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Solarwatt stoppt Produktion von Photovoltaik-Modulen in Dresden

Blick in die Solarmodul-Produktion bei Solarwatt Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Blick in die Solarmodul-Produktion bei Solarwatt Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Neuhaus: „Aggressiver Verdrängungswettbewerb in der Solarbranche lässt uns keine andere Wahl“

Dresden, 29. April 2024. Die zweite ostdeutsche Solarkrise schwappt nach Dresden: Solarwatt stoppt Ende August 2024 die Produktion von Photovoltaik-Modulen in der sächsischen Landeshauptstadt. Das haben das Unternehmen selbst sowie das sächsische Umwelt- und Energieministerium mitgeteilt. Die 190 betroffenen Beschäftigen sollen nun umschulen.

Detlef Neuhaus. Foto: Solarwatt GmbH

Detlef Neuhaus. Foto: Solarwatt GmbH

Modulproduktion in Deutschland nicht rentabel

Die „Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Betrieb einer Modulproduktion in Deutschland“ seien aktuell nicht mehr gegeben, erklärt Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus. Daher werde er die Modul-Fertigung in Dresden mit einer Kapazität von 300 Megawatt Ende August vorerst aussetzen: „Der aggressive Verdrängungswettbewerb in der Solarbranche lässt uns keine andere Wahl“, betont Neuhaus.

Wolfram Günther. Foto: Pawel Sosnowski für die Sächsische Staatskanzlei

Wolfram Günther. Foto: Pawel Sosnowski für die Sächsische Staatskanzlei

Umweltminister sieht Schuld bei Chinesen und Lindner

Derweil macht Sachsens grüner Umweltminister Wolfram Günther billige Solar-Module aus China, eine verfehlte Industriepolitik und insbesondere Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für den Produktions-Stopp verantwortlich. „Das ist ein Tiefschlag für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Familien und das ist ein weiterer schwarzer Tag für die sächsische und europäische Solarindustrie und für die Energiewende insgesamt“, kommentierte Wolfram Günther. „Denn wir wollen die Energiewende mit Technologie made in Europe ausstatten und nicht mit Technik aus China, die zu Dumpingpreisen bei uns verscherbelt wird.“

Schon 1. Solarkrise 2012 hatte beinahe Ende von Solarwatt ausgelöst

Die Vorgeschichte: 1993 gründeten Frank Schneider und Lothar Schlegel in Dresden die „Solarwatt Solar-Systeme GmbH“. Sie sorgten mit vielen Spezialanfertigungen, darunter Solartechnik für afrikanische Dörfer, für Schlagzeilen, wuchsen aber vor allem durch die Großserien-Produktion von Solarmodulen. Nachdem die Bundesregierung begonnen hatte, indirekte Subventionen über die EEG-Umlage abzubauen, kollabierte die deutsche Solarbranche ab 2012 binnen kurzer Zeit: Die chinesischen Fabriken waren inzwischen in Produktions-Ausstoß, Preis und teils auch in puncto Fertigungstechnologie an den Deutschen vorbeigezogen, die ohne EEG-Vergünstigungen nicht mehr konkurrenzfähig waren. Vor allem in Sachsen. Sachsen-Anhalt und Thüringen sorgte diese erste Solarkrise für zahlreiche Pleiten und kostete Tausende Arbeitsplätze.

Auch Solarwatt schlitterte damals nur haarscharf am Aus vorbei. Nach der Rettung durch den BMW-Erben Stefan Quandt profilierte sich Solarwatt um: Statt Massenproduktion standen nun anspruchsvolle Module für Eigenheime, aber auch Stromspeicher, Energie-Software, Planung und Installation im Fokus.

80 % der Solarwatt-Module sind ohnehin schon „Made in Asia“

Neuhaus deutet den nun verhängten Produktions-Stopp als Folge dieses Kurswechsels:Solarwatt beschleunige „die Entwicklung zum Lösungsanbieter für Strom, Wärme und Mobilität“. Allerdings hatte er vor wenigen Monaten noch große Ausbaupläne für die Fabrik verkündet, die nun wohl passé sind. Und was bei der Gelegenheit deutlich wurde: Eigentlich hat Solarwatt in jüngster Vergangenheit immer weniger selbst produzierte deutsche Module verkauft, sondern diese größtenteils selbst in Asien eingekauft: „Schon heute werden 80 Prozent der von Solarwatt verkauften Solarmodule in Asien durch ausgewählte Auftragsfertiger hergestellt“, räumt Neuhaus heute ein. Immerhin würden diese Module aber nach Solarwatt-Entwürfen als Auftragsarbeit in Asien hergestellt.

Unternehmen will Fabrikarbeiter zu Monteuren und Planern umschulen

Solarwatt beschäftigt derzeit rund 750 Menschen, darunter 650 in Deutschland. Vom Produktionsstopp seien 190 Beschäftigte betroffen. „Solarwatt wird möglichst vielen Mitarbeitern ein Übernahmeangebot unterbreiten – beispielsweise als Monteure, Servicemitarbeiter oder Planer“, verspricht die Unternehmensführung. „Die Umschulung der Mitarbeitenden und die damit einhergehende Wissensvermittlung erfolgt über die firmeneigene Solarwatt Academy.“

Umweltminister fordert Kraftakt

Vor Solarwatt Dresden hatte erst jüngst „Meyer Burger“ bereits die Solarmodul-Produktion ein Freiberg eingestellt. Die Schweizer hatten zuvor Staatshilfen in der einen oder anderen Form gefordert, aber nicht bekommen. Das ärgert auch den sächsischen Umweltminister Günther schon lange: „Wie beim Stopp der Modulproduktion von Meyer Burger ist auch die Entscheidung von Solarwatt eine Nachricht mit Ansage“, kritisiert er. „Dass China massive Dumping-Attacken gegen die europäische Solarindustrie fährt, ist seit Monaten bekannt.“ Mit „sehr überschaubaren Summen und für einen befristeten Zeitraum in Form eines Resilienzbonus“ wäre es laut Günther möglich, die einheimische Solarindustrie zu retten. „Das ist am Widerstand des Bundesfinanzministers gescheitert. Ich halte das für industriepolitisch unverantwortlich.“ Der Grünen-Politiker fordert nun „einen konzertierten Kraftakt“, um das „europaweit herausragende Niveau von Forschung und Entwicklung, Fachkräften und Industrie-Know-how hier bei uns im Freistaat zu halten“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Solarwatt, SMEKUL, Oiger-Archiv, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt