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Nachfrage für organische Solartechnik von Heliatek Dresden steigt

Heliatek-Chef Guido van Tartwijk zeigt ein zwei Meter langes und biegsames organisches Solarmodul aus Dresdner Produktion. Foto: Heiko Weckbrodt

Heliatek-Chef Guido van Tartwijk zeigt ein zwei Meter langes und biegsames organisches Solarmodul aus Dresdner Produktion. Foto: Heiko Weckbrodt

Energiepreis-Krise sorgt in Dresdner Fabrik für Schub – Vollauslastung kommt aber wohl frühestens 2025

Dresden, 21. Juli 2023. Zwar setzt die Energiepreiskrise seit dem Ukraine-Krieg vor allem viele klassische Industriezweige in Deutschland massiv unter Druck. Doch anderseits sorgt sie in jungen Technologiesektoren für Impulse. Und das spürt auch Heliatek: Während das Photovoltaik-Unternehmen derzeit schrittweise die Produktion biegsamer organischer Solarfolien in Dresden-Mickten hochfährt und deren Wirkungsgrad steigert, spielen die hohen Strompreise der Uni-Ausgründung mehr und mehr in die Hände. Die Nachfrage nach den alternativen Sonnenenergiesammlern aus Sachsen wächst, die Auftragsbücher füllen sich.

Leichte Heliatek-Module für Dächer, die keine klassische Solartechnik tragen können

„Wir bekommen ständig Anfragen von Industrie- und Logistik-Unternehmen, die Photovoltaik nachrüsten wollen, deren Hallendächer aber traditionelle Solarmodule nicht tragen könnten“, erklärt Heliatek-Chef Guido van Tartwijk. „Sie wollen sich von den Strompreisen der großen Anbieter unabhängiger machen und ihre Energiekosten senken.“ Mittlerweile haben die superleichten Heliatek-Module nicht nur im Labor, sondern eben auch in der Massenproduktion 8,5 Prozent Wirkungsgrad erreicht, Tendenz: steigend, sagt van Tartwijk. Damit seien in der Praxis Strompreise um die 20 Cent pro Kilowattstunde realisierbar. Im Vergleich zu früheren Industriestrompreisen ist das zwar immer noch recht viel, räumt der Heliatek-Chef ein. Doch seit dem Ukrainekrieg ist das für manchen Betrieb schon ein durchaus attraktiver Preis, der sich zudem auch Jahr für Jahr weiter drücken lassen werde.

Das niederländische Elektroauto "Lightyear One" - hier ein Prototyp - ist mit Solarzellen überzogen. Die damit gewonnen Energie soll die Batterie nachladen und für 735 Kilometer Reichweite sorgen. Das E-Auto soll ab 2021 verfügbar sein. IDTechEx-Analysten gehen davon, dass solche Konzepte das dünne Ladesäulennetz in Europa ausgleichen können. Foto: Lightyear

Versuche, mit Solarzellen auf Dach und Karosse die Reichweite von Elektroautos zu erhöhen, gab es schon viele – doch das Konzept konnte sich in der Praxis bisher nicht durchsetzen. Hier im Bild der Protoptyp des niederländischen Elektroautos „Lightyear One“. Foto: Lightyear

Solarfolien sollen in Zukunft auch an Fenstern, Zelten, Schiffen und Flugzeugen Sonnenenergie sammeln

All diese Faktoren sowie die Technologieführerschaft der Dresdner im noch jungen Markt für organische Photovoltaik (OPV) sorgen nun eben für kräftige Wachstumsimpulse bei Heliatek. Die Zeiten immer neuer Pilotprojekte ohne größere Aufträge sei vorbei, betont van Tartwijk. Derzeit arbeite das Unternehmen rund 130 Aufträge vor allem für Kunden in Europa und Asien ab. Dazu gehören eben die Klebesolarfolien für Hallendächer und -fassaden, aber auch für Flughäfen und Sporthallen in Fernost. Typischerweise verkaufen die Dresdner derzeit Module, die für Anlagen der Leistungsklassen zwischen 100 und 500 Kilowatt gedacht sind. Künftige Einsatzszenarien für seine organischen – und bei Bedarf eben auch durchsichtigen – Solarmodule sieht der Heliatek-Chef auf Fenstern, Zelten, Flugzeugen und Schiffen. Oft komme zudem der Vorschlag, damit die Karosserien von Elektro-Autos zu überziehen, um deren Akkus während der Fahrt nachzuladen. Dafür hält er die OPV-Technik allerdings noch nicht für ertragreich genug. „Wir bekommen ständig Anfragen aus ganz vielen Branchen“, erzählt er. „Wir müssen gar keine Kundenakquise selber machen.“

