Und wie sind die Taiwanesen an die Weltspitze gerückt? Ein paar Antworten
Dresden/Hsinchu, 8. August 2023. Seit TSMC den Bau einer Mega-Chipfabrik in Dresden angekündigt hat, rückt das Unternehmen nun auch in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland. Dabei ist der Konzern aus Taiwan schon seit Jahren der weltweit größte Chipkonzern – noch vor Intel und Samsung.
Statt eigener Chipentwicklung „nur“ Produktion für andere – aber das auf höchstem Niveau
Als Auftragsfertiger stellt TSMC Schaltkreise her, ohne die kein iPhone, kaum ein PC und viele andere Geräte gar nicht funktionieren würden. Mit umgerechnet rund 76 Milliarden US-Dollar Umsatz, 34 Milliarden Dollar Gewinn und rund 73.000 Beschäftigten ist die Halbleiter-Foundry mit Hauptsitz in Hsinchu längst eine die ganz große Nummer in der Mikroelektronik-Branche.
Anfangs als „verlängerte Werkbank“ belächelt
Seit der Gründung im Jahr 1987 verfolgt die „Taiwan Semiconductor Manufacturing Company“ (TSMC) das Modell, keine eigenen Chips zu entwickeln, sondern nur auf Auftragsbasis die Schaltkreise von Kunden massenhaft herzustellen. Dieses „Foundry“-Konzept – benannt nach den Auftragsgießereien der Metallbranche – wurde noch in den 1980ern im Westen oft abfällig als „verlängerte Werkbank“ abgetan.
Foundry-Modell hat die gesamte Branche umgekrempelt
Doch weil die Taiwanesen über Jahrzehnte hinweg nahezu jeden verdienten Taiwan-Dollar in in ihren Anlagenpark und immer besser technologische Prozesse re-investiert haben, gewannen sie immer mehr Kunden, die die preiswerten und zuverlässigen Taiwanesen zu schätzen wussten. Vor allem ab der Jahrtausendwende begründete diese Entwicklung – die im Ãœbrigen auch von anderen Foundries wie UMC und inzwischen auch Globalfoundries mitgetragen wurde – einen drastischen Strukturwandel in der globalen Halbleiterindustrie: Mehr und mehr Mikroelektronik-Unternehmen stießen angesichts enorm wachsender Kosten die eigenen Chipfabriken ab, weil sie sich sowieso nicht mehr die neuesten Maschinen leisten konnten und so ins Hintertreffen zu geraten drohten. Sie konzentrierten sich auf den Entwurf eigener Chips, die sie dann bei TSMC oder anderen Auftragsfertigern herstellen ließen. Und das sind eben längst keine „kleinen Krauter“ mehr, sondern schillernden Namen in der Branche: Apple, AMD, Nvidia und viele andere.
Auch neue Geschäftsmodelle wurden so überhaupt erst möglich: Waren früher die Einstiegshürden für junge Firmen in die Mikroelektronik riesig, weil Reinräume, Spitzenlithografie-Anlagen, Ätzer und andere Maschinen sehr teuer sind, so können durch die besonderen Dienstleistungen und durch die Produktions-Spezialisierung der Foundries nun auch reine Chipdesign-Firmen leichter in den Markt eintreten.
Das Gesetz der Losgröße hat gewirkt
Durch diese Entwicklungen wuchsen bei den Foundries die Losgrößen, die Auslastung und die Einnahmen. Und damit lohnte sich für TSMC & Co. angesichts der schieren Flut an Aufträgen auch der Einkauf immer besserer und effizienterer Anlagen. So setzte sich die einst belächelte Foundry nach und nach nicht nur in puncto Produktionskosten, sondern schließlich auch technologisch an die Weltspitze. Mittlerweile hat TSMC nicht nur beim Umsatz den einstigen Weltmarktführer Intel in den USA überholt. Vielmehr beherrschen die Taiwanesen inzwischen die modernsten Mikroelektronikprozesse, an denen die Amerikaner zeitweise gescheitert waren. Dazu gehören Chips der Strukturgenerationen unterhalb von zehn Nanometern und neueste Konzepte für die dreidimensionale Integration mehrerer Chips in einem Schaltkreissystem.
Vorreiter für Chipproduktion mit EUV-Belichtern
Vor allem waren die TSMC-Fabriken die weltweit ersten, die die neuesten Chip-Belichtungssysteme auf Basis von Extrem-Ultraviolett-Strahlen (EUV) für die Massenproduktion einsetzen. Jedes einzelne dieser Lithografie-Systeme von ASML aus den Niederlanden kostet weit über 100 Millionen Euro – und ist s mitverantwortlich für die Multi-Milliarden-Kosten, die jede neue Chipfabrik von TSMC verschlingt. Und hier gilt längst das Gesetz der Losgröße: Selbst Branchenriesen wie Intel kommen gar nicht mehr auf die Produktionsmengen, bei denen sich die sehr teuren EUV-Anlagen in überschaubarer Zeit amortisieren können – neben TSMC ist hier im Wesentlichen nur noch Samsung im Spiel.
Aufstieg in die nächste Liga für Dresden
Von daher ist die TSMC-Ansiedlung in Dresden nicht einfach nur irgendeine weitere Chipfabrik mit 2000 neuen Jobs für „Silicon Saxony“ – sondern vielmehr ein Türöffner in eine ganz neue Liga: technologisch wie ideell. War der Mikroelektronik-Standort Sachsen bisher stark von europäischen und US-Chipunternehmen geprägt, kommen nun mit den Taiwanesen neue technische Ansätze, neue Kooperationsmöglichkeiten für die sächsischen Forschungseinrichtungen, aber auch neue Unternehmenskulturen und eben auch neue Alltagskulturen in den Freistaat. Und diese Entwicklung wird auch von Sachsen und von den Sachsen ein neues Denken, mehr Flexibilität und Internationalität einfordern.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: TSMC, Oiger-Archiv
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