Taiwanesische Großinvestition löst in Sachsen Begeisterung aus
Dresden, 8. Juni 2023. Auf große Begeisterung ist in Sachsen die heutige Entscheidung von TSMC gestoßen, gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP in Dresden für zehn Milliarden Euro eine Mega-Chipfabrik zu bauen. „Ich bin froh und stolz, dass der Freistaat mit seinen Standortvorteilen überzeugen konnte und mit TSMC einer der weltweit führenden Chiphersteller sein erstes europäisches Halbleiterwerk in Sachsen errichten will“, begrüßte unter anderen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Entscheidung der Taiwanesen.
Hoffnung auf mehr technologische Unabhängigkeit
Kretschmer rechnet nun mit einem Wachstumsschub für das auch „Silicon Saxony“ genannte Mikroelektronik-Dreieck zwischen Dresden, Chemnitz und Freiberg. „Die geplante Ansiedlung hier bei uns im Herzen von Europa ist eine große Chance. Sie wird auf alle Regionen des Freistaates ausstrahlen mit positiven Effekten bei Beschäftigung und Wertschöpfung. Nicht zuletzt sorgt die Großinvestition für mehr europäische Souveränität und technologische Unabhängigkeit in einer Schlüsselbranche.“
Habeck verspricht Chipgesetz-Subventionen
Subventionen für das geplante TSMC-Werk hat derweil Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versprochen: In der Erwartung auf grünes Licht von der EU werde sein Ministerium „das Vorhaben nach den Kriterien des European Chips Act unterstützen“, kündigte er an. „Da zügige Verfahren bei Halbleitern zentral für Investitionen sind, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit einer Ausnahmegenehmigung bereits ermöglicht, dass das Unternehmen mit den Baumaßnahmen beschleunigt beginnen kann.“
„Halbleiter halten unsere Welt am Laufen“
Er begründete dies mit der besonderen Bedeutung der TSMC-Ansiedlung: „Eine robuste heimische Halbleiterproduktion ist von besonderer Bedeutung für unsere globale Wettbewerbsfähigkeit, denn Halbleiter halten unsere Welt am Laufen und machen die Transformation hin zur Klimaneutralität erst möglich: Ohne sie läuft kein Computer , fährt kein Auto, können weder Wind- noch Solaranlagen Energie produzieren“, betonte Habeck. „Die Investition von TSMC wird daher substanziell dazu beitragen, die Versorgung Deutschlands und Europas mit Halbleiterchips zu sichern.“
Regionalminister: Wenn Chips fehlen, stehen ganze Produktionslinien
„Zusammen mit der Entscheidung von Intel für Magdeburg und der Erweiterung von Infineon in Dresden wird diese Ansiedlung der regionalen Entwicklung in Mitteldeutschland einen gewaltigen Schub verleihen“, schätzte der sächsische Regionalminister Thomas Schmidt (CDU) ein, der persönlich am europäischen Chipgesetz mitgewirkt hatte. „Profitieren wird jedoch die gesamte europäische Wirtschaft. Europa muss unabhängiger werden von außereuropäischen Zulieferern, das hat die Zeit der Corona-Pandemie deutlich gezeigt, als ganze Produktionslinien stillstanden, weil ein paar winzige Chips gefehlt haben, die zu hunderten in Autos und vielen anderen Produkten stecken. Wenn mit TSMC der größte Auftragsfertiger für zahlreiche globale Industriezweige nach Europa kommt, dann wird das helfen, erforderliche Lieferketten deutlich zu stabilisieren.“
Wirtschaftsminister: Das ist die größte Einzelinvestition seit der Wende
Auch der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) begrüßt die Ankündigung aus Taiwan. Es handele sich um die größte Einzelinvestition eines Unternehmens im Freistaat seit 1990.
„Unser einzigartiges Ökosystem aus hochinnovativen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen hat eine immer stärkere Anziehungskraft entfaltet“, ergänzte der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). „Im Bereich der Mikroelektronik reicht die Historie über sechs Jahrzehnte zurück – die nun beschlossene Investition von TSMC mit Bosch, Infineon und NXP wird die künftige Geschichte der Halbleiterentwicklung auf viele Jahre maßgeblich prägen und weltweiten Einfluss haben.“ Zugleich warte nun einige Arbeit auf die Stadt: „Die sensationelle Entwicklung der Halbleiterindustrie erfordert einen erheblichen Infrastrukturausbau im Dresdner Norden. Die Landeshauptstadt treibt dabei die Ertüchtigung mit den zuständigen Ämtern und Versorgern intensiv voran. Auch für die absehbar steigende Nachfrage nach ÖPNV- und Wohnungsangeboten gilt es nun umso intensiver, tragfähige Lösungen zu entwickeln.“
Wirtschaftsförderer erwarten Magneteffekte
In der staatlichen „Wirtschaftsförderung Sachsen“ (WFS) war von einem „echten Quantensprung nicht nur für den Standort, sondern auch für Deutschland und Europa insgesamt“ die Rede. „Die Entscheidung von TSMC wird uns darüber hinaus auch starken Rückenwind geben, um weitere Neuansiedlungen und Erweiterungsinvestitionen für Sachsen zu gewinnen“, zeigte sich WFS-Chef Thomas Horn überzeugt. „Dies nützt der gesamten Branche und wird dann wiederum auch ein Magnet sein, um mit zahlreichen attraktiven Jobangeboten Fachkräfte für den Standort gewinnen zu können.“
IHK-Chef sieht Gegensignal zur Deindustrialisierungs-Debatte
Und viele Wirtschaftsvertreter rechnen auch mit langfristigen Wirkungen durch die neue Präsenz eines solchen globalen Akteurs in Sachsen: „Ich bin mir sicher, dass es mit der Entscheidung des weltgrößten Chipauftragsfertigers für Dresden gelingt, die internationale Bekanntheit und die Sogwirkung des mittlerweile größten Mikroelektronik- und IT-Clusters in Europa noch weiter zu steigern“, kommentierte beispielsweise der Dresdner IHK-Präsident Andreas Sperl. Zugleich sieht er darin ein Gegenpol zur Debatte um eine mögliche De-Industriealisierung von Deutschland: „Wichtig erachte ich das Signal für Deutschland als Industriestandort, gerade angesichts der aktuellen Diskussionen um die künftige Ausrichtung.“
Auch Handwerker hoffen auf Aufträge – sorgen sich aber auch um Fachkräfte-Wettbewerb
Und selbst die Handwerker im „Silicon Saxony“ hoffen auf Impulse durch die neue Mega-Fab, die ja schließlich auch erst mal gebaut, mit Stromleitungen verkabelt und anderweitig versorgt werden muss. „Von der milliardenschweren Investition durch den weltweit umsatzstärksten Halbleiterhersteller TSMC wird direkt und indirekt auch das ostsächsische Handwerk profitieren“, meint Handwerkskammer-Präsident Jörg Dittrich. „Mittel- und langfristig wird die Stärkung von ‚Silicon Saxony‘ auch erhebliche positive Effekte für die Handwerksbetriebe nach sich ziehen.“
Regionalminister Schmidt geht sogar noch einen Schritt weiter: Er ist überzeugt, dass „die Planungen und der Bau dieser Fabrik wie ein regionales Konjunkturprogramm positiv auf die hiesige Bau- und Handwerkerbranche“ wirken werden.
Allerdings verwies Kammerpräsident Dittrich auch auf die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt – und die Debatte um den wachsenden Fachkräftemangel für die großen Betriebe, noch mehr aber für die kleinen und mittleren Unternehmen in Sachsen. Er fordert daher: „Gleichzeitig müssen wir jetzt beim Thema Fachkräfteentwicklung und gesteuerter Zuwanderung von Fachkräften vorankommen.“
IG Metall will Tarifvertrag für TSMC-Fabrik
In eine ähnliche Kerbe schlagen auch die Gewerkschaften, die das TSMC-Investment einerseits begrüßen, aber auch eigene Wünsche vortragen: „Sachsen hat viele gute ausgebildete Fachkräfte zu bieten. Mit guten Löhnen und Arbeitsbedingungen kann es gelingen, sie für die neuen Werke zu gewinnen“, argumentierte der Bevollmächtigte Stefan Ehly von der IG Metall Dresden und Riesa. „Wie in anderen Industriebranchen auch werden wir uns als IG Metall zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen in den neuen Werken für gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne stark machen. Dazu gehören eine tragfähige Mitbestimmung und perspektivisch auch Tarifverträge.“ Ob sich die Taiwanesen, die bisher mit den deutschen Gewerkschaften und Arbeitskampf-Traditionen kaum etwas zu tun hatten, darauf einlassen, bleibt abzuwarten.
Grüne: TSMC soll seine Energie durch Solardach selbst gewinnen
Auch die Dresdner Grünen haben bereits heute ihre Forderungen an TSMC artikuliert: „Eine solche Ansiedlung ist nicht ohne Zumutungen für den Natur- und Umweltschutz möglich. Dementsprechend müssen von Beginn an zukunftsfeste Energie- und Wasserkonzepte zum Einsatz kommen“, erklärte Klimasprecher Wolfgang Deppe von der grünen Stadtratsfraktion in Dresden. „Ein Brauchwasserkreislauf und die Gewinnung des eigenen Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien etwa über Photovoltaik-Anlagen auf Dächern sind geboten. Auch der Flächenverbrauch muss angemessen kompensiert werden.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: SSK, BMWK SMWA, LHD, IG Metall, IHK Dresden, HWK Dresden, Oiger-Archiv, Stadtratsfraktion Bd. 90/Die Grünen Dresden
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