Ifo-Forscher: Region wird wohl dennoch nach Kohleausstieg strukturschwach bleiben
Dresden, 3. Januar 2023. Die Kohleausstiegs- Gelder für die Lausitz werden von den Kommunen und Landkreisen zwar teilweise immer noch in Schwimmhallen, Altenheime, Dorf-Kulturzentren und konsumtive Projekte gesteckt. Doch der größere Teil fließt inzwischen tatsächlich in Vorhaben, die auf einen echten Strukturwandel und neue wirtschaftliche Perspektiven für die alten Braunkohle-Reviere zielen. Das hat Wirtschaftsforscher Prof. Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut in Dresden auf Oiger-Anfrage eingeschätzt und damit frühere Kritikpunkte relativiert.
Kritik an lokalen Lieblingsprojekten bleibt, doch Infrastruktur rückt stärker in den Fokus
Die vom Ifo bereits vor zwei Jahren geübte Kritik gelte weiter, betonte Ragnitz. Doch die Gelder für derartige lokale Lieblingsprojekte mit geringer Langzeitwirkung muten in der Gesamtschau inzwischen „doch eher bescheiden an“, meint der Ökonom „Die größeren Summen fließen mittlerweile in die Infrastruktur.“ Auch Ausgaben für Forschungsinstitute, Gewerbegebiete und ähnliche Vorhaben dürften geeignet sein, neue Beschäftigungschancen für die Zeit nach der Kohle zu schaffen.
Von der Baustelle bis zu den Sternen: 1,5 Milliarden Euro für Forschung u.ä. Zukunftsprojekte
Konkrete Beispiele für solche eher zukunftsorientierten Investitionen in der Lausitz sind beispielsweise die Zuschüsse für das milliardenteure Großforschungszentrum für Astrophysik in Görlitz und Ralbitz-Rosenthal, für den Gewerbepark Schlungwitz bei Gaußig, die milliardenteure geplante „Gigawatt-Factory“ der Leag für Solar- und Windenergie-Erzeugung und Nutzung, das 60 Millionen Euro teure Carbonfaser-Forschungszentrum der TU Chemnitz in Boxdorf, der Ausbau des Gewerbeparks „Schwarze Pumpe“, das 69 Millionen Euro teure „LAB“-Forschungszentrum für neues Bauen in Bautzen, die Hybridflugzeug-Industrieprojekte in Cottbus, das „Smart Mobility Lab“ der TU Dresden in Hoyerswerda, das „Kompetenzzentrum autonomes und elektrisches Fliegen“ in Kamenz, das 108 Millionen Euro teure Cirececon-Forschungszentrum für Kreislaufwirtschaft in Schwarze Pumpe sowie andere Vorhaben. Selbst wenn man die noch eher unsicheren Leag-Investitionssummen herausrechnet, umfassen allein die aufgezählten Lausitz-Projekte mit langfristigen Zielen rund 1,5 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich teilweise um „Kohle-Kohle“ – also Strukturwandel-Gelder für den Kohleausstieg, teilweise aber auch um Sonderzuschüsse von Land, Bund und EU oder um privates Kapital.
Mehr Chancen für regionale Wirtschaft durch Bau-Lab als durch Astro-Zentrum erwartet
Umstritten bleibt zwar das Flaggschiff-Projekt unter diesen Vorhaben, das „Deutsche Zentrum für Astrophysik“ (DZA) in Görlitz: Während der Verband „Silicon Saxony“ auf Hightech-Anlagen-Aufträge aus Görlitz für seine Mitgliedsbetriebe hofft, sieht Ifo-Forscher Ragnitz die Entscheidung für derartige Grundlagenforschung in der Lausitz weiter skeptisch: Einerseits werde der Kohlekumpel wohl eher selten zum Astronomen umschulen, anderseits seien generell wohl „kaum riesige Impulse“ für die regionale Wirtschaft zu erwarten. „Das sehe ich eher beim Bauforschungszentrum in Bautzen“, meint der Ökonom. Denn dort wollen Forscher unter Federführung der TU Dresden neue Baumaterialien, innovative Prozesse für den Baustellenbetrieb und andere eher praxisnahe Konzepte angehen, die relativ rasch in der Bauwirtschaft eingesetzt werden könnten. Dieses „LAB“ hatte im Bundeswettbewerb um Gelder für Großforschungszentren gegenüber dem DZA den Kürzeren gezogen und wird nun durch ein alternatives, weniger umfangreiches Finanzierungsmodell realisiert.
Arbeitsplatz-Probleme nach Kohleausstieg bleiben vermutlich
Generell dürfe man die Erwartungen in all diese Förderprojekte aber nicht zu hoch schrauben, warnt Ragnitz: „Die Arbeitsplatzprobleme in der Region werden dadurch nicht beseitigt, vermutlich wird die Lausitz strukturschwach bleiben.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Ifo DD, Oiger-Archiv
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