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Dresdner KI sucht 15.000 Forschern die Fachliteratur heraus

Das Gründer-Trio von Scienceos: André Kischkel (rechts),Henri Max Deda und Mark Oliver Reinke (rechts). Foto: Michelle Falke

Das Gründer-Trio von Scienceos: André Kischkel (rechts), Henri Max Deda und Mark Oliver Reinke (rechts). Foto: Michelle Falke

„Scienceos“ soll wissenschaftliche Projekte beschleunigen – liefert aber auch Heldengeschichten

Dresden, 2. Mai 2024. Damit sich Forscher nicht mehr so lange an Literatur-Recherchen und ähnlichen zeitfressenden Routineaufgaben aufhalten müssen, bevor sie sich in ein neues wissenschaftliches Abenteuer stürzen, bekommen sie inzwischen Hilfe von „Künstlicher Intelligenz“: Drei Dresdner haben mit Scienceos (Eigenschreibweise: „scienceOS“) ein Unternehmen und Werkzeug gegründet, das die Suche nach den jüngsten und wichtigsten Fachaufsätzen zu nahezu jedem Forschungsthema übernimmt – und dabei auch gleich Quellenangaben, Diagramme, Tabellen und andere Hilfen mitgeliefert. Die Basissuche ist gratis, wer das volle Programm braucht, muss ein Abo abschließen.

Schnell Tausende Nutzer rund um den Erdball gefunden

Binnen wenige Monate ist diese neue KI-Wissenschafts-Suchmaschine aus Dresden auf über 15.000 Nutzer gekommen. Darunter sind Physiker, Biologen, Linguisten, Mathematiker, Biologen, Journalisten und viele andere Fachleute aus aller Welt: Etwa die Hälfte der registrierten Anwender kommen aus Deutschland, schätzt Scienceos-Mitgründer Henri Deda. Der Rest verteilt sich über den ganzen Erdball von Brasilien über die USA bis hin zu Nigeria, Kasachstan, China und Indien.

Ausgangspunkt: Literaturrecherche frisst viel Zeit, ohne neues Wissen zu schaffen

„Unsere Welt steht vor zahlreichen Herausforderungen, seien es nun Klima oder Kriege, bei deren Lösung die Wissenschaft helfen kann“, erklärt Henri Deda die ursprünglichen Überlegungen, die zur Gründung von Scienceos geführt hatten. „Wir haben über 600 Forscher befragt, was sie dabei eigentlich am meisten aufhält. Eine Antwort haben wir dabei immer wieder bekommen: Die Literaturrecherche am Anfang verzehrt extrem viel Zeit – ohne dass in dieser Phase wirklich neues Wissen geschaffen wird.“

Das Bildschirmfoto zeigt beispielhaft, wie Scienceos die Antworten auf Recherche-Anfragen aufbereitet. BSF: Scienceos

Das Bildschirmfoto zeigt beispielhaft, wie Scienceos die Antworten auf Recherche-Anfragen aufbereitet. BSF: Scienceos

KI durchforstet Datenbank mit 200 Millionen Aufsätzen

Daher taten sich im Herbst 2023 der KI-Datenanalyse-Spezialist Mark Oliver Reinke, der Software-Ingenieur André Kischkel und der Molekularbiologe Henri Max Deda in Dresden zusammen. Sie entwickelten aus großen Universal-KIs, wie sie beispielsweise das US-Unternehmen „OpenAI“ angelernt hat, sowie weiteren Algorithmen die internetgestützte Antwortmaschine scienceos.ai. Die kann bei jeder Suchanfrage ihrer Nutzer eine Datenbank aus über 200 Millionen Fachaufsätzen zu nahezu jedem Wissensgebiet durchforsten. Daraus pickt sie die Arbeiten heraus, die man oder frau wirklich gelesen haben muss, um ein neues Forschungsthema anzugehen – und präsentiert die Quintessenz dann wie einen Kurz-Essay mit Quellenangaben und allem wissenschaftlichen Pipapo. Anders als manch andere KI soll Scienceos eben vor allem verlässliche und transparente Informationen liefern.

Auch für Unterhaltung und für Bewerbungsgespräche eingespannt

„Inzwischen nutzen nicht nur Forscher, sondern eben auch Journalisten und andere unser Tool, um sich in neue Themen einzuarbeiten“, erzählt Henri Deda. „Was wir aber auch gemerkt haben: Es gibt auch viele, die sich mit scienceOS auf Bewerbungsgespräche vor, um zu verstehen, was den Professor, für den sie bald arbeiten wollen, wirklich bewegt. Und dann gibt es wieder andere, die das zu Unterhaltungszwecken nutzen, die beispielsweise erst eine Recherche auslösen und die KI dann bitten, daraus eine Heldengeschichte oder etwas ähnliches zu machen.“

In den Oiger-Stichproben offenbart sich Luft nach oben

Bei einer Oiger-Stichprobe, in der wir auf Deutsch nach Literatur über die Produktion und Entwicklung mechanischer Rechenmaschinen in Sachsen und Thüringen gefragt haben, lieferte der „ChatGPT4“-basierte Assistent von Scienceos allerdings nur wenige brauchbare Ergebnisse – und berücksichtigte zudem nicht die regionale Eingrenzung. Bei einer zweiten Anfrage auf Englisch nach relevanter Literatur über die Innovationspolitik in der DDR lieferte die Suchfunktion von Scienceos zwar allerlei Fachliteratur über die DDR, aber nicht zur Innovationspolitik, sondern ganz andere Themen von Fernsehen bis Fruchtbarkeitsraten. Zu einer dritten, etwas allgemeiner gefassten Testfrage zur „Wirtschaft in Vietnam“ lieferte der Assistent einen einigermaßen brauchbaren, aber doch sichtlich sehr selektiven Überblick mit Quellenangaben.

Gründertrio verspricht stetige Verbesserungen

„Scienceos“ ist freilich noch immer recht junges Projekt und die Macher versprechen stetige Verbesserungen. Zudem ist geplant, die Belegschaft über das Gründertrio hinaus auszuweiten. Geplant ist auch ein Kooperationsprojekt mit der Uni Tübingen, das der Scienceos-KI beibringen soll, auch Rezensionen und Präsentationen zu verfassen.

Suche nach Risikokapitalisten

Um diese und weitere Vorhaben sowie Infrastruktur-Kosten langfristig zu finanzieren, wollen die Gründer demnächst auch Risikokapitalisten dazu bewegen, in ihr Unternehmen zu investieren. Perspektivisch sollen dann die Abogebühren für eine eigene Einnahme-Basis sorgen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Interview H. Deda, Scienceos, eigene Stichproben-Tests, Linkedin, Wikipedia, Oiger-Archiv

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