in der Dresdner Mikroelektronik teuer erkauft haben – mit Subventionsquoten von teils bis zu 50 Prozent. Auch halten sich eben doch viele Handwerker und Mittelständler mit Investitionen zurück, kritisieren hohe Energiepreise, überbordende Bürokratie und Arbeitskräfte-Probleme. Die Konjunkturstimmung ist im Keller, das zeigen sowohl Umfragen der Industrie- und Handelskammern wie auch von Ifo-Institut und Branchenverbänden.

Wacker Nünchritz ist ein wichtiger Zulieferer für die Chipindustrie in und außerhalb von Sachsen. Chemiebetriebe wie Wacker stehen durch die hohen deutschen Energiepreise allerdings besonders unter Druck. Foto: Heiko Weckbrodt

Wacker Nünchritz ist ein wichtiger Zulieferer für die Chipindustrie in und außerhalb von Sachsen. Chemiebetriebe wie Wacker stehen durch die hohen deutschen Energiepreise allerdings besonders unter Druck. Foto: Heiko Weckbrodt

Und auch die Exportkraft der sächsischen Wirtschaft sinkt: Die Ausfuhren sind laut dem Statistischen Landesamt in Kamenz um sieben Prozent gesunken, die Importe um zwei Prozent gestiegen. Neben dem generellen Wirtschaftsaufschwung in Deutschland und der weiter krisenhaften Weltlage spielen dabei auch branchenspezifische Probleme hinein: VW beispielsweise hat angesichts der schwachen Nachfrage im Inland sowie in China für deutsche Elektroautos seine ganz auf die Stromer-Produktion ausgerichteten Werke in Sachsen gedrosselt. Zudem rechnet die Auto-Branche mit einer chinesischen Exportoffensive, die für Preiskriege sorgen dürfte. Auch stehen Sachsens Chemie-, Stahl– und Galvanikbetriebe sowie andere Unternehmen wegen der anhaltend hohen Energiepreise unter Druck. Das gilt auch für die energiehungrige Mikroelektronik – wobei gerade Globalfoundries und Infineon ihre internationalen Marktpositionen zuletzt recht behaupten konnten.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Wirtschaftsminister Dulig, WFS-Chef Horn, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt