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Hybridflugzeug-Industrie in Lausitz geplant

Modell eines hybridelektrischen Flugzeugs. Visualisierung: Rolls-Royce Deutschland

Modell eines hybridelektrischen Flugzeugs. Visualisierung: Rolls-Royce Deutschland

Brandenburger und sächsische Forscher etablieren mit Rolls-Royce den Nukleus in Cottbus

Cottbus/Chemnitz/Dresden, 9. Dezember 2023. Heutigen Akkus fehlt auf absehbare Zeit die nötige Energiedichte, um größere Flieger auf längeren Strecken in der Luft zu halten. Daher führt der Weg zum abgasfreien Fliegen wohl über Hybridflugzeuge – davon sind viele Luftfahrt-Ingenieure überzeugt. Innovative Fertigungsverfahren und Kernkomponenten für derartige Flugzeuge mit Elektroantrieb und Gasturbinen als Energielieferanten will Rolls-Royce nun gemeinsam mit Forschern aus Sachsen, Brandenburg, West- und Süddeutschland in einer neuen Betriebsstätte in Cottbus entwickeln. Das geht aus einer Mitteilung des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) aus Chemnitz hervor, das gemeinsam mit dem britischen Flugzeugbauer die Federführung übernommen hat.

Mittelstreckenflieger mit Gasturbine und Elektro-Großpropellern für 35 Passagiere

Ziel ist es letztlich, neue Antriebssysteme für ein hybridelektrisches Mittelstrecken-Flugzeug zu entwickeln, das 35 Passagiere transportieren kann. Darin soll eine Gasturbine einen Akku laden, aus dem sich dann wiederum vier elektrische Propellerantriebe speisen. Um den Fluglärm zu mindern, sind dafür besonders große und langsam drehende Rotoren vorgesehen. Die Brennkammer für die Turbine soll zudem imstande sein, in Zukunft statt fossiler Energieträger auch Wasserstoff zu verstromen.

So stellen sich die BTU und chesco ein künftiges hybridelektrisches Flugzeug vor. Foto: Ralf Schuster für die BTU

So stellen sich die BTU und Chesco ein künftiges hybridelektrisches Flugzeug vor. Foto: Ralf Schuster für die BTU

Neue Fertigungsverfahren und schneller Prototypen-Bau im Fokus

Konkret wollen die Partner im Zuge des aktuellen Projektes insbesondere bessere Fertigungstechnologien und einen schnellen Prototypen-Bau für hybrid-elektrische Antriebskomponenten entwickeln. Dabei wollen sie unter anderem neue Umform- und Gussverfahren einsetzen, vor allem aber industriell 3D-Drucker. Das IWU kümmert sich dabei vor allem um die Umform- und Zerspanungstechnik sowie die digitalen Prozesse. Das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) aus Dresden hat sich auf den 3D-Druck spezialisiert. Es wird unter anderem „Direct Energy Deposition“ (DED) einsetzen – dabei wird punktuell ein Metall aufgeschmolzen und anschließend verschweißt. Und speziell für die Brennkammer der geplanten Gasturbine wollen die Dresdner die „Laser Powder Bed Fusion“ (PBF-LB) verwenden. Dabei schmilzt ein Laser ein Metallpulver-„Bett“ auf und erzeugt dann schichtweise das gewünschte Bauteil.

Beim hybridelektrischen Fliegen erzeugt eine Gasturbine elektrische Energie, mit der ein Akku geladen wird. Für den Antrieb bezieht das Flugzeug seine elektrische Energie aus diesem Speicher. Visualisierung: Rolls-Royce Deutschland

Beim hybridelektrischen Fliegen erzeugt eine Gasturbine elektrische Energie, mit der ein Akku geladen wird. Für den Antrieb bezieht das Flugzeug seine elektrische Energie aus diesem Speicher. Visualisierung: Rolls-Royce Deutschland

Brandenburger Uni will moderne Luftfahrt-Industrie in der Lausitz etablieren

Das „Center for Hybrid Electric Systems“ (chesco) der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) übernimmt Entwicklungsaufträge und verteilt die einzelnen Aufgaben. Außerdem will die Uni dafür sorgen, dass in der Lausitz ein Ökosystem aus Unternehmen bereitsteht, wenn die Serienfertigung der Hybridflugzeug-Bauteile beginnt.

Das Aachener Forschungsinstitut „Access“ wiederum will eine Feinguss-Fertigung in Cottbus aufbauen. Und das in München und Dresden ansässige „Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung“ (Ifam) entwickelt vor Ort die israelische „Moldjet“-Technologie weiter. „Dabei wird in einer Lage zunächst die Form als Negativ zur Bauteilgeometrie aus einem wachsartigen Polymer mit so genannten Inkjet-Druckköpfen hergestellt“, heißt es vom IWU. „Diese gedruckte Lage Formmaterial wird dann über eine Schlitzdüse und eine Rakel mit Metallpulverpaste befüllt.“ Mit dieser Kombination additiver Verfahren lassen sich auch komplexe Bauteile mit vielen inneren Hohlräumen herstellen.

Neue Wertschöpfungsketten und leiseres Fliegen

Letztlich sollen diese vom Bundeswirtschaftsministerium und vom Land Brandenburg geförderten Projekte zum hybridelektrischen Fliegen mehrere Fliege mit einer Klappe schlagen: einerseits neue ökonomische Impulse und Wertschöpfungsketten für die Zeit nach der Braunkohle in der Lausitz auslösen, andererseits leisere und letztlich auch umweltfreundlichere Flugzeuge ermöglichen. Ohnehin haben Bund, Sachsen und Brandenburg in der Lausitz bereits mehrere Weichen gestellt, die einerseits in Richtung Wasserstoffwirtschaft und erneuerbare Energiequellen zielen, anderseits in Richtung Luftfahrt, Raumfahrt und Astrophysik. Von daher könnten die Technologien, die in Cottbus für den Hybridflugzeug-Bau entwickelt werden, künftig auch in anderen Sektoren in der Nachbarschaft auf Interesse stoßen.

Autor: hw

Quellen: IWU, IWS, Ifam, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt