Protonenstrahlen kodieren Daten über Generationen hinweg in Siliziumkarbid-Wafer
Dresden, 4. April 2024. Ein internationales Forscherteam um Dr. Georgy Astakhov vom Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) entwickelt derzeit eine neue Langzeit-Datenspeichertechnologie auf Siliziumkarbid-Basis, die das Zeug hat, wichtige digitale Aufzeichnungen unserer Zeit über Jahrhunderte hinweg sicher aufzubewahren – und nicht nur für wenige Dekaden oder gar nur Jahre wie heutige Festplatten oder CDs. „Unsere Beobachtungen deuten auf eine Mindest-Archivierzeit von einigen Generationen hin“, informiert Astakhov.
Wird unsere Gegenwart zu einer neuen „dunklen Zeit“ für die Historiker?
Hintergrund: Briefe, Bücher, Akten, Chroniken – all dies hielten Schreiber vor Tausenden Jahren auf gebrannten Ton, auf Stein oder Pergament für die Nachwelt fest, später übernahm Papier diese Rolle. Heute indes speichern wir immer mehr Informationen ausschließlich digital, seien es nun E-Mails, elektronische Dokumente, E-Bücher oder all das, was auf uns alltäglich aus dem Netz einströmt. Die Gefahr droht, dass neben all dem Datenmüll, dem Banalen auch viel Wichtiges für immer verloren geht, wenn Cloud-Festplatten, DVDs und USB-Speicherstifte mit ihrer begrenzten Haltbarkeit alle Daten von selbst „vergessen“ haben. Damit für nachfolgende Historiker-Generation unser Jahrhundert nicht ein ähnlich schwarzes Loch wird wie die „Dunkle Zeit“ nach dem Untergang des Römischen Reiches, arbeiten viele Forscher weltweit an Langzeit-Archivierungsmethoden, die länger als nur ein paar Dekaden halten.
Material ist für Leistungselektronik bereits im kommerziellen Einsatz
Auch die Rossendorfer Forscher haben sich an diese Aufgabe herangesetzt und dabei auf Silizium-Kohlenstoff-Scheiben gesetzt. Diese SiC-Wafer sind für Leistungselektronik-Chipfabriken bereits kommerziell im Einsatz. Dem Astakhov-Kollektiv ist es nun gelungen, mit Protonen-Kanonen diese Scheiben zu kodieren, dass die damit eingeprägten Daten über Jahrhunderte hinweg durch Leuchtanregungs-Effekte (Lumineszenz) noch auslesbar sind.
Forschungsleiter spricht von „vierdimensionalem Codierungsverfahren“
Zudem sind die HZDR-Forscher optimistisch, dass sie ihre Langzeitspeicher auf eine ähnliche Datendichte wie etwa Bluray-Scheiben treiben können. Möglich wird dies, weil sie ihre Daten per Ionenstrahl auf atomarer Ebene in das Material schreiben – Georgy Astakhov spricht hier gar von einem vierdimensionalen Codierungsverfahren: „Dabei werden die drei Raumdimensionen und eine zusätzliche vierte Dimension der Intensität gesteuert, indem wir die seitliche Position, Tiefe und Anzahl der Defekte variieren“, betont der Forschungsleiter. „Anschließend lesen wir die gespeicherten Daten mittels der durch Anregung hervorgerufenen Photolumineszenz optisch aus. Darüber hinaus kann die räumliche Speicherdichte durch fokussierte Elektronenstrahl-Anregung, die eine beobachtbare Kathodolumineszenz hervorruft, deutlich verbessert werden.“
An der Entwicklung des neuen Speicherverfahrens beteiligen sich Teams aus dem HZDR, der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, des kalifornischen „Jet Propulsion Laboratory“ , des „National Institutes for Quantum Science and Technology“ sowie der Universität Tōhoku in Japan.
Autor: Oiger
Quellen: HZDR, Oiger-Archiv, Wikipedia
Wissenschaftliche Publikation:
„Ultralong-term high-density data storage with atomic defects in SiC“ von M. Hollenbach, C. Kasper, D. Erb, L. Bischoff, G. Hlawacek, H. Kraus, W. Kada, T. Ohshima, M. Helm, S. Facsko, V. Dyakonov und G. V. Astakhov, in: „Advanced Functional Materials„, 2024, DOI: 10.1002/adfm.202313413
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