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Chip-Lehrlingsschmiede kostet mehrere Hundert Millionen Euro

Das "Sächsisches Ausbildungszentrum Mikroelektronik" (SAM) soll Platz für bis zu 1000 Azubis bieten. Grafik: Dall-E / hw

Das „Sächsisches Ausbildungszentrum Mikroelektronik“ (SAM) soll Platz für bis zu 1000 Azubis bieten. Grafik: Dall-E / hw

Ausbildungszentren: 2027 werden mindestens 900 Lehrplätze für Sachsens Mikroelektronik benötigt

Dresden, 20. September 2023. Um genug junge Menschen auf Jobs in der wachsenden Chipindustrie in Sachsen vorzubereiten, wird das neue „Sächsische Ausbildungszentrum für Mikroelektronik“ (Der Oiger berichtete exklusiv) für rund 1000 Lehrplätze ausgelegt und entweder in Dresden oder im unmittelbaren Umfeld eingerichtet. Das haben Dagmar Bartels von der „Dresden Chip Academy“ (DCA) und Sebastian Boden von der „MEA Metall und Elektroausbildung gGmbH“ aus Kesselsdorf während eines Treffens ehemaliger Dresdner Halbleiter-Experten (Mikroelektronik-Alumni) in den Technischen Sammlungen Dresden angekündigt. DCA und MEA wollen gemeinsam das „SAM“ betreiben.

Neben Lehrausbildung auch überregionale Lehrlings-Akquise und Berufsorientierung für Schüler

Das geplante Zentrum soll junge Mechatroniker, Mikrotechnologen und Elektroniker für die großen Chipfabriken, aber auch für kleine und mittelständische Unternehmen in Sachsen und darüber hinaus ausbilden. Noch nicht ganz geklärt ist, ob oder in welchem Umfang das SAM auch Lehrlinge für die neuen Intel-Chipfabriken in Magdeburg ausbildet oder für den US-Konzern Erwachsenen-Qualifizierungen übernimmt. Laut Bartels ist jedenfalls vorgesehen, dass sich das SAM auch um eine Berufsorientierung an Schulen, um eine überregionale Rekrutierung von potenziellen Lehrlingen sowie um die Hightech-Weiterbildung und Qualifizierung von Erwachsenen kümmern soll.

In den Dresdner Chipfabriken arbeiten Mensch und Roboter zusammen – dies sollen auch die Halbleiter-Azubis beizeiten trainieren. Foto: Infineon

Vom 3D-Drucker bis zum Reinraum

Laut Konzept bekommt das SAM für diese breite Aufgabenspektrum unter anderem Halbleiterlabore, Reinräume, mechanische Werkstätten, Schülerlabore, Vakuumtechnik, Roboter, 3D-Drucker, Computer und Prüfungsräume. Das soll eine praxisnahe Ausbildung sichern. Insgesamt soll das Zentrum rund 15.000 Quadratmeter Nutzfläche umfassen. Über den genauen Standort verhandeln die Bildungsträger derzeit noch mit der Stadt Dresden und dem Landkreis Bautzen.

Hoffnung auf Bundeshilfe

Über die Kosten wollten Bartels und Boden noch keine Angaben machen. Aber Oiger-Quellen zufolge handelt es sich um mehrere Hundert Millionen Euro. Um diese Investitionen zusammen mit den beteiligten Unternehmen zu stemmen, bemüht sich die sächsische Landesregierung derzeit laut Bartels beim Bund um eine Beteiligung. Zudem könne die Ausbildung von Mikroelektronikern auch über den European Chips Act gefördert werden.

Bisher reichen Kapazitäten nur für 400 Chip-Azubis

Hintergrund: Schon seit längerer Zeit ist absehbar, dass die rund 400 Lehrplätze für Mikrotechnologen und Mechatroniker, die die Dresden Chip Academy in Dresden-Klotzsche und die MEA in Kesselsdorf in Summe – wenn auch bisher jeder für sich – parat haben, schon bald nicht mehr ausreichen. Denn einerseits ist da das organische Wachstum der Halbleiterindustrie im, Dreieck Dresden-Chemnitz-Freiberg. Anderseits kommen nun die TSMC-Ansiedlung, die neuen Fabriken von Infineon und Jenoptik, die Erweiterungen bei Globalfoundries und Bosch sowie weitere Projekte hinzu, die zusammen mehrere Tausend neue Fachkräfte erfordern. Die Projektionen von MEA und DCA gehen davon aus, dass sich der Bedarf allein an Mechatroniker- und Mikrotechnologie-Lehrlingen bis 2027 auf rund 900 Plätze steigt.

Wegen Platzmangel bereits ehemaligen Supermarkt zugemietet

Bereits jetzt stoßen die Bildungsanbieter an ihre Kapazitätsgrenzen. Um weiter Prüfungen im gewohnten Umfang realisieren zu können, hat MEA-Chef Boden inzwischen sogar einen ehemaligen Supermarkt zugemietet. Insofern pressieren die Weichenstellungen für das SAM, da sich Ausschreibung, Bau und Ausrüstung über Jahre hinstrecken dürften. „Wir arbeiten deshalb auch für zwischendurch an Plan B und C“, betonte Boden.

Prüfungen in Englisch sollen Zuzug erleichtern

Abgesehen davon sehen Bartels und Boden auch noch strukturellen Reformbedarf in der Mikroelektroniker-Ausbildung: So verhandeln DCA und MEA inzwischen bereits mit der Industrie- und Handelskammer Dresden, ob und welche Prüfungen künftig auch in Englisch abgelegt werden können. Dies soll die internationale Akquise von Azubis und Quereinsteigern erleichtern.

Modernere Lehrpläne angemahnt

Außerdem seien die Lehr- und Prüfungspläne für Mikrotechnologen und teils auch für Mechatroniker nicht mehr ganz zeitgemäß. Bartels und Boden fordern daher eine Modernisierung mit Blick auf die fachlichen Qualifikationen, die heute tatsächlich in den Betrieben gebraucht werden. Außerdem sei es wichtig, auch die Kapazitäten an den Berufsschulen zu erhöhen, die zum Ausbildungs-Dreiklang „Unternehmen-Berufsschule-Ausbildungszentrum“ in der sächsischen Mikroelektronik dazugehören.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: MEA, SCA, Oiger-Archiv, vertrauliche Quellen

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt