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Galvaniker durch hohe Strompreise unter Druck

Oberflächenveredelte Bauteile in der Flugzeug-Galvanik Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Oberflächenveredelte Bauteile in der Flugzeug-Galvanik Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Flugzeug-Galvanik Dresden sieht sich nach 9-Millionen-Euro-Investition aber gut in Luftfahrt positioniert

Dresden/Hilden, 1. Juni 2023. Die Galvanikbranche in Deutschland steht unter Druck: Hatten in früheren Dekaden noch zahlreiche metallverarbeitende Unternehmen eigenen Galvanik-Abteilungen, haben steigende Strompreise und strengere Umweltauflagen diesen Kreis immer weiter eingeengt. Inzwischen gibt es in der Bundesrepublik laut Angaben des „Zentralverbandes Oberflächentechnik“ (ZVO) aus Hilden weniger als 1000 Betriebe, die noch selbst Bauteil-Oberflächen auf diese Weise elektrochemisch veredeln. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und den folgenden Energiepreisschocks hat sich die Lage in der Branche weiter verschärft. Und trotz Strompreis-Bremse stehen viele Betriebe weiter unter enormem Kostendruck, wie das Beispiel der „Nehlsen-BWB Flugzeuggalvanik Dresden“ zeigt:

Technikchef Volker Dittel steht vor der neuinstallierten Umspanntechnik in der Flugzeug-Galvanik Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Technikchef Volker Dittel steht vor der Umspanntechnik in der Flugzeug-Galvanik Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

„Strompreise verzwölffacht“

„Für uns haben sich die Strompreise seit Anfang 2023 verzwölffacht“, berichtet Technikleiter Volker Dittel. Denn Ende 2022 seien die alten Stromverträge ausgelaufen und das Unternehmen habe neue Kontrakte zu weit ungünstigeren Konditionen abschließen müssen. Diese Mehrkosten müsse der Betrieb auf die Kunden in Luftfahrt, Maschinenbau, Handwerk, Medizintechnik und anderen Branchen umlegen – was letztlich auch wieder die Inflation befeuert hat. Und mit diesen Problemen steht die Tochter der Schweizer BWB-Gruppe nicht allein da: Schon im Herbst 2022 warnte der ZVO den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in einem Brief: „Die Deutsche Galvano- und Oberflächentechnik steht vor dem Infarkt.“

In den elektrochemischen Bädern setzen sich die Metall-Partikel an den Bauteil-Oberflächen ab. Foto: Heiko Weckbrodt

In den elektrochemischen Bädern setzen sich die Metall-Partikel an den Bauteil-Oberflächen ab. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Krux der Galvanik: Starke Ströme und Chemiebäder

Denn die Galvanik ist ein besonders energie-intensives Verfahren, um Bauteile mit schützenden Schichten zum Beispiel aus Chrom, Gold, Zinn oder anderen Metallen zu versehen. Dabei werden die Komponenten in ein Metallbad getaucht, durch das dann starke Ströme von bis zu 10.000 Ampere fließen. Durch diese Ströme setzen sich die gewünschten Metallpartikel gleichmäßig am Bauteil ab. Der Stromverbrauch ist freilich hoch. Auch brauchen Betriebe wie die Flugzeug-Galvanik Dresden eigene Trafos und müssen ihre elektrischen Anlagen auch kühlen, was weitere Energie verschlingt. Zudem ist das Genehmigungsverfahren für die chemischen Anlagen in Galvanikbetrieben aufwendig. Und durch die sogenannte EU-Verordnung „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“ (REACh) müssen die Galvaniker auch den Einsatz von Chrom-VI-Verbindungen und Chromsäuren stark einschränken beziehungsweise ersetzen. Auch dies ist für die eher kleinteilig strukturierte deutsche Galvanikbranche eine Herausforderung.

Vom Tornado-Bauteil bis zum Erste-Klasse-Kleiderhaken

All diese Entwicklungen haben im Umkehrschluss dazu geführt, dass für diejenigen, die da mithalten konnten, der Kreis der Wettbewerber in ihrer jeweiligen Nische kleiner geworden ist. Und das gilt eben auch für die Flugzeug-Galvanik Dresden. Die veredelt alle möglichen Bauteile, die in Flugzeugen, Hubschraubern und anderen fliegenden Vehikeln eben so vorkommen – vom Tornado-Bauteil über den Höhenruder-Bolzen bis hin zum glänzenden Kleiderhaken in der 1. Klasse im Airbus. 18 Millionen Euro Jahresumsatz macht das Unternehmen mit solchen Auftragsarbeiten und beschäftigt 240 Mitarbeiter. Erst kürzlich hat der Betrieb nach einem Betriebsbrand noch mal neun Millionen Euro nachinvestiert, so dass das Unternehmen nach eigenem Bekunden nun auf einem ziemlich modernen Stand ist. Zu den Kunden gehören Airbus, Diehl, die Elbe-Flugzeugwerke, aber auch das Militär. Und die Arbeit der Dresdner hat dort einen guten Ruf – „die Konkurrenz ist inzwischen spärlich gesät“, sagt Vertriebschef Marcus Kolb augenzwinkernd.

Sächsische Luftfahrtindustrie spürt wieder Aufwärtswind

Die 2004 gegründete Flugzeug-Galvanik Dresden ist Teil der sächsischen Luftfahrtindustrie, die reichlich 60 Jahre nach dem Absturz der „Baade 152“ und dem abrupten Ende der DDR-Flugzeugindustrie wieder an Stärke gewinnt. Mittlerweile erwirtschaften rund 160 Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit insgesamt mehr als 7000 Beschäftigten am Luftfahrtstandort Sachsen jährlich einen Umsatz von etwa 1,4 Milliarden Euro.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: Vor-Ort-Besuch, Auskünfte Flugzeug-Galvanik, ZVO

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt