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Langzeitarchiv für Sachsens Forschungsdaten

Seit 26 Jahre fotografiert das Weltraum-Teleskop Hubble das All - hier eine Aufnahme des Carina-Nebels, der sich in über 6500 Lichtjahren Entfernung zur Erde formiert. Noch unzählige Astrophysiker und Astronomen werden die Bildflut von Hubble auswerten wollen. Und deshalb ist es so wichtig, Forschungs-Rohdaten für die Nachwelt zu archivieren. Abb.: NASA/ESA, Hubble

Seit 26 Jahre fotografiert das Weltraum-Teleskop Hubble das All – hier eine Aufnahme des Carina-Nebels, der sich in über 6500 Lichtjahren Entfernung zur Erde formiert. Noch unzählige Astrophysiker und Astronomen werden die Bildflut von Hubble auswerten wollen. Und deshalb ist es so wichtig, Forschungs-Rohdaten für die Nachwelt zu archivieren. Abb.: NASA/ESA, Hubble

SLUB Dresden und TU-Experten wollen „Rohmasse“ für Entdeckungen retten

Dresden, 18. Juli 2016. Um wertvolle Forschungsdaten für spätere Untersuchungen und nachfolgende Wissenschaftler-Generationen zu sichern, wollen die Digitalisierer der Sächsischen Landes- und Uni-Bibliothek SLUB und die Supercomputer-Experten der TU Dresden ein elektronisches Langzeitarchiv aufbauen. Das hat SLUB-Generaldirektor Prof. Thomas Bürger angekündigt. In diesem Langzeit-Archiv können dann zum Beispiel Biologen aus ganz Sachsen wichtige Mikroskop-Aufnahmen ablegen, Physiker ihre Nebelkammer-Bilder sichern et cetera.

Menschheits-Wissen verdoppelt sich im 10-Jahres-Takt

„Früher hat sich das Wissen der Menschheit von Jahrhundert zu Jahrhundert verdoppelt“, sagte Thomas Bürger. „Heute verdoppelt es sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt.“ Mit Blick auf diese Datenexplosion würden wissenschaftlichen Bibliotheken auch neue Aufgaben als Kompetenzzentren zuwachsen, Quellen nachhaltig verfügbar zu machen.

SLUB-General Thomas Bürger entwickelt am Karten-Scan-Tisch seine Visionen für den digitalen Wandel. Foto: Heiko Weckbrodt

SLUB-General Thomas Bürger entwickelt am Karten-Scan-Tisch seine Visionen für den digitalen Wandel. Foto: Heiko Weckbrodt

Selbst alte Forschungsdaten sind eine Fundgrube

Zu diesen Ressourcen gehören eben auch Forschungsdaten, die mit großem Technik- oder Zeitaufwand erzeugt wurden. Und gerade in Forschungs-Rohdaten schlummern oft noch unentdeckte Erfindungen und Erkenntnisse. Beispiele dafür sind die Raumfahrt oder Weltantwortmaschinen wie die unterm CERN in der Schweiz: Noch Jahre, nachdem ein Weltraumteleskop den Geist aufgegeben oder ein Teilchenbeschleuniger abgeschaltet ist, machen Physiker und Astronomen immer neue Entdeckungen in den alten Datenfluten.

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Daten müssen auch nach Jahrzehnten noch lesbar sein

Freilich müssen Methoden entwickelt werden, um die vielen verschiedenen Formate, in denen Forschungsdaten in Beschleunigern, Biotech-Laboren, Akustik-Kammern oder bei Zeitzeugen-Interviews entstehen, standardisiert für die Nachwelt abzuspeichern. Denn die Computertechnik und deren Programme sind im ständigen Wandel: Dokumente, die gestern noch mit Standard-Software lesbar waren, können nach 30 Jahren schon auf kaum einem modernen Rechner noch auswertbar sein.

Anke Wartenberg betreut in der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) den Dokumenten- und Publikationsserver Qucosa. Über diese Plattform publizieren Forscher aus Sachsen ihre wissenschaftlichen Arbeiten. Foto: Heiko Weckbrodt

Anke Wartenberg betreut in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) den Dokumenten- und Publikationsserver Qucosa. Über diese Plattform publizieren Forscher aus Sachsen ihre wissenschaftlichen Arbeiten. Foto: Heiko Weckbrodt

Forschungsdaten werden am Publikations-Server „Qucosa“ angedockt

Deshalb wollen die SLUB und das TU-Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen (ZIH) die sächsische Forschungsdatenbank an das bereits funktionierende Publikations-System „Qucosa“ an der SLUB andocken: Dessen Betreuer haben bereits viele Erfahrungen damit gesammelt, die wachsende Zahl der rein elektronischen Wissenschaftsartikel in Sachsen nach standardisierten Verfahren zu publizieren, frei zugänglich zu machen („Open Access“) und für die Nachwelt zu archivieren.

Simulation elektrischer Feldlinien bei der Laserbeschleunigung von Elektronen mit dem Hochleistungslaser DRACO im HZDR. Abb.: Lukas Zühl, HZDR/Prof. Stefan Gumhold, TU Dresden

Aus Forschungs-Rohdaten gewonnen: Simulation elektrischer Feldlinien bei der Laserbeschleunigung von Elektronen mit dem Hochleistungslaser DRACO im HZDR. Abb.: Lukas Zühl, HZDR/Prof. Stefan Gumhold, TU Dresden

Bisher nur Insellösungen in Deutschland

Indes wird dies zunächst auch nur eine Insel-Lösung in Sachsen sein. Eine deutschlandweite Plattform steht weiter aus. „Der Umgang mit digitalen Forschungsdaten in Deutschland ist trotz einiger guter Beispiele bislang noch durch überwiegend schwach koordinierte, projektförmige Initiativen geprägt“, mahnt der gemeinsame „Rat für Informationsinfrastrukturen“ (RfII) von Bund und Ländern in seinem aktuellen Positionspapier „Leistung aus Vielfalt.“ Und: „Eine Grundversorgung der Forschenden mit niedrigschwelligen Services für das Forschungsdatenmanagement fehlt.“ Durch Kleinteiligkeit, Effizienz- und Finanzierungsprobleme drohen „Nachteile im internationalen Wettbewerb“.

SLUB-General: Bund muss mehr in Digitalisierung stecken

Und dieses Problem sieht RfII-Mitglied Thomas Bürger nicht nur für die Langzeitarchivierung von Forschungsdaten, sondern generell im Umgang mit digitalem Wissen in Deutschland: „Die Digitalisierung wird noch sehr unterschätzt“, ist der SLUB-Generaldirektor überzeugt. „In Sachsen bewegt sich da schon einiges durch das Landesdigitalisierungsprogramm. Aber auf nationaler Ebene passiert da zu wenig.“ Vor allem beim Bund sei die Meinung verbreitet, dass sich die Wissens- und Kulturgut-Digitalisierung schon irgendwie privat finanzieren werde. „Das ist aber ein Trugschluss“, sagte Bürger. „Wenn Informationen frei und öffentlich bleiben sollen, muss die öffentliche Hand dies auch finanzieren.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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