Langer Anlauf: Seit Gründung 2006 noch keine Gewinne geschrieben

Allerdings: Obgleich sich die Auftragsbücher nun endlich füllen, war und ist der Weg hin zu einer echten Massenproduktion ziemlich lang: Heliatek entstand bereits vor 17 Jahren als Ausgründung der Unis Dresden und Ulm. Seither wurde die OPV-Techfirma immer wieder für ihre innovative Organiksolar-Technologie gefeiert, hat aber bis zum heutigen Tage keine Gewinne gemacht und lebt von den Kapitalspritzen der Anteilseigner. Immer wieder verkündeten Manager und Politiker den Start der Massenproduktion bei Heliatek – doch von Vollauslastung ist die Fabrik an der Treidlerstraße immer noch ein ganzes Stück entfernt. Die Ausbeute lag 2022 bei nur 50 Prozent. Genaue Produktionszahlen nannte van Tartwijk nicht. Anscheinend produzierte die Fab aber im vergangenen Jahr etwas unter 20.000 Quadratmetern funktionierende Module. Zum Vergleich: Ausgelegt sind die Anlagen für zwei Millionen Quadratmeter Jahresproduktion.

Chef sieht 2025 als Schlüsseljahr für Heliatek

Immerhin aber sind die Aufwärtssignale deutlich: Die Aufträge wachsen, die Belegschaft hat auf 250 Beschäftigte zugelegt, von denen ein Teil in „rollender Woche“ arbeitet. Den Umsatz will der Geschäftsführer nicht genau beziffern, dieser liegt aber wohl noch unter zehn Millionen Euro. Bis Ende 2023 will er auf 80 Prozent Ausbeute kommen, 2025 dann auf 95 Prozent. Das heißt, dass dann die allermeisten Module, die die Anlagen verlassen, tatsächlich anstandslos funktionieren und genug Strom liefern müssen. Dann soll sich die Fabrik auch der Vollauslastung von zwei Millionen Quadratmetern pro Jahr annähern und das Unternehmen endlich erste Gewinne schreiben.

Heliatek-Chef Guido van Tartwijk vor einem sechs Meter langen organischen Solarmodul, das demnächst auch in Serie gehen soll. Foto: Heiko Weckbrodt

Heliatek-Chef Guido van Tartwijk vor einem sechs Meter langen organischen Solarmodul, das demnächst auch in Serie gehen soll. Foto: Heiko Weckbrodt

Zukunftsvision: 20 Heliatek-Fabriken rund um den Erdball

Für die Zeit danach hat der Chef ambitionierte Pläne: Wenn die Dresdner Fab stabil läuft und ausgelastet ist, will er rund 20 weitere Werke ähnlicher Art weltweit hochfahren – jeweils in der Nähe der global verstreuten Kunden in Europa, Asien und Amerika. Ob Heliatek diese Fabriken dann selbst baut und betreibt oder dies an Auftragsfertiger à la Foxconn weiteredelegiert, will van Tartwijk von der Marktentwicklung und den Kapitalpolstern abhängig machen, die sich Heliatek bis dahin anfuttert.

Organikzellen sammeln Sonnenstrom bisher kaum halb so effizient wie Silizium-Technik

Derweil muss das Unternehmen einen zentralen Nachteil seiner organischen Solarzellen gegenüber klassischer Photovoltaik mindern: Ausgereifte siliziumbasierte Solarmodule erreichen heutzutage nämlich Wirkungsgrade um die 15 bis 22 Prozent. Die OPV von Heliatek liegt dagegen nur bei bei 8,5 Prozent. Als Marschrichtung hat van Tartwijk ausgegeben, das Verhältnis zwischen einstrahlender Sonnenenergie und gewonnener elektrischer Energie nun jedes Jahr um einen Prozentpunkt zu steigern. Spricht: 2025 müsste Heliatek die Zehn-Prozent-Marke knacken. Dabei mag helfen, dass die Uni-Ausgründung bis heute immer noch sehr ingenieur- und wissenschaftlerlastig ist: Über ein Fünftel der Belegschaft ist für Forschung und Entwicklung eingespannt. Und diese Experten tüfteln in Dresden und Ulm an neuen Chemikalien und Prozessen, die Wirkungsgrad und Lebensdauer der Organikmodule steigern.

Mehr Stromausbeute bei Dämmerung und Hitze

Mit ein paar „Sahnehäubchen“ können die Dresdner schon jetzt gegenüber den Kunden argumentieren: Ihre Module liefern nämlich selbst bei Dämmerlicht noch Strom und ihr Wirkungsgrad sinkt – anders als bei ihren Siliziumbrüdern – bei Hitze kaum. Auch sind sie eben viel leichter und biegsamer als anorganische Module. Außerdem lassen sich die Module halbdurchsichtig herstellen. Hinzu kommen die ökologischen Pluspunkte: Während für traditionelle Solartechnik viel Energie verbraucht wird, vor allem für die Reinsilizium-Produktion, ist die Umweltbilanz in der OPV-Produktion deutlich günstiger. Auch brauchen die Dresdner für ihre Zellen nur hierzulande verfügbare Rohstoffe, sind also nicht von Zulieferungen aus China oder Afrika abhängig.

Biegsames organisches Solarmodul aus Schweden. Foto: Epishine

Biegsames organisches Solarmodul aus Schweden. Foto: Epishine

Zwei Dutzend Konkurrenten weltweit – doch Heliatek sieht sich weiter als Technologieführer

Angst dafür, dass der Technologievorsprung von Heliatek angesichts der langen Anlaufzeit des Unternehmens dahinschmelzen könnte, hat der Chef nicht: Er geht von weltweit etwa 15 Unternehmen aus, die in unterschiedlichem Reifegrad organische Solartechnik herstellen. „Von Konkurrenten will ich da aber gar nicht reden, sondern eher von Kollegen“, sagt er. Denn die Mitbewerber setzen auf vergleichsweise einfach gestrickte Druckverfahren mit langkettigen Polymer-Molekülen, die oft nur Solarzellen mit drei bis sechs Prozent Wirkungsgrad und nur wenigen Jahren Lebensdauer erzeugen. Die eignen sich womöglich für die Energie-Selbstversorgung von Feuermeldern, Agrarsensoren oder anderen „Dingen“ im „Internet der Dinge“, können aber klassischer PV-Technik kaum den Rang ablaufen.

IDTechEx sieht „zweite Chance“ für organische Solartechnik

In einem Analyse aus dem Jahr 2021 hatte das britische Marktforschungsunternehmen „IDTechEx“ das lange Auf und Ab im OPV-Markt inklusive der lange Zeit uneingelösten Versprechungen der Branche diskutiert – und prognostizierte eine „zweite Chance“ und einen Milliardenmarkt für die organische Photovoltaik Anfang der 2030er Jahre. Allerdings fokussierten sich die Analysten dabei stark auf die gedruckte organische Solartechnik, für die sie viele Nischenanwendungen zum Beispiel für autarke kleine Energiesammler in Innenräumen und als Fensterbeschichtung sehen.

Blick ins Innere der Heliatek-Fabrik mit den neuen, größeren Anlagen, die auch meterbreite organische Solarfolie bearbeiten können. Foto: Heiko Weckbrodt

Blick ins Innere der Heliatek-Fabrik für organische Solarfolien. Foto: Heiko Weckbrodt

Vakuum-Prozess für lange Lebensdauer und relativ hohen Wirkungsgrad

Deutlich davon unterscheidet sich der Dresdner Ansatz, der auf besonders hochwertige OPV-Module zielt. Allein Heliatek verfüge über die Fertigungs- und Zelltechnologie, um OPVs mit einer Lebensdauer von 20 Jahren und mehr sowie Wirkungsgraden nahe den Siliziumzellen herzustellen, betont van Tartwijk. Im Einsatz seien einzigartige Anlagen, zu denen auch sächsische Zulieferer wie 3D-Micromac Chemnitz beigetragen haben. Dahinter steckt ein besonderes Verfahren: Die Maschinen ziehen zunächst die Basisfolien von großen Rollen. Dann beschichten Vakuumkammern die Folien mit kurzen organischen Molekülen zu computerchip-ähnlich aufgebauten Solarzellen. Danach vereinzeln spezielle Anlagen die zwei Meter langen und biegsamen Module und versehen sie mit elektrischen Anschlüssen. Vor allem durch den Schlüsselprozess im Vakuum könne Heliatek organische Solarmodule mit hoher Präzision erzeugen, betont van Tartwig. Da hole kein „OPV-Kollege“ die Dresdner so schnell ein.

Kritik an Habecks Solarförderung: Deutschland sollte lieber fördern, was China noch nicht kann

In den Optimismus mischt sich allerdings auch etwas Ärger mit Blick auf die aktuelle Industriepolitik der Bundesampel: Die Förderprogramme, die Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für den Wiederaufbau und die Stabilisierung der deutschen Solarbranche avisiert habe, seien sichtlich auf die traditionellen Silizium-Technologien gemünzt, kritisiert der Heliatek-Chef: „Da stellt sich mir die Frage, ob Deutschland wirklich massiv in etwas hinein investieren sollte, das die Chinesen schon längst besser können, oder mal etwas fördert, was China noch nicht kann.“

Wenn sich die Entwicklung aber so fortsetze wie bisher, dann werde die OPV-Technologie auf absehbare Zeit der ausgereiften und billigen klassischen Silizium-Solartechnik nicht den Rang ablaufen können: Im Vergleich zu den 98 Milliarden Quadratmetern PV-Modulen, die weltweit allein auf Dächern jährlich installiert werden, sei selbst eine Heliatek-Fabrik in Vollauslastung nur wie ein kleiner Tropfen im Glas.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Heliatek, Interview van Tartwig, Oiger-Archiv

Zum Weiterlesen:

Schwedische Firma stellt Organische Photovoltaik fürs IoT vor

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt