Dresdner Künstler und Leichtbauforscher erzeugen Deko für „Freischütz“ additiv aus Kork und Tierleim
Dresden/Rathen, 1. Dezember 2023. Um die Umwelt zu schonen und Styropor-Abfallberge zu vermeiden, haben Dresdner Künstler und Leichtbauexperten gemeinsam ein Verfahren entwickelt, um Theater-Requisiten aus organischen Materalien im 3D-Drucker herzustellen. Als Prototypen entstanden damit nun künstliche Schweinehälften für eine „Freischütz“-Aufführung auf der Felsenbühne Rathen. Das hat das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden via Pressebox mitgeteilt, das sich für das „Greta“-Projekt mit der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) zusammengetan hatte.
„Wegweisende Verbesserung der 3D-Drucktechnologie“
Die „Freischütz-Schweinehälften“ seien „die allererste theaterpraktische Anwendung“ des neuen 3D-Druckverfahrens, betonte HfBK-Professor Ulrich Eißner. „Und sie funktioniert, auch wenn noch nicht alles perfekt ist. Die Verwendung recycle- und kompostierbarer Materialien stellt nicht nur eine wegweisende Verbesserung der 3D-Drucktechnologie dar, sondern öffnet auch die Tür zu neuen kreativen Horizonten für Bühnenbildner und Künstler.“
Prof. Eißner: Nachhaltigkeit ist großes Zukunftsthema in der Theaterplastik
Hintergrund: Viele Theaterrequisiten entstehen heute noch aus Kunststoffen wie Styropor, die sich nur schwer wiederverwerten lassen. „Künstlerisch hochwertige, stabile, leichte, haltbare, aber eben zugleich auch ressourcenschonende und nachhaltige Theaterplastiken zu schaffen ist das große Zukunftsthema in der Theaterplastik“, erklärte Eißner. „Mit den Forschungen gemeinsam mit dem ILK wollen wir uns europaweit zu einem Wegbereiter auf diesem Gebiet entwickeln.“
Halbe Million Zuschuss für Greta-Projekt
Daher entstand die Idee, es mit 3D-Druck zu versuchen. Während aber handelsübliche 3D-Drucker zumeist ihre Zielobjekte schichtweise aus Plaste und anderen Kunststoffen aufbauen, setzten die Künstler und Forscher im Projekt „Generative Herstellung von recyclingfähigen Grundstrukturen für die Theaterplastik aus naturbasierten Ausgangsstoffen“ auf Materialien von biologischer Herkunft, die sich hinterher kompostieren lassen. Das Wissenschaftsministerium sagte dafür 580.000 Euro Fördergeld zu.
Schweine als Vorbilder mit Handscannern vermessen
Nach Experimenten mit „Agar-Agar“-Gelatine, „Carrageen“-Algenzucker und Zellleim entschieden sie sich für eine zähflüssige Mischung aus Korkmehl, tierischem Glutin-Leim und Glycerin. Daraus generierten sie mit 3D-Druckern, die das „Liquid Deposition Modeling“ (LDM) beherrschen, schichtweise die Schweinehälften – als Modelle dienten übrigens mit mobilen Scannern vermessene Schweine aus dem Vorwerk Podemus. Den Computer fütterten sie dann mit einem etwas vergrößerten virtuellen Schwein, weil klar war, dass die gedruckten Requisiten beim Trocknen schrumpfen würden. „Etwa eine Woche musste das fünfteilige Modell lufttrocknen, bevor es zusammengebaut und verklebt werden konnte“, berichtet das ILK. „Für eine täuschend echte Bemalung und bühnentaugliche Finalisierung sorgten die Mitarbeiterinnen der Landesbühnen Sachsen.“
Auch Maisschaum aus dem Extruder steht zur Debatte
Der Testlauf für die Felsenbühne Rathen lässt die Forscher und Künstler hoffen, dass sich ihr neues additives Verfahren auch auf andere Theater-Requisiten anwenden lässt. „Der Fokus auf Nachhaltigkeit in Verbindung mit modernster Technologie zeigt, dass Kunst und Umweltbewusstsein Hand in Hand gehen können“, meint jedenfalls Prof. Eißner. Auch der Einsatz von Extrudern statt 3D-Drucker steht zur Debatte: Diese Heißpressanlagen können Maispolenta und andere pflanzliche Ausgangsstoffe mit extrem hohem Druck durch eine Düse pressen. Dadurch entstehen formbare Schäume als eine Alternative zu erdölbasierten Schäumen, die dann auch wieder für Theater-Dekos einsetzbar sind.
Leichtbauer sehen Einsatzchancen auch in Architektur und Design
Das ILK-Team wiederum rechnet mit weiteren Einsatzmöglichkeiten auch jenseits des Theaters „Mit dem Projekt Greta lassen sich weitere Forschungsfelder ableiten, die wir auch mit Kooperationspartnern anderer Anwendungsbereiche wie in Architektur, Bauwesen oder Design vorantreiben werden“, kündigte ILK-Professor Niels Modler an.
Reallabor für nachhaltigen 3D-Druck in Freiberg eingerichtet
Schon länger versuchen sächsische Forscher, die Umweltbilanz von additiven Prozessen zu verbessern, indem sie mit organischen Materialien einsetzen. So füttern beispielsweise Wissenschaftler der Bergakademie Freiberg ihre 3D-Drucker mit Aprikosenkernmehl, Spreu, Sägespänen und anderen Bioabfällen und erzeugen daraus Bühnenbildelemente, Ersatzteile und andere Artefakte. In Freiberg haben sie eigens für solche Experimente ein Reallabor „Sustainable Additive Manufacturing in Saxony“ (Samsax) eingerichtet.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: ILK via Pressebox, HbfK, Oiger-Archivl, Wikipedia
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