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Dresden schnürt über halbe Milliarde Euro teures Infrastruktur-Paket für TSMC & Co.

Moderne Chipfabriken haben einen erheblichen Bedarf an Ressourcen. Dazu gehören direkte Bedarfe wie Wasser, Strom und Fläche, aber auch indirekte wie Verkehrsmittel und Wohnungen für die Chipwerker. Visualisierung: Dall-E / hw

Moderne Chipfabriken haben einen erheblichen Bedarf an Ressourcen. Dazu gehören direkte Bedarfe wie Wasser, Strom und Fläche, aber auch indirekte wie Verkehrsmittel und Wohnungen für die Chipwerker. Visualisierung: Dall-E / hw

Für die wachsende Technologie-Industrie sind noch erhebliche Investitionen in Wasser, Wohnen, Strom und Verkehr fällig

Dresden, 6. Februar 2024. In der Diskussion um die Ansiedlung des weltweit größten Chip-Auftragsfertigers TSMC in Sachsen drehten sich die Debatten oft vor allem um die fünf Milliarden Subventionen, die Deutschland und Sachsen den Taiwanesen versprochen haben. Doch das ist nur eine Seite der Medaille: Um die Chipfabrik von TSMC und weitere Halbleiter-Ausbauprojekte in Dresden abzusichern, schnüren die lokalen Wirtschaftsförderer, der Energieversorger „Sachsenenergie“, die Stadtentwässerung und weitere Akteure in der Stadt auch ein millionenteures Paket aus Infrastruktur-Maßnahmen. Dazu gehören unter anderem eine stärkere Strom- und Wasserversorgung für die gesamte Halbleiterindustrie im Dresdner Norden sowie bessere Verkehrsverbindungen. Das hat Wirtschaftsförderungs-Amtsleiter Steffen Rietzschel angekündigt.

Früher hat TSMC immer nur Fabriken in Asien - hier die Fab16 in China - betrieben. Inzwischen stehen auch Chipwerke in Japan, den USA und in Deutschland auf der Agenda. Abb.: TSMC

Früher hat TSMC immer nur Fabriken in Asien – hier die Fab16 in China – betrieben. Inzwischen stehen auch Chipwerke in Japan, den USA und in Deutschland auf der Agenda. Abb.: TSMC

Schwerpunkt Flächenbedarf

So haben die lokalen Gewerbegebiet-Verwalter den Taiwanesen das letzte größere Ansiedlungsgrundstück in Flughafen-Nähe vermittelt: ein 52,7 Hektar großes Areal nahe an der Bosch-Halbleiterfabrik, von denen 26,8 Hektar bebaubar sind – und insofern auch Platz für einen späteren Ausbau des Werkes bieten. „Der Airport-Park war das letzte Gewerbegebiet in der Stadt, in der es noch Flächen über 5000 Quadratmeter gab“, berichtete Rietzschel bei einem Treffen ostdeutscher Mikroelektronik-Alumni in den Technischen Sammlungen Dresden.

Blick ins Sachsenenergie-Wasserwerk Saloppe in Dresden. Foto: Oliver Killig für Sachsenenergie

Blick ins Sachsenenergie-Wasserwerk Saloppe in Dresden. Foto: Oliver Killig für Sachsenenergie

Schwerpunkt Wasserbedarf

Ein weiteres Begleitprogramm widmet sich dem wachsenden Industriewasser-Bedarf in der Stadt. Der wird laut kommunalen Schätzungen in den nächsten 20 Jahren, also bis 2044, in etwa verdoppeln. Daher will der Versorger „Sachsenenergie“ in den nächsten Jahren rund 317 Millionen Euro in den Ausbau des Dresdner Wassernetzes und den Aufbau einer separaten Wasserversorgung für die Technologiefabriken im Dresdner Norden stecken. Die ersten 70 Millionen Euro steckt das Regionalunternehmen in die Ertüchtigung des existierenden Netzes und des Wasserwerkes Hosterwitz. Bereits Anfang 2023 hatte Sachsenenergie 15 neue Uferfiltrat-Brunnen an der Dresdner Saloppe für die Wasserversorgung der Industrie im Dresdner Norden in Betrieb genommen. Für 247 Millionen Euro soll dann ein komplett neues Flusswasserwerk in Kaditz/Übigau entstehen.

Die 35 Meter großen Fauleier der Stadtentwässerung in Dresden-Kaditz verwandeln Fäkalien und Fett in Energie. Künftig soll sort auch Küchenabfall rein und die Anlagen der Energie-Autarkie näher bringen. Foto: Stadtentwässerung Dresden

Die Stadtentwässerung in Dresden-Kaditz. Foto: Stadtentwässerung Dresden

Schwerpunkt Abwasser

Auch das Abwasser der Fabriken muss irgendwie abgeführt und gereinigt werden. Die Stadtentwässerung baut dafür einen neuen Industriewasser-Sammler Nord, der in zwei Bauabschnitten bis 2026 fertiggestellt werden soll. Außerdem haben die Dresdner Halbleiter-Unternehmen zugesagt, die eigene Anlagentechnik für die Abwasser-Aufbereitung aufzurüsten.

Um Strom über große Entfernungen zu transportieren, wird Wechselstrom auf hohe Spannungen transformiert und dann in der Nähe der Verbraucher wieder umgespannt - wie hier im Umspannwerk im Technopark Dresden-Nord. Da manche Anlagen, Geräte und Leuchten aber Gleichstrom brauchen, sind oft vor Ort noch weitere Transformationen durch Gleich- und Wechselrichter nötig. In DC-Fabriken sollen viele dieser Umwandlungen wegfallen. Foto: Heiko Weckbrodt

Foto: Heiko Weckbrodt

Schwerpunkt Strom

Für den künftigen Stromverbrauch von TSMC & Co. sieht Sachsenenergie den Bedarf an eine, neuen Umspannwerk, das wiederum rund 20 Hektar Platz im Umkreis von drei Kilometern um den Airportpark brauchen wird – angesichts der bereits erwähnten Flächenknappheit eine echte Herausforderung. Die Standortentscheidung soll im März 2024 fallen. „Sachsennetze“ und „50 Hertz“ wollen die Investition dann gemeinsam stemmen.

Baugrund ist noch da im Großraum Dresden - doch Wohnbauprojekte werden derzeit eher storniert als neu aufgelegt. Foto: Heiko Weckbrodt

Baugrund ist noch da im Großraum Dresden – doch Wohnbauprojekte werden derzeit eher storniert als neu aufgelegt. Foto: Heiko Weckbrodt

Schwerpunkt Wohnen

Durch die neue Chipfabriken von TSMC und Infineon sowie die Ausbauprojekte der anderen Technologiebetriebe rechnet die Stadt mit etwa 10.000 neuen Mitarbeitern, die bis 2030 im Dresdner Norden gebraucht werden. Silicon Saxony geht sogar von mindestens 13.000 neuen Arbeitsplätzen allein in der Dresdner Mikroelektronik aus. Hinzu kommen deren Familien – was die Dresdner Bevölkerung in Summe um ein paar Zehntausend Köpfe nach oben treiben könnte. Und all die, die aus dem Umland, anderen Bundesländern oder gar Taiwan, den USA oder anderen Staaten nach Dresden ziehen, wollen natürlich irgendwo wohnen. Die städtischen Planer haben inzwischen durchgerechnet, dass die Stadt und ihr unmittelbares Umland noch Bauland für etwa 16.500 zusätzliche Einwohner beziehungsweise etwa 6500 Mehrfamilienhäuser und 550 Einfamilienhäuser verfügbar haben. „Im Moment will das aber aus Kostengründen keiner bauen“, warnte Rietzschel vor überzogenem Optimismus.

Sächsische Unternehmen entwickeln derzeit eine Wasserstoff-Straßenbahn, die die Abwärme ihrer Brennstoffzelle besonders effizient verwertet. Grafik: Dall-E (KI-generiert)

Wohl eher eine Spekulation: Bekommt der Dresdner Norden vielleicht eine Wasserstoff-Straßenbahn? Grafik: Dall-E (KI-generiert)

Schwerpunkt Verkehr

Diese Wohnraum-Prognose geht allerdings von einem großen Einzugsgebiet aus, aus dem die künftigen Chipwerker in den Dresdner Norden einzupendeln bereit sein müssen. Damit dies funktioniert, werden allerdings Stadt, Verkehrsverbünde und der Freistaat auch verkehrstechnisch nachinvestieren müssen. Schon länger wünschen sich international agierende Unternehmen in der Stadt, aber auch große Forschungseinrichtungen von Helmholtz, Planck & Co. bessere Flugverbindungen von und nach Dresden. Absehbar ist das aber nicht. Eher Zukunftsmusik ist auch die bereits mehrfach erhobene Forderung, die S-Bahn-Linie 2 über den Flughafen hinaus bis nach Boxdorf zu verlängern. Solch eine Verlängerung wäre allerdings sehr teuer und würde sehr lange dauern, schon aus planerischen Gründen, betont Dresdens Chef-Wirtschaftsförderer. Ähnliches gelte auch für eine gewünschte zusätzliche Autobahn-Abfahrt von der A4. Debattiert werde auch über eine Straßenbahnlinie über die Wilschdorfer Landstraße hin zu TSMC. „Das würde aber 10 bis 15 Jahre dauern, bis da die erste Straßenbahn fährt.“

Denkbar in absehbarer Zeit sei zumindest eine längere Betriebszeit für die S2, meint Rietzschel. Die Meisterlösung sieht er aber woanders: „Die schnellste und günstige Variante dürfte eine Busverbindung vom Flughafen Dresden aus sein“, meint er. Die Kosten beziffert er auf rund 300.000 Euro pro Jahr.

Anscheinend gibt es noch ganz andere verkehrstechnologische Überlegungen, um die die Ideenschmieder aber noch ein Geheimnis machen. Gewisse Indizien sprechen dafür, dass es sich womöglich sich um ein Wasserstoff-betriebenes Verkehrsmittel zur TSMC-Fabrik handeln könnte.

Das "Sächsisches Ausbildungszentrum Mikroelektronik" (SAM) soll Platz für bis zu 1000 Azubis bieten. Grafik: Dall-E / hw

Das „Sächsische Ausbildungszentrum Mikroelektronik“ (SAM) soll Platz für bis zu 1000 Azubis bieten. Grafik: Dall-E / hw

Schwerpunkt Fachkräfte

Neben den 2000 Jobs in der neuen TSMC-Fabrik und den 1000 neuen Jobs in der Infineon-Fab 4 in Dresden dürften im Umfeld noch mal zwei- bis dreimal soviele zusätzliche Fachkräfte benötigt werden. Speziell für TSMC hat das sächsische Wissenschaftsministerium erstmals – gemeinsam mit TU Dresden und den Taiwanesen – ein eigens Qualifizierungsprogramm für sächsische Studenten gestartet. Außerdem hatte Sachsen schon vor dem TSMC-Zuschlag eine neue Chipakademie für die Erwachsenen-Weiterbildung in der Halbleiterindustrie sowie eine große Azubi-Schmiede („Sem“) für Chipwerk-Lehrlinge geplant. Weitere Initiativen zur Fachkräfte-Sicherung für die sächsische Technologie-Wirtschaft dürften folgen. Allein das geplante „Sächsische Ausbildungszentrum für Mikroelektronik“ (Sem) soll einen dreistelligen Millionenbetrag kosten.

Gesamtkosten für Infrastruktur-Upgrade dürfte jenseits von 500 Millionen Euro liegen

Angesichts der vielen Fragezeichen und Unsicherheiten ist eine genaue Prognose schwierig, wieviel das zusätzliche kommunale „Willkommenspaket“ für TSMC und die anderen Technologieriesen in Dresden – über die Ansiedlungssubventionen hinaus – letztlich kosten wird. Aber mit einer halben bis einer ganzen Milliarde Euro dürfte man auf der sicheren Seite sein.

Wirtschaftspolitiker hoffen, dass sich Ausgaben ähnlich wie bei AMD, Siemens & Co. amortisieren

Wie sich diese Zusatzausgaben für Dresden, Sachsen und letztlich auch Europa amortisieren, ist ebenfalls schwer abzuschätzen. Die bisherige Erfahrung zeigt aber, dass Sachsen mit seiner technologie- und ansieldungs-orientierten Leuchtturm-Förderpolitik recht gut gefahren ist: Gerade Chipfabriken sorgen erfahrungsgemäß für erhebliche Job-, Wertschöpfungs- und Forschungseffekte im Umfeld. Zudem hatte eine frühere Analyse des Freistaats aus dem Jahr 2012 auch die Rückflüsse aus den bereits gezahlten Subventionen für die Chipfabrik-Ansiedlungen von Siemens, AMD und anderen Unternehmen quantifiziert. Demnach hängen an jedem Job in den Chipwerken mindestens zwei weitere im Umfeld. Und auf jeden zwischen 1994 und 2008 als Förderung geflossenen Euro kommen laut den Studien etwa 1,8 bis zwei Euro gesellschaftliche Rückflüsse.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Auskünfte S. Rietzschel, Wifö Dresden, LHD, Sachsenenergie, HyDresden, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt