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60 Millionen Euro teures Carbonfaser-Forschungszentrum für die Lausitz

Im Umfeld des Kraftwerks Boxdorf soll die neue Laborfabrik für Carbonfasern entstehen. Foto: Andreas Franke für die Leag

Im Umfeld des Kraftwerks Boxdorf soll die neue Laborfabrik für Carbonfasern entstehen. Foto: Andreas Franke für die Leag

Die TU Chemnitz richtet in Boxdorf eine Laborfabrik für eine umweltfreundlich erzeugte Leichtbaufasern ein

Boxdorf/Chemnitz, 10. Dezember 2022. Die Lausitz bekommt ein neues, rund 60 Millionen Euro teures Forschungszentrum, das sich der Dekarbonisierung einer besonders wichtigen Leichtbau-Technologie widmen soll: Die Technische Universität Chemnitz (TUC) und das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Potsdam werden bis 2026 am alten Kraftwerk-Standort Boxdorf eine Carbon-Laborfabrik („Carbon LabFactory“) als Außenstelle aufbauen. Das geht aus einer Mitteilung der Uni hervor.

5,87 Millionen Euro Anschubfinanzierung vom Bund

Das Zentrum soll im Pilotmaßstab komplette Karbonfaser-Wertschöpfungsketten installieren. Die Wissenschaftler wollen dort unter anderem erproben, wie sich mit Hilfe von Sonnen- und Windstrom neue Carbonfasern aus Zellulose und anderen nachwachsenden Rohstoffen statt aus Erdöl herstellen lassen. Im ersten Schub bekommt die TU dafür 5,87 Millionen Euro vom zuständigen „Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle“ (Bafa). Diese Gelder aus Transferprogrammen sollen vorerst die laufenden Kosten decken. Die Investitionskosten selbst stammen aus aus den von Bund und Ländern gefüllten Fördertopfen für den Kohleausstieg.

Das neue Zentrum soll 2026 etwa 25 Wissenschaftler und andere Mitarbeiter beschäftigen. „Und wir wollen über die Folgejahre weiter wachsen“, kündigte Dr. Mario Naumann vom TUC-Institut für Strukturleichtbau an.

Regionalminister: Sachsen steigt in weltweite Oberliga der Carbonfaser-Forschung auf

„In Boxberg entsteht ein europaweit einzigartiges Forschungszentrum für ‚grüne‘, kostengünstige, maßgeschneiderte und nachhaltige Carbonfasern“, betonte der sächsische Regionalminister Thomas Schmidt (CDU). Der Freistaat werde damit „in die weltweite Oberliga in der Carbonfaser-Forschung“ aufsteigen. „Vergleichbare Pilotanlagen sind bisher nur im australischen Victoria und in North Carolina in den USA in Betrieb.“

Karbon-Spule. Foto: hw

Karbon-Spule. Foto: hw

Alternativen zu Erdöl gefragt

Die neue Laborfabrik werde „die gesamte Wertschöpfungskette von der Rohstoffgewinnung und Aufbereitung über Werkstoffe und Verfahren bis zu Strukturen und Systemen im Pilotlinienmaßstab“ erforschen, kündigte die Uni an. „Mit diesem Projekt leisten wir nicht nur einen wichtigen Beitrag für den Transformationsprozess in der Lausitz, sondern vor allem für den Technologiefortschritt beim globalen Klimaschutz“, ist Laborfabrik-Chef Prof. Lothar Kroll überzeugt. „Mit der neuen Außenstelle im sächsischen Boxberg, wo neben der Carbonfaser-Forschung auch die nachgeschalteten textilen und kunststoffverarbeitenden Prozesse im Pilotlinienmaßstab entwickelt und erprobt werden sollen, etabliert die TU Chemnitz ein gänzlich neues und weltweit einzigartiges Forschungsfeld.“

Das erste Carbonbeton-Haus der Welt steht an der Einsteinstraße nage am Campus der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Das erste Carbonbeton-Haus der Welt steht an der Einsteinstraße nage am Campus der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Industrie und Baubetriebe brauchen Carbonfasern beispielsweise für besonders leichte Flugzeuge und Elektroauto-Karosserien, um den neuen Dresdner Leichtbaustoff „Carbonbeton“ herzustellen, aber auch für technische Textilien, Sportgeräte und vieles anderes mehr.

Leag sieht Potenzial in Autobau, Luft- und Raumfahrt und anderen Branchen

„Im ersten Schritt soll am Standort Boxberg eine vollausgestattete Forschungs-Pilotlinie zur Herstellung von Carbonfasern konzipiert und aufgebaut werden, um flankierend neuartige Fertigungsverfahren und zugehörige Methoden des Energiemanagements zu entwickeln und unter praxisnahen Bedingungen zu erproben“, hieß es in einer früheren Projektskizze des Kraftwerks-Betreibers Leag. „In weiteren Schritten ist geplant, die Pilotlinie um textilbildende und kunststofftechnische Fertigungsmodule sowie automatisierte Schnittstellen für die energieeffiziente Bauteilherstellung zu ergänzen. Ziel ist es, mit vor Ort angesiedelten Unternehmen carbonfaserverstärkte Leichtbaustrukturen und -systeme zu entwickeln, die in mobilen Anwendungen, etwa beim Automobil-, Schiff-, Schienenfahrzeug- und Anlagenbau oder in der Luft- und Raumfahrt, genutzt werden.“

Autor: hw

Quellen: TUC, SMR, Leag

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt