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Größe ist nicht alles: Neandertaler-Gehirne pfuschten zuviel

Weniger Chromosomentrennungsfehler in neuronalen Stammzellen des modernen Menschen im Vergleich zum Neandertaler. Linke Seite: Mikroskopaufnahme der Chromosomen (in Cyan) einer neuronalen Stammzelle des modernen Menschen im Neokortex während der Zellteilung. Rechte Seite: dieselbe Aufnahme, aber von einer Zelle, in der drei Aminosäuren in den beiden Proteinen KIF18a und KNL1, die an der Chromosomentrennung beteiligt sind, von der modernen menschlichen Variante zur Neandertaler-Variante verändert wurden. Diese "neandertalisierten" Zellen weisen doppelt so viele Chromosomenverteilungsfehler auf (roter Pfeil). Aufnahme: Felipe Mora-Bermúdez / MPI-CBG

Weniger Chromosomentrennungsfehler in neuronalen Stammzellen des modernen Menschen im Vergleich zum Neandertaler. Linke Seite: Mikroskopaufnahme der Chromosomen (in Cyan) einer neuronalen Stammzelle des modernen Menschen im Neokortex während der Zellteilung. Rechte Seite: dieselbe Aufnahme, aber von einer Zelle, in der entscheidende Aminosäuren, die an der Chromosomentrennung beteiligt sind, von der modernen menschlichen Variante zur Neandertaler-Variante verändert wurden. Diese „neandertalisierten“ Zellen weisen doppelt so viele Chromosomenverteilungsfehler auf (roter Pfeil). Aufnahme: Felipe Mora-Bermúdez / MPI-CBG

Genetiker aus Sachsen haben Stammzell-Fehler mit modernem Menschen verglichen

Dresden/Leipzig, 30. Juli 2022. Die Gehirne von Neandertaler sind zu hastig gewachsen und haben dabei im Vergleich zum Gehirn des modernen Menschen zuviele Fehler bei der Stammzell-Teilung gemacht. Das haben Teams vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden und vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig nun bei Experimenten mit Mäusen und Gehirn-Organoiden herausgefunden.

Vor allem die chronisch unterfinanzierte TU Dresden kann Exzellenz-Fördergelder dringend brauchen, schätzt Prof. Wieland Huttner vom Dresdner Max-Planck-Genetikinstitut ein. Foto (bearbeitet): hw

Prof. Wieland Huttner vom Dresdner Max-Planck-Genetikinstitut. Foto (bearbeitet): hw

Gehirnfunktion der Neandertaler stärker von Chromosomenfehlern beeinflusst?

Ob dieser „Pfusch“ letztlich mitverantwortlich für das Aussterben der Neandertaler war, lässt sich daraus allerdings nicht ableiten. Dass die Zellteilfehler allerdings die Funktionsfähigkeit der Neandertaler-Gehirne beeinflusst haben könnten, ist keine völlig abwegige Vermutung. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass einige Aspekte bei der Entwicklung und Funktion des Gehirns moderner Menschen unabhängig von der Gehirngröße sind, da Neandertaler und moderne Menschen ein ähnlich großes Gehirn haben“, betonte CBG-Gruppenleiter Prof. Wieland Huttner, der die Studie mitbetreut hat. „Die Ergebnisse lassen auch vermuten, dass die Gehirnfunktion der Neandertaler stärker von Chromosomenfehlern beeinflusst wurde als die des modernen Menschen.“

Experimente mit Mäusen und Organoiden

Für ihre Untersuchung pflanzten die Forschenden ausgewählte Aminosäuren, die im modernen Menschen die Erbgutverteilung bei Stammzell-Teilungen beeinflussen, in Mäuse ein. Zum Vergleich erzeugten sie in Laborschalen vereinfachte Hirnstrukturen (Organoide), die denen von Neandertalern ähnelten. Dann beobachteten sie die Teilungsprozesse der Hirn-Stammzellen. Dabei stellten sie fest, dass sich die Gehirnstrukturen, die dem modernen Menschen ähneln, sich mehr Zeit bei der Zellteilung ließen. Diese machten dabei nur halb soviel Fehler bei der Chromosomen-Verteilung – also der Erbgutträger – auf die Tochterzellen.

Autor: hw

Quelle: MPI-CBG

Wissenschaftliche Publikation:

Felipe Mora-Bermúdez, Philipp Kanis, Dominik Macak, Jula Peters, Ronald Naumann, Lei Xing, Mihail Sarov, Sylke Winkler, Christina Eugster Oegema, Christiane Haffner, Pauline Wimberger, Stephan Riesenberg, Tomislav Maricic, Wieland B. Huttner, Svante Pääbo: „Longer metaphase and fewer chromosome segregation errors in modern human than Neandertal brain development”, Science Advances, 29. Juli 2022, doi: 10.1126/sciadv.abn7702

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt