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Sachsen ringt trotz Malaga-Entscheidung weiter um Imec-Chipforschung in Dresden

Ein Mitarbeiter des Mikroelektronik-Forschungszentrums Imec im belgischen Löwen schaut sich prüfend einen 300-Millimeter-Wafer an. Falls eine Euro-Foundry gebaut wird, steht auch dieser Standort zur Debatte. Foto: Imec

Ein Mitarbeiter des Mikroelektronik-Forschungszentrums Imec im belgischen Löwen schaut sich prüfend einen 300-Millimeter-Wafer an. Foto: Imec

Wirtschaftsminister Dulig sieht noch Chancen für Außenstelle des Mikroelektronik-Großforschungszentrums

Dresden/Malaga, 18. März 2024. Sachsen versucht trotz der jüngsten Imec-Entscheidung für eine Forschungsfabrik im andalusischen Malaga weiter, das belgische Halbleiter-Forschungszentrum zu einer ähnlichen Investition auch in Dresden zu überreden. Das hat der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf Oiger-Anfrage während einer Bilanz-Pressekonferenz der Wirtschaftsförderung Sachsen erklärt. „Ja, wir sehen dafür noch Chancen“, betonte er.

Freistaat angelt schon seit Jahren in Flandern

Schon seit Jahren bemüht sich der Freistaat um eine Imec-Außenstelle im Herzen des „Silicon Saxony“. Die Gründe liegen auf der Hand: „Das Imec spielt in der Forschung an der Mikroelektronik der nächsten und übernächsten Generation international eine ganz wichtige Rolle“, erklärt Dulig. Von daher komme an dem Großforschungszentrum aus der flandrischen Stadt Löwen „keiner vorbei“, der in der Halbleiter-Branche in größerem Maßstab punkten will.

Wirtschaftsminister Martin Dulig. Foto: Heiko Weckbrodt

Wirtschaftsminister Martin Dulig. Foto: Heiko Weckbrodt

Und das wollen die Sachsen schon lange – und es gelingt ihnen auch in zunehmenden Maße: Schon zu DDR-Zeiten war Dresden ein zentraler Standort der DDR-Mikroelektronik, an der unter anderem der ostdeutsche Megabit-Schaltkreis entwickelt wurde. Nach der Wende siedelten sich im Freistaat Halbleiterfabriken von Siemens beziehungsweise Infineon und Qimonda und AMD beziehungsweise Globalfoundries, dann auch von Bosch und anderen Branchengrößen an. Durch die jüngsten Milliarden-Investitionen von Infineon und TSMC wächst auch das internationale Gewicht des Halbleiter-Dreiecks Dresden-Chemnitz-Freiberg, das sich selbst als „Silicon Saxony“ definiert. Mittlerweile hängen hier an Chipindustrie, Software-Industrie und verwandten Wirtschaftszweigen rund 73.000 Arbeitsplätze und über 16 Milliarden Euro Jahresumsatz. Hinzu kommen eine deutschlandweit nahezu einzigartige Instituts-Dichte in Sachsen und insbesondere die Mikroelektronik-Forschung der TU Dresden, des Namlabs, der Bergakademie, dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und nicht zuletzt auch von Fraunhofer.

Mit 5000 Experten ein Schwergewicht der Halbleiter-Forschung

Von daher hatte sich unter anderem auch schon das Kabinett Tillich vor über zehn Jahren um eine Außenstelle des Imec in Dresden bemüht. Denn das Imec hat eine besondere Schlagkraft und Reputation in der Mikroelektronik-Vorlaufforschung, die nicht nur ein paar Jahre, sondern oft sogar Jahrzehnte in die Zukunft zielt. Und mit über 5000 Experten handelt es sich um ein echtes Großforschungszentrum, wie es Deutschland so konzentriert in der Mikroelektronik nicht hat.

Früherer Anlauf scheiterte auch an Konkurrenzdenken in Sachsen

Tatsächlich hatte es dem Vernehmen nach damals bereits recht vielversprechende Signale aus Löwen gegeben – die dann aber unter anderem durch Widerstand auf sächsischer Seite doch nicht zu einer Ansiedlung führten. „Damals kam das auch durch Konkurrenzdenken nicht zustande“, umschreibt Dulig die damaligen Vorgänge diplomatisch. Oiger-Informationen zufolge scheiterte die Ansiedlung seinerzeit an Fraunhofer: Die deutsche Forschungsgesellschaft fürchtete demnach wohl, dass ein „Imec 2“ vor der Tür das Photonikinstitut IPMS und andere auf Mikroelektronik spezialisierte Fraunhofer-Institute in Sachsen die Forschungsaufträge wegschnappen könnte.

Dulig sieht durchaus eine Chance

Inzwischen haben aber wohl alle Akteure eingesehen, dass dieses Konkurrenzdenken angesichts der übermächtigen Wettbewerber aus Asien und den USA völlig fehl am Platze ist – und die Europäer nur gemeinsam eine Chance haben. Das Thema habe neue Fahrt gewinnen, daher habe Sachsen beim Imec noch mal „angefragt“, so Dulig, ob eine Ansiedlung in Dresden vielleicht doch in Frage komme. Und erneut waren die Reaktionen aus Flandern alles andere als ablehnend. Erst kürzlich hatte der frühere Imec-Vizepräsident Ludo Deferm bei einem Besuch in Dresden solche Pläne weder bestätigen noch dementieren wollen, hatte aber betont, solch eine Imec-Dependence in Sachsen sei keineswegs ausgeschlossen, „wenn wir hier willkommen sind“.

Investition in Malaga

Nachdem sich das Imec vor wenigen Tagen eine Außenstelle mit Forschungs-Chipproduktionslinie im andalusischen Malaga angekündigt hatte, schien es zunächst so, als ob damit die „Option Sachsen“ vom Tisch sei. Die Verhandlungen zwischen Dresden und Löwen gehen aber anscheinend doch weiter.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Auskünfte Wirtschaftsminister Dulig, Oiger-Archiv, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt