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Dresdner Heliatek will organische Solarzellen ab 2015 in Großserie fertigen

Videoimpressionen aus der Dresdner Heliatek-Fabrik (Video: Heiko Weckbrodt)

70 Millionen Euro benötigt

Dresden, 28. Januar 2014: Die Dresdner Firma „Heliatek“ hat die Großproduktion ihrer organischen Solarzellen um ein Jahr auf 2015 verschoben. Es habe sich gezeigt, dass potenzielle Finanziers erst einige Praxiseinsätze dieser noch jungen Technologie sehen wollen, bevor sie die nötigen Investitionen von 60 bis 70 Millionen Euro in den Fabrikausbau bereit stellen, schätzte Heliatek-Technikchef Martin Pfeiffer ein. Trotz der Verzögerung ist er zuversichtlich, denn das Dresdner Unternehmen gilt inzwischen weltweit als Nummer 1 der organischen Photovoltaik. Auch die Anleger glauben an einen Erfolg: Ein – nicht genannter – neuer Investor hat sich bereit erklärt, den laufenden Betrieb von Heliatek bis Ende 2015 zu finanzieren. Ab 2016 erwartet die Firma eigene Gewinne.

Von Konkurrenz nicht in die Karten schauen lassen

Heliatek-Technikchef Martin Pfeiffer mit einem organischen Solarmodul. Foto: Heiko Weckbrodt

Heliatek-Technikchef Martin Pfeiffer mit einem organischen Solarmodul. Foto: Heiko Weckbrodt

Allein die schiere Größe der Anlage, die in einer ehemaligen PC-Montagefabrik in Dresden-Mickten vor sich hinbrummt, ist beeindruckend: Zwei Stockwerke hoch, ein Koloss aus Stahl, Vakuumkammern, Lasern und anderen Hightech-Aggregaten. Rötlich schimmert hochenergetisches Licht an den Ecken, ab und zu ist ein schrilles Klingeln oder ein Grummeln zu hören, wenn Laser oder Pumpen anspringen. Fotografieren ist hier streng verboten. „Damit die Konkurrenz in Asien nicht auf die Idee kommt, das nachzubauen“, sagt Pfeiffer und blinzelt schelmisch. Auch die Lieferaufträge für die Maschinenkomponenten wurden deshalb nicht an einen Generalauftragnehmer, sondern einzeln vergeben – zu großen Teilen an Unternehmen aus der Region wie FHR Ottendorf-Okrilla oder Xenon Dresden übrigens.

Biegsame und transparente Solarzellen

Produziert wird hier in einer Art Vakuum-Rollendruck eine echte Innovation: Solarmodule auf Folien, die nicht aus starrem Silizium bestehen wie herkömmliche Photovoltaik-Zellen, sondern aus kleinen organischen Molekülen. Und die sind biegsam, können sich jeder Form anpassen. Und sie sind auch durchsichtig produzierbar, was heißt: Die Dresdner wollen gemeinsam mit Partnern die Scheiben von Wolkenkratzern, Villen und Autos so verkleiden, dass man immer noch durchschauen kann, ganze Fassaden gleichzeitig aber zu Sonnenstromsammlern werden.

Fabrik und Haltestellen werden zu organischen Stromsammlern

Erste Praxisobjekte werden demnächst fertig. So will ein Stadtmöblierer demnächst im europäischen Ausland Bus-Haltstellen mit den organischen Solarzellen verkleiden, damit die den Strom für elektronische Fahrplananzeigen und Licht autark produzieren. Ein solcherart ausgerüstetes Fabrikgebäude in Deutschland soll im März fertiggestellt werden, eine Tennishalle mit Heliatek-Modulen ist in Planung. Auch mit namhaften Automobil-Herstellern und -Zulieferern verhandele man, um Autodächer demnächst mit durchsichtigen Organiksolarfilmen zu versehen, berichtet Pfeiffer – ohne allerdings konkrete Namen zu nennen.

Energiespardruck auf Hersteller

Das große Interesse an der Dresdner Technologie wird nicht zuletzt von staatlichen Vorgaben getrieben. So sollen laut einer EU-Richtlinie Neubauten ab 2020 extrem energiesparsam errichtet werden. „Dämmung allein wird da nicht reichen, dazu bedarf es aktiver Elemente wie Photovoltaik“, schätzt der Heliatek-Technikchef ein. Auch die Autohersteller stehen unter wachsendem Druck, den Verbrauch von Neuwagen zu senken, aber auch den Stromverbrauch der immer umfangreicheren Bordelektronik aufzufangen.

Heliatek zum Weltmarktführer aufgestiegen

Um eine Strom-Eigenproduktion von Autos und Häusern anzukurbeln, drängen sich organische Solarzellen auf, da sie transparent und flexibel ganze Fahrzeuge und Gebäude überziehen könnten. Und die Dresdner sind da weltweit nahezu die einzigen, die diese sogenannte „Organic Photovoltaics“ (OPV) in nennenswerten Mengen liefern. Denn nach über 250 Millionen Dollar Investitionen, mit denen gerade mal eine Energieausbeute von zwei Prozent erreicht wurde, ist Heliateks Hauptkonkurrent „Konarka“ aus den USA im Mai 2012 pleite gegangen. Seitdem stuft das Marktforschungsunternehmen „IDTechEx“ Heliatek als Weltmarktführer ein. Übrig geblieben sind kleinere Mitbewerber wie Solarmer, Eight 19, Solar Press, Disa Solar und Amor Group. Auch der Konzern Mitsubishi Chemical versucht sich an OPVs, ist aber noch nicht so weit wie Heliatek, die insbesondere eine kontinuierliche Rolle-zu-Rolle-Produktion im Vakuum schon recht gut im Griff haben.

Probleme: (Noch) hohe Kosten und geringere Ausbeute

Im "Backend" (Endmontage) werden die Organikmodule endversiegelt,kontaktiert und zugeschnitten. Foto: Heiko Weckbrodt

Im „Backend“ (Endmontage) werden die Organikmodule endversiegelt,kontaktiert und zugeschnitten. Foto: Heiko Weckbrodt

Allerdings ringen auch die Dresdner noch mit den Nachteilen der Organiktechnologie: Während die ausgereiften Silizium-Solarzellen etwa 22 Prozent der einfallenden Lichtenergie in Strom umwandelt, liegt diese Ausbeute in den Heliatek-Laboren bei 10,7 Prozent, in der Serienfertigung sogar nur bei fünf Prozent. Anders ausgedrückt: Ein Quadratmeter der organischen Solarmodule liefert etwa 50 Watt, ein klassisches Modul hingegen 150 Watt. Auch sind die Heliatek-Module noch recht teuer in der Herstellung.

Verringern wollen die Dresdner diesen Abstand zur klassischen anorganischen Photovoltaik-Technik in ihrer nächsten Fabrikausbau-Stufe, für die sie allerdings 70 Millionen Euro benötigen – die Hälfte davon für eine neue Massenfertigungsanlage, die statt 30 Zentimeter breite Solarfolien bis zu 1,20 Meter breite Bänder beschichten kann – und Effizienz, Ausbeute und Kosten verbessern soll. Dann soll auch die Personalstärke von derzeit 75 auf dann über 100 Mitarbeiter steigen.

Ab 2016 sollen Gewinne fließen

Heliatek war 2006 als gemeinsame Ausgründung der TU Dresden und der Uni-Ulm entstanden. Seitdem sind rund 34 Millionen Euro Anschubfinanzierung durch private und öffentliche Investoren in das Unternehmen geflossen. Im März 2012 ging die Fabrik an der Treidlerstraße in Betrieb.

2014 werde man sich nun darauf konzentrieren, mit der derzeitigen Anlage und zusammen mit Partnern Referenzobjekte zu realisieren, um potenziellen Investoren zu zeigen, was in der neuen Technologie steckt und zu beweisen, dass sie in der Praxis funktioniert, kündigte Pfeiffer an. Ende 2014 wollen die Heliateker dann das Geld für den Fabrikausbau beisammen haben, die Großanlage 2015/ 2016 hochfahren – und dann auch endlich eigene Profite erwirtschaften. Autor: Heiko Weckbrodt

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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