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Rolf aus der Lausitz soll mit Laser bei Kernfusion helfen

Die Helmholtz International Beamline for Extreme Fields (HIBEF), die das HZDR am European XFEL in Schenefeld betreibt, ermöglicht Einblicke in die Struktur von Materialien und in sehr schnelle natürliche Prozesse, wie sie zum Beispiel in Proben warmer dichter Materie ablaufen. Grafik: HZDR / Science Communication Lab

Die Helmholtz International Beamline for Extreme Fields (HIBEF), die das HZDR am European XFEL in Schenefeld betreibt, ermöglicht Einblicke in die Struktur von Materialien und in sehr schnelle natürliche Prozesse, wie sie zum Beispiel in Proben warmer dichter Materie ablaufen. Grafik: HZDR / Science Communication Lab

Casus Görlitz will Energiegewinnung per Trägheits-Fusion simulieren

Görlitz, 19. März 2024. Helmholtz-Computerexperten vom „Casus“-Institut Görlitz wollen in ihrem neuen Projekt „Röntgenlaser-Optimierung der Laserfusion“ (Rolf) neue Messmethoden für Experimente mit lasergestützer Trägheits-Kernfusion entwickeln. „Statt der Methode ,Versuch und Irrtum’ könnten Laserfusionsexperimente künftig zielgerichteter konzipiert und durchgeführt werden – eine zwingende Voraussetzung für ein kommerzielles Fusionskraftwerk“, heißt es dazu vom Casus-Mutterinstitut, dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). Weil das Casus in der Lausitz wächst, bekommen die Forscher für ihren „Rolf“ nun auch 700.000 Euro Kohleausstiegs-Fördergelder.

Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger verspricht - inklusive neue wie alter Programme - bis 2028 rund eine Milliarde Euro in die Fusions-Förderung zu stecken. Foto: Hans-Joachim Rickel für das BMBF

Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger will mehr Geld in die Fusions-Förderung pumpen. Foto: Hans-Joachim Rickel für das BMBF

Deutschland startet Aufholjagd bei lasergestützter Fusion

Denn die Idee von „Rolf“ dürfte auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gut in den Kram passen: Kürzlich erst hatte sie in einem neuen Förderprogramm die deutschen Energieforscher darauf eingeschworen, bald nutzbare Kernfusions-Reaktoren zu präsentieren – und dabei zwei beziehungsweise drei Pfade zu verfolgen: In Tokamak-Reaktoren, an denen die Europäer bereits seit Jahrzehnten herumexperimentieren, halten Magnetfelder extrem heißes Wasserstoff-Plasma ähnlich wie einen Kringel in der Schwebe, um darin dann Kernfusions-Prozesse wie in der Sonne zu starten. Das gilt so ähnlich auch für die Stellarator-Reaktoren, die unter anderem in Greifswald und München in jüngster Zeit große Fortschritte gemacht haben – nur dass hier der Plasmakringel in seltsam verdrehten Magnetfeldern eingesperrt ist.

Die Computergrafik zeigt, wie supraleitende Stellarator-Magnetspulen das Fusionsplasma auf eine ganz eigene verdrehte Art und Weise in der Fusionsanlage Wendelstein 7-X einschließen. Grafik: MPI für Plasmaphysik

Die Computergrafik zeigt, wie supraleitende Stellarator-Magnetspulen das Fusionsplasma auf eine ganz eigene verdrehte Art und Weise in der Fusionsanlage Wendelstein 7-X einschließen. Grafik: MPI für Plasmaphysik

Den dritten Pfad haben US-Forscher zuletzt sehr weit treiben können: Dabei beschießen sie mit Lasern kleine Wasserstoff-Kugeln, in denen durch Trägheits-Effekte die hohen Drücke und Temperaturen entstehen, die für den Start der Kernfusion nötig sind. Dieser Vorzustand zur Fusion heißt „warme dichte Materie“ und findet sich zum Beispiel auch im Innern von Riesenplaneten.

Beschleunigertunnel des Europäischen Röntgenlasers XFEL. Foto: Desy

Beschleunigertunnel des Europäischen Röntgenlasers XFEL bei Hamburg. Foto: Desy

Superlaser, Supercomputer und dichte warme Materie: Helmholtz Sachsen sieht sich gut für Laserfusion positioniert

Diesen Laser-Ansatz hatte Deutschland lange Zeit nur am Rande verfolgt. Aufgeschreckt durch die jüngsten US-Fortschritte wollen die Forscher und Politiker in dieser Technologie nun rasch aufholen. Und hier sieht sich gerade HZDR – immerhin ein ehemaliges Kernforschungszentrum – recht gut positioniert: „Mit der Helmholtz International Beamline for Extreme Fields, der Hibef, dem Casus und unseren Hochleistungslasern Draco und Penelope ist das HZDR exzellent aufgestellt, um wesentliche Beiträge zur Laserfusionsforschung zu leisten“, meint HZDR-Wissenschaftsdirektor Prof. Sebastian M. Schmidt. Und gerade am HZDR und am Casus haben sich bereits mehrere Forscher auf warme dichte Materie und deren mathematische Modellierung auf Supercomputern eingeschossen. „Wir können die fundamentalen Prozesse entschlüsseln, die den Weg in die Anwendung ebnen“, ist Prof. Schmidt daher überzeugt.

Sehr stark, für das Antimaterie-Experiment aber nicht so gut geeignet: "Draco" ist einer der stärksten Laser im helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Foto: André Wirsig für das HZDR

„Draco“ ist einer der stärksten Laser im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Foto: André Wirsig für das HZDR

Grundkonzept: Energiereiche Blitze bringen Wasserstoff-Kugeln auf Fusionstemperatur

Und dafür werden eben nicht nur Superlaser gebraucht, wie sie die Dresdner gebaut haben, sondern auch neue Analysemethoden für Kernfusions-Experimente mit eben diesen Lichtverstärkern. „Ein wesentliches Problem der Laserfusion ist die stabile Kompression durch den Laserbeschuss“, erläutert Projektverantwortlicher Dr. Tobias Dornheim, der im Casus die Nachwuchsgruppe „Frontiers of Computational Quantum Many-Body Theory“ leitet. „Die Treibstoffkapsel muss möglichst gleichmäßig, das heißt ohne Instabilitäten, nach innen implodieren, damit so viel Treibstoff wie möglich fusioniert und dementsprechend viel nutzbare Energie frei wird. Dafür müssen wir zunächst besser verstehen, wie sich warme dichte Materie verhält.“

Tobias Dornheim promovierte 2018 an der Universität Kiel und forscht seit 2019 am Casus in Görlitz. Foto: Michal Bajda für das HZDR

Rolf will Analyse per Röntgenstreuung verbessern

Konkret will das Rolf-Team am Beschleuniger „European XFEL“in Schenefeld bei Hamburg und der „National Ignition Facility“ (NIF) am „Lawrence Livermore National Laboratory“ in den USA die dortigen Experimente mit Laserblitzen für die Kernfusion unterstützen. Um besser zu verstehen, was nach dem Laserbeschuss in der Wasserstoffkugel genau passiert, lässt sich nämlich Röntgenstreuung einsetzen. „Aus der Energieänderung der gemessenen Photonen, die in der Probe abgelenkt wurden, können Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Materie gezogen werden“, erklären die Forscher. Bisher war die Auswertung aber nur näherungsweise möglich. Und eben dies möchte das Casus-Kollektiv durch neue Computerprogramme ändern, die mit mit der „Laplace-Transformation“ operieren. Durch dieses mathematisches Verfahren sollen die Messdaten viel genauer als bisher auswertbar sein, vor allem mit Blick auf die erreichten Temperaturen in der warmen dichten Materie.

Fusion statt Braunkohle: Lausitz hilft bei Suche nach fast unerschöpflicher Energiequelle

„Wir gehen davon aus, dass die aus diesen Simulationen abgeleiteten Parameter eine deutlich bessere Kompression der Kapsel ermöglichen werden und eine neue Generation von Fusionsexperimenten einleitet“, betont Dornheim. Und letztlich steht dahinter eben auch die Hoffnung, dass Deutschland damit in einigen Jahren eine nahezu unerschöpfliche, stabile und regelbare Energiequelle mit nur schwach radioaktiven Abfällen bekommt, die viele heutigen Probleme mit der deutschen „Energiewende“ löst.

Autor: Oiger

Quelle: HZDR – Casus

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt