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Zu wenig Geld und zuviel Dirigismus im Chipgesetz der EU

Die EU-Kommission plant ein europäisches Chip-Gesetz, um in der Mikroelektronik wieder etwas an Boden zu gewinnen. Foto: Christophe Licoppe für die EU-Kommission

Die EU-Kommission plant ein europäisches Chip-Gesetz, um in der Mikroelektronik wieder etwas an Boden zu gewinnen. Foto: Christophe Licoppe für die EU-Kommission

Ausschuss der Regionen begrüßt European Chips Act, meldet aber auch Kritik an

Dresden/Brüssel, 12. Oktober 2022. Die Sachsen, Brabanter und Vertreter weiterer Mikroelektronik-Regionen in Europa halten das neue europäische Chip-Gesetz grundsätzlich für eine gute Idee. Sie kritisieren allerdings, dass die EU für die darin gewünschte Aufholjagd von Europas Halbleiterindustrie viel zu wenig Geld bereitstellt – bereits längst verkündete Förderprogramme umzuleiten, werde dafür nicht reichen. Das geht aus einer offiziellen Stellungnahme des sächsischen Regionalministers Thomas Schmidt hervor, den der „Europäische Ausschuss der Regionen“ (AdR) als sein Sprachrohr zum „European Chips Act“ ernannt hatte.

Berichterstatter Schmidt: Staatliche Eingriffe in Halbleiterproduktion dürfen nur ultima ratio sein

Auch stemmen sich laut Schmidt die Vertreter der Halbleiterindustrie gegen die Wünsche der EU-Kommission, die gerne in Krisenzeiten direkt in das Produktionsprofil der Chipfabriken hineindirigieren will. „Nahezu alle Fachleute meinen, dass das in der Praxis nicht funktionieren kann. Vor allem eine kurzfristige Umstellung der Produktion ist bei Halbleitern kaum oder gar nicht möglich. Sie verursacht hohe Kosten und braucht viel Zeit. Darum dürfen alle Maßnahmen, die Eingriffe in die Halbleiterproduktion bedeuten, nur ultima ratio sein. Ich habe die große Sorge, dass wir sonst Investoren abschrecken.“

Regionalminister Thomas Schmidt. Foto: Foto-Atelier-Klemm für das SMR

Regionalminister Thomas Schmidt. Foto: Foto-Atelier-Klemm für das SMR

Regionen werden profitieren

Im Grundsatz sei das geplante Chipgesetz aber zu begrüßen: „Es geht um die Sicherung der europäischen Industrieproduktion“, betonte Thomas Schmidt. „Sie ist in immer mehr Bereichen auf Halbleiter angewiesen. Ohne Halbleiter keine Produktion. Das ist auch der Grund, warum alle Regionen in Europa vom Chip-Gesetz profitieren werden.“ Insofern sei das neue Chipgesetz – das sich an ein ähnliches Gesetz in den USA anlehnt – „eine außerordentlich wichtige Initiative, die der Ausschuss der Regionen sehr unterstützt“.

Etwas Geld umleiten allein wird nicht reichen

Zugleich wies Schmidt aber auf die Bedenken der im Ausschuss vertretenen Regionen und Kommunen in Europa hin: „So wurde in vielen Gesprächen, die ich geführt habe, die Finanzausstattung des Chip-Gesetzes kritisiert. Dabei ist klargeworden, dass es mehr frisches Geld braucht, als die Kommission bisher vorsieht. Gleichzeitig dürfen die Programme, aus denen jetzt Fördermittel umgeleitet werden sollen, nicht geschwächt werden.“ Außerdem müsse die Förderung auch für Unternehmen zur Verfügung stehen, die für die Halbleiterproduktion unverzichtbar sind oder neuartige Vorprodukte beziehungsweise Produktionsanlagen herstellen.

Hintergrund: Noch Anfang 2021 wollte eine Initiative von 19 EU-Staaten eigentlich rund 145 Milliarden Euro in die europäische Mikroelektronik pumpen – teils aus Corona-Konjunkturprogrammen, teils aus privaten Geldern gespeist. Im aktuellen Chipgesetz-Entwurf ist nun nur noch von elf Milliarden Euro EU-Zuschüssen die Rede, die zudem teilweise aus bereits avisierten anderen Programmen umgeleitet werden sollen. Weitere 32 Milliarden Euro soll die Industrie selbst aufbringen.

Chipakademie gefordert

Ein weiterer Kritikpunkt: Eine stärkere europäische Mikroelektronik braucht mehr Fachkräfte. Der Regionalausschuss wünscht sich daher, eine „Knowledge and Innovation Community (KIC) Halbleiter“ und eine „Halbleiter-Akademie“ zu gründen. Anscheinend hat sich Sachsen bereits als möglicher Standort für solch eine Halbleiter-Akademie ins Gespräch gebracht, denn erst kürzlich hatte sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bei der Grundsteinlegung für die neue Jenoptik-Fabrik in Dresden solch eine Akademie für den Freistaat gewünscht. In Sachsen gibt es bereits eine „Dresden Chip Academy“, die sich der Aus- und Weiterbildung verschrieben hat.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: SMR, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt