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Belgisches Chipforschungszentrum IMEC plant Forschungsinstitut in Dresden

Das IMEC im belgischen Löwen ist Europas größtes Mikroelektronik-Forschungsinstitut. Foto: IMEC

Das IMEC im belgischen Löwen ist Europas größtes Mikroelektronik-Forschungsinstitut. Foto: IMEC

Auch weitere Elektronikstandorte weltweit interessiert an Vertretungen in Dresden

Dresden/Löwen, 20. August 2013: Wegen der wachsenden Bedeutung Dresdens als führender Produktionsstandort für Computerchips in Europa plant das größte europäische Mikroelektronik-Forschungszentrum „IMEC“ aus dem belgischen Löwen eine Forschungsniederlassung in der sächsischen Landeshauptstadt. Dies bestätigten IMEC-Sprecherin Katrien Marent, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sowie weitere Quellen den DNN. Darüber hinaus haben weitere wichtige Chipforschungsstandorte wie Albany in den USA, das französische „Leti“ und ST Microelectronics Interesse an institutionalisierten Verbindungen zum „Silicon Saxony“ bekundet.

Belgier wollen in Dresden Produktionsreife ihrer Technologien testen

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Abb.: J. Jeibmann/Staatskanzlei

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Abb.: J. Jeibmann/ Staatskanzlei

„Ja, es gibt Verhandlungen über eine ständige Forschungszweigstelle des IMEC in Dresden“, sagte Ministerpräsident Tillich. Hintergrund: Da sich die Belgier auf neuartige Pilotlinien und Technologien für die Microelektronik spezialisiert haben – und dafür auch milliardenschwer von EU und Staat gefördert werden -, aber kaum eigene Chipfabriken haben, interessiert das IMEC für eine Möglichkeit, seine Forschungen auf ihre Praxistauglichkeit zu testen. Und da ist Dresden mit seinen Infineon- und Globalfoundries-Fabriken sowie des breiten Forschungsumfeldes mit TU, HTW und zahlreichen außeruniversitären Instituten von Max-Planck-, Fraunhofer-, Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft die erste Wahl. Daher soll die IMEC-Dependance möglicherweise auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf entstehen. Aber auch die Anbindung an die hiesigen Fraunhofer-Institute steht zur Debatte.

Auch 450-Millimeter-Wafertechnologie im Fokus

Zudem ist das IMEC dabei, eine besonders ehrgeizige Pilotlinie aufzubauen, die Chips auf 450 Millimeter großen Siliziumscheiben (Wafern) produziert – Stand der Technik sind derzeit 300-mm-Wafer, die seinerzeit von Dresden weltweit erstmalig eingeführt worden waren. Die Kosten dieser Testanlage werden auf rund eine Milliarde Euro geschätzt. Eine entsprechende 450-mm-Massenfabrik würde zehn bis zwölf Milliarden Euro kosten, wie Heinz Martin Esser, der Präsident des sächsischen Hightech-Verbandes „Silicon Saxony“, einschätzt. Solch eine Mega-Investition würde sich nur für die ganz Großen der Branche lohnen. So arbeiten Intel in den USA (unter anderem in Albany) und TSMC in Taiwan an dieser Technologie. Auch in Dresden hofft man immer noch, mit europäischer Unterstützung solch eine 450-mm-Fabrik anzusiedeln, wenngleich die Chancen dafür bisher eher noch vage sind. Daher wird auch erwogen, dass das IMEC in seiner geplanten Niederlassung in Sachsen einen Teil seiner 450-mm-Forschungen vorantreibt.

„Chip-Botschafter“ zwischen Albany und Dresden geplant

Darüber hinaus wollen „Silicon Saxony“, Fraunhofer-Institute und weitere Dresdner Partner einen ständigen „Mikroelektronik-Botschafter“ installieren, der den Kontakt zum Nano-Collage in Albany und den dortigen 450-mm-Projekten hält. Auch über ein Büro des französischen „Leti“-Elektronikinstituts in Dresden wird verhandelt.

Kaum EU-Millionen wegen mangelnder nationaler Kofinanzierung

Eine Fraunhofer-Mitarbeiterin zeigt im Reinraum einen 300-mm-Wafer (l.) und eine 450er Scheibe im Vergleich. Abb.: Fraunhofer IISB

Eine Fraunhofer-Mitarbeiterin zeigt im Reinraum einen 300-mm-Wafer (l.) und eine 450er Scheibe im Vergleich. Abb.: Fraunhofer IISB

Seit einiger Zeit ist Dresden – trotz seiner zentralen Rolle in der europäischen Mikroelektronik – in den entsprechenden Fördermittelrunden des EU eher mager ausgegangen. Im Rahmen der ersten Tranche der neuen EU-Mikroelektronik-Strategie zum Beispiel bekam die sächsische Landeshauptstadt nur ein Prozent der Gelder zugesprochen. Dies liege vor allem daran, dass die dabei geforderte nationale Kofinanzierung zu gering sei, erläuterte Generaldirektor Andreas Wild vom zentralen Fördermittelvergabe-Unternehmen ENIAC. So habe die Dresdner Mikroelektronik-Forschung in der jüngsten Förderperiode des ENIAC ganze 6,2 Millionen Euro erhalten, weil es keinerlei Kofinanzierung vom Bund gab. In Frankreich hingegen, wo Premier Jean-Marc Ayrault (Sozialistische Partei) erst vor einem Monat rund 600 Millionen Euro für die nationale Initiative „Nano2017“ locker machte, bekamen Leti, ST Microelectronics und andere Partner 337,5 Millionen EU-Euros von ENIAC – weil der französische Staat dort 44 Millionen Euro drauflegte.

Diese Zurückhaltung des Bundes ist den sächsischen Politikern schon geraume Zeit ein Dorn im Auge. Sie dringen in Berlin auf ein stärkeres finanzielles Engagement für die Schlüsseltechnologie Mikroelektronik, die die Wettbewerbsfähigkeit großer Teile der deutschen Wirtschaft mitentscheide – seien es nun Autoindustrie, Luftfahrt oder Telekommunikation. „Wenn man aber sieht, dass Mitarbeiter im Bundesforschungsministerium ,Wafer’ immer noch mit ,V’ schreiben, bleibt wohl noch viel zu tun“, sagte Tillich. Heiko Weckbrodt

Stichwort „IMEC

– 1984 auf Initiative der belgischen Regierung gegründet

– beschäftigt sich mit neuen Mikroelekronik-Technologien mit bis zu zehn Jahren Vorlauf

– 2051 Mitarbeiter

– rund 300 Millionen Euro Jahresbudget Werbevideo IMEC:

 

Stichwort „Leti

– Hauptsitz in Grenoble

– Hightech-Forschungsinstitut mit Schwerpunkt Mikroelektronik

– 1700 Forscher

– 250 Millionen Euro Jahresbudget

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
Kategorie: News, Wirtschaft

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Heiko Weckbrodt hat Geschichte studiert, arbeitet jetzt in Dresden als Wirtschafts- und Wissenschaftsjournalist und ist Chefredakteur und Admin des Nachrichtenportals Oiger. Er ist auch auf Facebook, Twitter und Google+ zu finden.

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