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Neue Azubi-Schmiede für Sachsens Mikroelektronik kostet über 120 Millionen Euro

Eine Fraunhofer-Mitarbeiterin kontrolliert im Reinraum des Dresdner Photonik-Institut, der für 45 Millionen Euro modernisiert werden soll. Abb.: IPMS

Die praxisnahe Reinraum-Ausbildung künftiger Chipwerker ist aufwendig und teuer. Ein neues Ausbildungszentrum für Sachsens Mikroelektronik soll dies übernehmen – um die Finanzierung wird noch gerungen. Hier auf dem Archivfoto ist eine Fraunhofer-Mitarbeiterin im Reinraum des Dresdner Photonik-Instituts IPMS zu sehen. Abb.: IPMS

Tauziehen um Finanzierung durch Bund, Land und Betriebe hält an

Dresden, 5. April 2024. Das geplante „Sächsische Ausbildungszentrum für Mikroelektronik“ (Sam) wird rund 120 bis 130 Millionen Euro kosten. Das hat Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) während einer Tour durch Sachsens Halbleiterbetriebe eingeschätzt. Er korrigierte damit frühere Schätzungen aus andere Quellen herunter, in denen angesichts der teuren, chipfabrik-ähnlichen Reinraum-Ausrüstungen für die zentrale Ausbildungsstätte von „mehreren Hundert Millionen Euro“ die Rede gewesen war.

Wirtschaftsminister Martin Dulig. Foto: Heiko Weckbrodt

Wirtschaftsminister Martin Dulig. Foto: Heiko Weckbrodt

Wirtschaftsminister verspricht Geld vom Freistaat

Zugleich sagte Dulig Landeszuschüsse für das ambitionierte Projekt zu, das den Fachkräfte-Nachschub für Infineon, TSMC und viele andere Chipfabriken sowie kleinere Hightech-Unternehmen im Freistaat sichern und für etwa 1000 angehende Mechatroniker, Mikrotechnologen und Lehrlinge verwandter Professionen ausgelegt sein soll. „Ja, wir geben etwas dazu“, bestätigte der Minister auf Oiger-Anfrage. Wieviel, das stehe aber noch nicht fest.

Aufwendige Reinraum-Ausstattung nötig

Ohnehin bemühen sich beiden künftigen Sem-Betreiber – die „Dresden Chip Academy“ (DCA) und die „MEA Metall und Elektroausbildung gGmbH“ aus Kesselsdorf – noch um Investitionsbeteiligungen durch die großen Halbleiter-Unternehmen im Raum Dresden sowie um Bundes-Zuschüsse. Von derartigen Zusagen dürften dann wohl auch die technische Ausstattung und letztlich die Gesamtinvestitions-Summe abhängen. In der Grundkonzeption sind unter anderem Halbleiterlabore, Reinräume, mechanische Werkstätten, Schülerlabore, Vakuumtechnik, Roboter, 3D-Drucker, Computer und Prüfungsräume auf insgesamt rund 15.000 Quadratmeter Nutzfläche geplant. Das soll eine praxisnahe Ausbildung sichern.

Chipgesetz-Geld oder Kohlausstiegs-Kohle stehen zur Debatte

Zur Debatte stehen vom Bund womöglich Subventionen im Rahmen des europäischen Chipgesetzes, das nicht auf nur große Fabrik-Ansiedlungen, sondern auch auf eine breitere Mikroelektronik-Ausbildung zielt. Denkbar sind aber auch Kohleausstiegs-Geld, die für die Strukturwandel in der Lausitz gedacht sind. Denn auch der Standort für das Sem steht aus eben diesen Gründen noch nicht fest: Die meisten Chipfabriken und deren Lehrlinge sind sicher in Dresden zu finden. Aber eine Investition in einem der umliegenden Landkreise – etwa im Kreis Bautzen – könnte womöglich die Fördermöglichkeiten für das Sem verbessern.

Womöglich wird wegen starken Bedarfs eine Übergangslösung nötig

Deutlich wird angesichts dieser schwierigen Verhandlungen um unternehmerische Zuschüsse und staatliche Subventionen im Hintergrund könnte es länger dauern als ursprünglich gedacht, bis „Sem“ die ersten Mikroelektronik-Lehrlinge ausbilden kann. „Womöglich werden Übergangslösungen notwendig sein“, erklärte Dulig.

Thomas_Richter. Foto: via Infineon Technologies Presse

Thomas_Richter. Foto: via Infineon Technologies Presse

Infineon: „Wir werden uns so oder so beteiligen“

Denn eine weitere Finanzierungsquelle ist ebenfalls noch nicht ausgehandelt: Ob direkte Startzuschüsse oder Investitionsbeteiligungen der großen Chipfabriken aus dem „Silicon Saxony“-Verbund für das „Sem“ fließen, bleibt bislang unsicher. Immerhin hat sich der Dresdner Infineon-Geschäftsführer Thomas Richter schon ein Stück weit heraus gelehnt: „Wir wollen nicht der Träger des Ausbildungszentrums sein, sondern ein Partner“, betonte er auf Nachfrage. Und: „Wir werden uns so oder so daran beteiligen – auf die eine oder andere Art und Weise.“ Gemeint ist damit: Wenn Infineon oder andere Chipfabrik-Betreiber ihre Lehrlinge zur überbetrieblichen Ausbildung ins „Sem“ entsenden, dann werden sie in jedem Fall Geld dafür zahlen – und zwar nicht wenig: Pro Lehrjahr kostet ein Mikroelektronik-Azubi den Betrieb einen „sechsstelligen Betrag“, verrät Richter. Dabei entfällt ein Teil der Kosten im Unternehmen selbst an und ein anderer Teil fließt als Beitrag an eine überbetriebliche Ausbildungsstätte wie eben künftig das „Sem“.

Vierte Chipfabrik und demografische Lücken: Bedarf an Fachkräften steigt

Dass gerade Infineon besonderes Interesse am „Sem“-Projekt zeigt, hat gute Gründe: Einerseits steigt durch den milliardenschweren Bau der Infineon-Fab 4 in Dresden ohnehin der langfristige Fachkräftebedarf. Andererseits schlägt auch in der Hochtechnologie-Industrie der demografische Wandel zu. In der Folge gehen in den nächsten Jahren von der momentan rund 3250 Menschen umfassende Belegschaft rund 1000 erfahrene Expertinnen und Experten bei Infineon Dresden in Rente oder fallen anderweitig weg. Daher braucht das Unternehmen braucht dringend Ersatz, um diese Lücken zu füllen. In naher Zukunft soll daher die „Nachwuchs-Truppe“ von derzeit 350 auf dann 650 Azubis wachsen.

„Wollen Mittelstand nicht die Leute wegnehmen“

Hinzu kommt: Seit TSMC und Infineon ihre jüngsten Milliardenprojekte in Dresden angekündigt haben, verdichten sich die Sorgen, dass die „großen Leuchttürme“ den kleineren Technologiefirmen alle Fachkräfte und fähigen Lehrlinge am Standort wegschnappen werden. Laut Prognosen des Branchenverbandes „Silicon Saxony“ braucht die Hightech-Wirtschaft im Dreieck Dresden – Freiberg – Chemnitz bis 2030 mindestens 24.000 neue Fachkräfte. Indem Infineon Dresden in die eigene und damit auch die überbetriebliche Ausbildung investiere, wolle das Unternehmen eben auch solche Vorwürfe entkräften, betonte Thomas Richter: „Wir wollen dem Mittelstand hier nicht die Leute wegnehmen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: SMWA, Infineon, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt