Weiterer Großrechner mit Grafikchips geplant
Dresden, 24. April 2024. Künstliche Intelligenz (KI) gilt derzeit als eierlegende Wollmilchsau: Sie soll die große Frage nach dem Universum beantworten, als Hilfs-Chirurgin bei schwierigen OPs helfen und Geräte entwickeln, die den begehrten Energieträger Wasserstoff bloß aus Wasser und Licht gewinnen. Und dies sind nur einige der Aufgaben, die Forscher mit drei neuen Supercomputern der Technischen Universität Dresden (TUD) lösen wollen. Zwei dieser Großrechner haben sie nun eingeschaltet – darunter einen Teil des neuartigen Neurocomputers „Spinnaker 2“, der nach dem Vorbild der Nervennetze im menschlichen Gehirn gebaut ist.
„Wichtiger Meilenstein für das datengetriebene Hochleistungsrechnen“
„Die neuen Supercomputingsysteme an der TUD sind ein wichtiger Meilenstein für das datengetriebene Hochleistungsrechnen und die Weiterentwicklung von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz“, betonte Unirektorin Professorin Ursula Staudinger beim Einweihungs-Kolloquium. „Ob Klimabetrachtungen, medizinische Forschung oder Ingenieurwissenschaften: Mit den Möglichkeiten des neuen Systems – Technologien und Infrastruktur, Softwarelösungen, innovative Methoden sowie Expertise – eröffnen sich neue Dimensionen für eine Vielzahl von Forschungsgebieten“, ergänzte Prof. Wolfgang Nagel, der an der Dresdner Uni das „Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen“ (ZIH) leitet.
3 Pfade: Neuro-Chips, CPUs und GPUs
Konkret nähern sich die Forscher ihren Aufgaben auf drei informationstechnologischen Pfaden, in die der Bund, der Freistaat Sachsen und weitere Partner insgesamt rund 34 Millionen Euro in Dresden investieren:
Spinnaker entstand aus weltweitem Versuch, das menschliche Hirn nachzubauen
Einerseits ist da der „Spinnaker 2“, der aus dem internationalen „Human Brain Project“ heraus entstanden ist. Dieser neuartige Rechner vernetzt eine Art von Handy-Prozessoren ähnlich wie die Nervenknoten und Synapsen im menschlichen Gehirn. Im Endausbau sollen in ihm fünf Millionen Arm-Prozessoren rund zehn Milliarden Neuronen und zehn Billionen Synapsen simulieren. Die Forscher hoffen, dadurch „Künstliche Intelligenz“ auf eine ganz neue Leistungs- und Effizienzstufe heben zu können. Entwickelt wurde das neun Millionen Euro teure System von einem Team um TUD-Professor Christian Mayr, die künstlichen „Neuronen“ hat Globalfoundries Dresden hergestellt.
„Barnard“: CPU-Rechenkraft für galaktische Bilddaten und Suche nach lichtgetriebenen Wasser-Spaltern
Einen weiteren Pfad repräsentiert der ebenfalls nun betriebsbereite „Barnard“ von der Firma „Eviden“: Der 13 Millionen Euro teure Rechner nutzt 1260 Xeon-Prozessoren (CPUs) mit insgesamt über 65.000 Rechenkernen und 40 Petabyte Speicher für die Analyse großer Datenmengen. Er soll unter anderem in der Viren-Forschung und auf der Suche nach der „Physik des Lebens“ helfen. Bernhard soll aber auch das Team um TUD-Professor Sergei A. Klioner dabei unterstützen, die enormen Datenmengen über die Milchstraße auszuwerten, die das europäische Weltraum-Teleskop „Gaia“ aus dem All zur Erde sendet. Zudem will Professor Thomas Kühne vom „Center for Advanced Systems Understanding“ (Casus) in Görlitz den „Barnard“ und weitere Systeme für seine Suche nach Materialien einspannen, die ähnlich wie die Photosynthese der Bäume eine Photokatalyse für die Wasserstoffwirtschaft praktisch nutzbar machen. Konkret analysiert Casus dafür sogenannte „topologische Materialien“, die Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spalten.
„Capella“: Grafikchip-Booster für Roboter-Chirurgie und europäische KI-Sprachmodelle
Das dritte neue System ist voraussichtlich im Herbst 2024 betriebsbereit: Die Dresdner Uni hat zusätzlich zu CPU- und Neurorechnern noch bei der Chemnitzer Firma „Megware“ einen Supercomputer „Capella“ anschaffen, der aus 248 AMD-Hauptprozessoren und 496 Nvidia-Grafikprozessoren bestellt. Letztere fungieren vor allem als KI-Beschleuniger. Sie sollen unter anderem bei der Genese und Schulung eines europäischen Sprachmodells helfen, das als Konkurrenz zu ChatGPT und ähnlichen KI-Instanzen aus Übersee gedacht ist. An diesem Projekt ist wiederum federführend die Dresdner Außenstelle des Fraunhofer-Instituts IAIS beteiligt. Auch kann das zwölf Millionen Euro teure System Medizinerinnen wie Professorin Stefanie Speidel vom „Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen“ (CNT) in Dresden dabei unterstützen, die KI- und robotergestützte Chirurgie der Zukunft zu entwickeln.
Supercomputer-Abwärme heizt künftig die Stadt mit
Die TU Dresden und ihre sächsischen Partnerinstitute wollen die neuen Supercomputer aber nicht allein in Beschlag nehmen, sondern sie im Verbund für „Nationalen Hochleistungsrechnen“ auch anderen Forschern zugänglich machen. Zudem haben die Großrechner einen ökologischen Nebeneffekt: Statt ihre Abwärme in die Atmosphäre wegzukühlen, wie es andere Rechenzentren noch tun, setzt das Nagel-Team auf Warmwasserkühlung. Die erlaubt eine besonders effiziente Nutzung der thermischen Energie, die die Supercomputer ohnehin produzieren, um andere Uni-Gebäude auf dem Campus zu heizen beziehungsweise zu kühlen. Künftig wollen Uni und Stadtwerke diese Energie auch mithilfe großer Wärmepumpen in das Dresdner Fernwärme-Netz einspeisen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: TUD, Oiger-Archiv, Wikipedia
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