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Studie: Gasstopp würde Metallbranche, Chemie und Papierindustrie besonders treffen

Die Gas- und Ölindustrie spielt eine zentrale Rolle für die russische Wirtschaft. Hier das Gasverarbeitungswerk Amur vom Gazprom. Foto: Gazprom (Pressefoto)

Gasverarbeitungswerk Amur vom Gazprom. Foto: Gazprom (Pressefoto)

Auch Textil und Keramik sind indirekt sehr von russischem Gas abhängig

München/Mannheim/Dresden, 21. Juli 2022. Metallbetriebe, die Chemie und die Papierindustrie wären von Gas-Rationierungen besonders stark betroffen. Das hat eine Studie des „Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung“ (ZEW) in Mannheim für die „Stiftung Familienunternehmen“ in München ergeben. Auch erhebliche Schäden in weiteren, weniger energieintensiven aber volkswirtschaftlich bedeutenderen Sektoren seien nicht ausgeschlossen, weil durch Gasengpässe dann auch Vorprodukte ausbleiben. Insbesondere auch kleine Branchen wie Textil oder Keramik haben demnach eine sehr hohe Abhängigkeit vom Gas.

Die roten Balken geben die energieimport-Abhängigkeit der jeweiligen Branche an, die grauen Balken stehen speziell für die Abhängigkeit von Gasimporten. Gelistet sind die Industriezweige hier aber nach Größe. Grafik: Stiftung Familienunternehmen, ZEW

Die roten Balken geben die energieimport-Abhängigkeit der jeweiligen Branche an, die grauen Balken stehen speziell für die Abhängigkeit von Gasimporten. Gelistet sind die Industriezweige hier aber nach Größe. Grafik: Stiftung Familienunternehmen, ZEW

Stiftung: Deindustrialisierung würde nur neue Abhängigkeiten erzeugen

„Die Studie macht deutlich, wie sehr auch Branchen betroffen sind, die auf den ersten Blick nicht so bedeutend erscheinen“, betonte Stifungsvorstand Rainer Kirchdörfer. „Wenn ihre Zulieferungen ausbleiben, geraten auch Industriezweige mit hoher Wertschöpfung schnell in Not. Denn diese können Teile nicht so schnell von anderen Lieferanten im Ausland beschaffen. Selbst wenn das irgendwann gelänge: Deutschland muss Industriestandort auch für die Zuliefer-Branchen bleiben. Familienunternehmen wissen: Mit einer schleichenden Deindustrialisierung würden wir nur die Abhängigkeit vom Gas durch eine neue Abhängigkeit bei anderen Importprodukten ersetzen.“

Kleinere EU-Länder könnten Gas-Ausfälle leichter ausgleichen

Die Studie bewertet die deutsche Abhängigkeit von russischen Erdgas als besonders ungünstig: „Zwar sind kleinere EU-Mitgliedstaaten wie Österreich, Finnland, Ungarn, die Slowakische und die Tschechische Republik in ihrer Energieversorgung noch stärker von russischen Importen abhängig“, heißt es dort. „Die absolute Höhe der Importe aus dem russischen Einflussgebiet ist aber für Deutschland und auch Italien sehr viel höher. Während kleine Länder ihren Bedarf durch Ausweichen auf andere Lieferanten zum Teil rasch substituieren können, ist dies für große Länder angesichts begrenzter freier globaler Kapazitäten vor allem bei Flüssiggas nur schwerer möglich.“

Lukas Rohleder ist Geschäftsführer des sächsischen Energietechnologie-Branchenverbandes "Energy Saxony". Foto: Heiko Weckbrodt

Lukas Rohlede. Foto: Heiko Weckbrodt

IHK Dresden fordert, alle verfügbaren Energiequellen zu erschließen

Derweil hat die „Industrie- und Handelskammer“ (IHK) Dresden davor gewarnt, sich in falscher Sicherheit zu wiegen, wenn Russland die Gas-Pipeline Nordstream 1 für Deutschland wieder füllt: „Unmittelbar scheint die Gefahr massiver Verwerfungen für unsere Wirtschaft gebannt zu sein, wir dürfen jetzt aber nicht den Fehler machen, eine Beruhigungspille zu schlucken. Die Situation kann sich auch schnell wieder ändern“, warnte IHK-Hauptgeschäftsführer Lukas Rohleder. „Wir dürfen im Gegenteil nicht nachlassen, alle verfügbaren Energiequellen zu erschließen, um in erster Linie Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ohne dabei die bereits massiv gestiegenen Kosten außer Acht zu lassen.“

Hauptgeschäftsführer: „Fuel Switch ist ein vergifteter Rat“

Rohleder forderte einerseits Liquiditätshilfen, Zuschüsse und Energiesteuer-Senkungen für die betroffenen Unternehmen. Anderseits sei die Forderung von Politikern nach einem raschen und totalen Energieumstieg (neudeutsch: „Fuel Switch“) der Wirtschaft wenig realistisch. Dies komme ihm wie „ein vergifteter Rat“ vor. „Angesicht der langwierigen Bearbeitungszeiten und Genehmigungsverfahren sowie ungeklärter Haftungsfragen, muss man das leider so deutlich sagen.“ Dies könne kein Unternehmen allein stemmen, dafür bedürfe es gesamtdeutscher Programme.

Autor: hw

Quelle: Stiftung Familienunternehmen, ZEW, IHK Dresden

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt