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Luftfahrtfirma „Diehl“ schwört auf Standort Dresden

Ein Diehl-Mitarbeiter bei der Prüfung einer Flugzeug-Toilette. Foto: Heiko Weckbrodt

Ein Diehl-Mitarbeiter bei der Prüfung einer Flugzeug-Toilette. Foto: Heiko Weckbrodt

Auch neue Ausbaustufe für 15 Millionen Euro steht weiter zur Debatte

Dresden, 23. Mai 2023. Wenn man Robert Hellwig vom Flugzeug-Zulieferer „Diehl Aviation“ im Dresdner Norden über eigene Leiterplatten-Entwürfe, seine Leute im Metallbau oder über Hightech-Sauger für Toiletten reden hört, denkt man unwillkürlich an einen Trend, dem viele deutsche Industrie-Unternehmer in den vergangenen Dekaden hinterhergerannt sind: Sie haben die eigene Fräshalle, den Werkzeugbau oder andere Abteilungen im Hause auf „Outsourcing“-Altar geopfert, diese Prozessschritte an chinesische Sub-Auftragnehmer weiterdelegiert, um sich, wie es immer wieder hieß, auf ihre „Kernkompetenzen“ zu konzentrieren. Das hat oft die Betriebsabschlüsse besser aussehen lassen und manchen angeschlagenen Betrieb mit überbordenden Kosten vielleicht wirklich gerettet.

Robert Hellwig. Foto: Kristin Schmidt für das SMWA

Robert Hellwig. Foto: Kristin Schmidt für das SMWA

Mehr Fertigungstiefe statt „Outsourcing“

Doch die schweren Lieferkettenstörungen im Zuge von Corona, protektionistischen Wirtschaftskriegen und anderen Krisen haben eben auch gezeigt, wie stör-anfällig diese global verteilten Prozessketten manch deutsches Unternehmen gemacht haben – und wie wenige qualitätsbestimmende Bauteile sie selbst noch produzieren. Hellwig ist da einen anderen Weg gegangen: Statt „Outsourcing“ hat der Geschäftsführer von „Diehl Aviation“ in seiner Dresdner Fabrik gewissermaßen „Insourcing“ betrieben: „Unsere Fertigungstiefe ist erheblich und ist in den vergangenen Jahren eher noch gewachsen“, sagt er. So hat das Luftfahrt-Zulieferwerk an der Straße „Zum Windkanal“ im Dresdner Norden beispielsweise eine eigene Elektronik-Entwicklung aufgebaut, betreibt eine Metallbearbeitung, unternimmt Forschungen an Wasserstofftechnologien und dergleichen mehr.

Die Elektronik für seine Rauch- und Brandmelder entwickelt und produziert Diehl Dresden zu großen Teilen selbst. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Elektronik für seine Rauch- und Brandmelder entwickelt und produziert Diehl Dresden zu großen Teilen selbst. Foto: Heiko Weckbrodt

Was über die Qualität entscheidet, stellt die Fabrik selbst her

Klar müsse er diesen kostenintensiven Kurs in Dresden immer wieder gegenüber der Eigentümerfamilie und anderen Managern der Diehl-Gruppe verteidigen, räumt Hellwig auf Oiger-Anfrage ein. „Aber ich bin überzeugt: Das ist der richtige Weg, mit den richtigen Leuten, die wir hier selber ausgebildet haben.“ Nur mit dieser Expertise und der Fähigkeit, qualitätsbestimmende Bauteile selbst herzustellen, habe die Firma sich mit Toiletten, Rauchmeldern, Belüftern und anderen Bordsystemen, die sich in einem Flugzeug um Wasser, Luft und Feuer drehen, solch führende Marktpositionen errungen. Und viele Bauteile, die er brauche, könne er gar nicht auf dem freien Markt kaufen – die müsse er selber herstellen.

Im Flugzeug ist selbst das Klo „Hightech“

Nun mag man sich fragen, warum ausgerechnet ein Hersteller von Flugzeug-Klos unbedingt solch eine lange Wertschöpfungskette im eigenen Hause braucht, wenn doch fast jeder andere in der Branche das alles in Fernost zukauft. Doch im Flugzeug ist eben selbst die Toilette „Hightech“, muss jederzeit funktionieren, sonst muss der ganze Jumbo-Jet im schlimmsten Falle sogar notlanden, wie der Dresdner Diehl-Produktionsleiter Markus Kuchinke erklärt. „Da muss alles 100-prozentig funktionieren“, sagt er. „Deshalb machen wir hier auch nicht nur Stichproben, sondern testen jedes Stück, bevor es unsere Fabrik verlässt.“

Boeing testet Wasser-Wiederverwerter aus Dresden im ecoDemonstrator

Hinzu kommt, dass die Flugzeughersteller im jedes Kilogramm an Bord ihrer Maschinen feilschen, damit der Kunde Kraftstoff sparen oder mit mehr Reichweite fliegen kann. Deshalb gibt es im 350-köpfigen Dresdner „Diehl“-Team eben beispielsweise auch Experten, die den Stahl am Toilettenbecken durch Leichtbau-Materialien ersetzt haben, andere schrumpfen die Vakuumpumpen für die Notdurft über den Wolken, andere löten Leiterplatten, Chips und Sensoren zu besonders fehlalarm-sicheren Brandmeldern zusammen und wieder andere knobeln an Lösungen, wie die Airlines mit weniger Wasser an Bord starten können, um wieder ein paar Kilo zu sparen. Ihr neuestes Konzept sieht vor, das gebrauchte Handwaschwasser im Flugzeug aufzufangen, zu filtern und für die Toilettenspülung wiederzuverwerten. „Dadurch lassen sich bis zu 210 Kilogramm Trinkwasser pro Flug einsparen“, erklärt Diehl-Aviation-Sprecher Guido van Geenen. Dieses in Dresden entwickelte System werde derzeit auf dem Testflugzeug „ecoDemonstrator“ von Boeing erprobt. Das Interesse auch anderer Flugzeughersteller daran sei groß – nicht zuletzt, weil sich das Aufbereitungssystem auch nachrüsten lasse. 

Diehl Aviation in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Diehl Aviation in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Bayern gründeten nach der Wende Dresdner Tochter

Bei solchen Tüfteleien stützt sich das Diehl-Kollektiv auf Expertise, die es über Jahre hinweg akkumuliert hat: 1991 gründete das bayrische Unternehmen „Apparatebau Gauting“ mit zwei Technologen der Flugzeugwerft Klotzsche ein Dresdner Tochterunternehmen. Die AOA Dresden wartete zunächst MiG-Kampfflugzeuge, die die Bundeswehr von der DDR-Luftwaffe übernommen hatte. Dann kamen immer mehr eigene Produkte hinzu, zunächst vor allem für Airbus-Flugzeuge: Bord-Toiletten, Wasserventile und -Tanks, Heizungen, Kühlungssysteme für die Essens-Trolleys, mit denen die Stewardessen die Mahlzeiten an die Passagiere verteilen, Brandmelder und dergleichen mehr. Nach einem Eigentümerwechsel heißt das Unternehmen seit 2010 „Diehl Aviation“. Neben Militäraufträgen produziert die Dresdner Fabrik heute vor allem Komponenten für zivile Flugzeuge von Airbus, Boeing und anderen Herstellern, rüstet mit seinen Rauchdetektoren aber beispielsweise auch ICE-Züge aus.

Ausbaupläne durch Corona ausgebremst – aber nicht vom Tisch

Und wenn es nach dem Chef geht, ist in Sachsen noch Platz für mehr: „Ich würde hier in Dresden gerne noch weiter ausbauen“, kündigt Hellwig an. Hier passe einfach alles: Stabilität, Innovationskraft, fähige Leute und eine gute Förderung. Allerdings habe Corona eine kräftige Delle in der Luftfahrtindustrie hinterlassen, daher sei die vor der Pandemie vorgesehene Ausbau-Investition für 15 Millionen Euro in Dresden erst mal auf Eis gelegt worden. „Aber vom Tisch ist das nicht.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Besuch, Auskünfte Hellwig u.a.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt