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Sichere Software aus Sachsen für das Auto von morgen

Die Technologie "L4RE" soll für besonders sichere und vertrauensvolle Betriebssysteme in Autos, Computern von Geheimnisträgern und in anderen Systemen sorgen. Visualisierung: Kernkonzept Dresden

Die Technologie „L4RE“ soll für besonders sichere und vertrauensvolle Betriebssysteme in Autos, Computern von Geheimnisträgern und in anderen Systemen sorgen. Visualisierung: Kernkonzept Dresden

Uni-Ausgründung Kernkonzept Dresden kooperiert mit britischer Prozessordesignschmiede „Arm“

Dresden, 2. Mai 2024. Der Markterfolg heutiger Autos wird nicht mehr unbedingt in Hubraum, Radgröße oder Motorleistung gemessen, sondern zunehmend durch Software, Chips und Sensoren mitbestimmt. Darüber hinaus spielen digitale Zwillinge eine wachsende Rolle beim Entwurf solcher „softwaredefinierter Fahrzeuge“. Das Dresdner Software-Unternehmen „Kernkonzept“ steuert für diesen Trend seine Betriebssystem-Technologie „L4Re Hypervisor“ für die neuesten Automobil-Prozessoren der britischen Prozessordesign-Schmiede „Arm“ bei.

Wenn der Bordcomputer oder gar das ganze Auto bereits vor dem Produktionstart in der Fabrik schon vorab als "Digitaler Zwilling" vorliegt, kann das die Software-Entwicklung für das neue Fahrzeugmodell deutlich beschleunigen. Visualisierung: Kernkonzept Dresden

Wenn der Bordcomputer oder gar das ganze Auto bereits vor dem Produktionsstart in der Fabrik vorab als „Digitaler Zwilling“ vorliegt, kann das die Software-Entwicklung für das neue Fahrzeugmodell deutlich beschleunigen. Visualisierung: Kernkonzept Dresden

Digitale Zwillinge sollen Software-Entwicklung beschleunigen

„Unsere L4Re-Hypervisor-Familie unterstützt bereits die neuen Arm-Prozessordesigns“, sagt Kernkonzept-Gründer Adam Lackorzynski. „Digitale Zwillinge machen dies möglich. Automobilhersteller und Zulieferer können jetzt mit der Software-Entwicklung beginnen, noch bevor die Hardware verfügbar ist. Das verkürzt die Markteinführung erheblich.“

Kernkonzept-Mitgründer Adam Lackorzynski. Foto: Kernkonzept Dresden

Kernkonzept-Mitgründer Adam Lackorzynski. Foto: Kernkonzept Dresden

Die Arbeit beginnt am digitales Ebenbild in einer virtuellen Umgebung

Um dies zu ermöglichen, veröffentlichen die Briten ihre neuesten Prozessor-Designs vorab in einer Art virtueller Werkhalle – lange bevor der erste Schaltkreise die Chipfabriken verlässt. Unternehmen wie Kernkonzept spielen dann in dieser virtuellen Arbeitsumgebung ihre Betriebssysteme auf den – ebenfalls noch virtuellen – Automobil-Prozessor auf. Mit diesem „Digitalen Zwilling“, der das Verhalten und die Fähigkeit des echten Schaltkreises vollständig simuliert, können dann schon frühzeitig die Software-Ingenieure der Auto-Partnerunternehmen ihre Software für das künftige Auto programmieren. Bisher mussten die Programmierer damit immer warten, bis die neuen Arm-Prozessoren auch physisch verfügbar waren.

„Grundlegendes Umdenken der Produktentwicklung ist erforderlich“

„Da die Fahrzeugelektronik zunehmend komplexer wird, getrieben von den wachsenden KI- und Software-Anforderungen moderner Automobilanwendungen, muss die Branche schneller innovieren als je zuvor“, meint Arm- Vizepräsident Suraj Gajendra. „Ein grundlegendes Umdenken der Produktentwicklung ist erforderlich, um eine schnellere Time-to-Market zu erreichen. Mit dem Support führender Partner wie Kernkonzept kann Arm neue virtuelle Plattformen und Softwarelösungen veröffentlichen. So sind Software-EntwicklerInnen in der Lage, Lösungen zu finden, sobald unsere modernste Hardware verfügbar ist, ohne auf die Chips warten zu müssen.“

Trend geht zum mobilen Supercomputer an Bord

Hintergrund: In einem typischen hochwertigen Fahrzeug sind Dutzende, manchmal Hunderte von Steuergeräten für wichtige Fahrzeugfunktionen verantwortlich. Jede Funktion wurde früher einem separaten Steuergerät zugewiesen. Allerdings gibt es in modernen Fahrzeugen immer mehr hochleistungsfähige Automobil-Computer (HPCs), die viele Funktionen in einem einzigen Steuergerät ausführen. In einigen Autos steuert sogar nur ein einzelner zentraler „automobiler HPC“ all diese Aufgaben.

Kernkonzept-Hypervisoren ziehen Schutzwände gegen Angreifer hoch

Allerdings wäre es fatal, wenn eine kleine Fehlfunktion in solch einem Fahrzeug das gesamte System lahm legt. Für den sicheren Betrieb der jeweiligen Funktion müssen Automobilhersteller zusätzliche Barrieren errichten, die es Angreifern unmöglich machen, tiefer in das System einzudringen. Diese Barrieren werden mit dem „L4Re Hypervisor“ oder „L4Re Micro Hypervisor“ bereitgestellt. Sie isolieren die einzelnen Anwendungen auf einem HPC zeitlich und räumlich.

Programmieren unabhängig der konkreten Hardware möglich

Ein weiterer Vorteil ist offensichtlich: Die Kombination der virtuellen Plattformen von Arm mit der L4Re-Hypervisor-Familie ermöglicht die Entwicklung von Funktionen und Anwendungen unabhängig von der konkreten Prozessor-Variante. Die Hypervisoren von Kernkonzept können genauso gut auf Arm-Hochleistungs-Schaltkreisen wie auf stromsparenden Versionen oder anderen Varianten ausgeführt werden.

Konzept für sicheres Betriebssystem an der TU Dresden entwickelt

Die Wurzeln dieser Technologie wurden 1996 an der Technischen Universität Dresden gelegt. Das L4Re-Konzept war von Anfang an quelloffen ausgelegt. Das heißt beispielsweise, dass für externe Software-Experten nachvollziehbar bleibt, wie das Betriebssystem funktioniert und wie es mit Daten umgeht. Dieser „Open Source“-Ansatz sorgt für hohe Transparenz und Sicherheit. Seitdem haben die Entwickler und Betreuer hinter L4Re – von denen viele seit 2012 in der Kernkonzept GmbH vereint sind – das Mikrokern-basierte Betriebssystem weiterentwickelt und für den professionellen Einsatz angepasst. Es ist als Open-Source-Software verfügbar.

Forscher gründeten Kernkonzept aus der Uni aus

Kernkonzept ist ein Softwareunternehmen mit Sitz in Dresden, das sich auf sichere und schlanke Betriebssysteme spezialisiert hat, einschließlich Hypervisoren und Virtualisierungs-Technologien. Das 30-köpfige Team verfolgt einen strikten Open-Source-Pfad. Zu den Kunden und Anwendern der L4Re-Hypervisor-Familie gehören Airbus, Joynext und viele andere Branchengrößen. „L4Re“ wird vor allem in der Automobilindustrie und in Hochsicherheits-Branchen eingesetzt. Die Kernkonzept-Chefs Adam Lackorzynski und Michael Hohmuth hatten das Unternehmen 2012 aus der Technischen Universität Dresden ausgegründet.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Kernkonzept, Arm, Wikipedia, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt