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„Wir haben den Run auf die Bibliothek unterschätzt“

Der Umbauer: Prof. Thomas Bürger und die digitalen Sammlungen der SLUB im Hintergrund. Foto: Heiko Weckbrodt

Baut die Bibliothek bereits seit Jahren für die digitale Zukunft um: Prof. Thomas Bürger. Foto: Heiko Weckbrodt

Generaldirex Bürger will Dresdner SLUB ab 2017 generalüberholen und nach dem Vorbild der British Library zum Wissens-Knoten umbauen

Dresden, 12. Juli 2016. Generaldirektor Thomas Bürger plant eine Generalüberholung für die Sächsische Landes und Uni-Bibliothek SLUB – wenn das Land dafür das Geld herausrückt. Er will den Büchertempel am Zelleschen Weg innerlich so umbauen, dass er den Nutzerwünschen an die Bibliothek der Zukunft gerecht werde. Vor allem müsse aber die Klima- und Energietechnik dringend saniert werden.

Über 25 Millionen Besuche seit dem Reboot vor 14 Jahren

„Seit der Eröffnung am Zelleschen Weg vor 14 Jahren hatten wir über 25 Millionen Besuche“, sagte Prof. Bürger im DNN-Gespräch. „Wir hatten nie gedacht, dass wir hier 8000 Besucher am Tag haben würden. Die Klima-Anlagen sind gar nicht dafür ausgelegt. Wir haben den Run auf die Bibliothek unterschätzt.“

Umbau ohne Komplettschließung

Der Umbau werde im laufenden Betrieb, also ohne Komplettschließung erledigt, voraussichtlich in den Jahren 2017 bis 2020. „Sonst würden unsere Nutzer verrückt spielen“, sagte Bürger. Indes sei absehbar, dass der große Lesesaal zeitweise dicht machen muss. Der Generaldirektor rechnet mit Kosten in zweistelliger Millionen-Höhe, die er nun beim Freistaat beantragt hat.

Die Digitalisierung schafft die Bibliotheken nicht ab, sondern gibt ihnen einen neuen Sinn, meint SLUB-Generaldirektor Prof. Thomas Bürger. Und volle Lesesäle geben ihm recht. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Digitalisierung schafft die Bibliotheken nicht ab, sondern gibt ihnen einen neuen Sinn, meint SLUB-Generaldirektor Prof. Thomas Bürger. Und volle Lesesäle geben ihm recht. Foto: Heiko Weckbrodt

An manchen Tagen ist sogar jeder Papierkorb besetzt

Die Hintergründe werden jedem offenbar, der sich noch an die Mauerblümchen-Existenz und das Ambiente der alten Landesbibliothek an der Marienallee erinnert und andererseits die heutige SLUB am Zelleschen Weg kennt: An manchen Tagen sind nicht nur alle Sitze vollbelegt, sondern sogar umgedrehte Papierkörbe und andere provisorischen Notebook-Abstellflächen besetzt.

„Co-Working“ bis Mitternacht

Und der Ansturm kommt nicht nur vom TU-Campus nebenan. In dem Komplex im Dresdner Süden tüfteln auch viele Nicht-Studenten Tag und Nacht: Weil es sich hier für viele besser arbeitet als daheim, Öffnungszeiten bis 24 Uhr selbst in modernen „Co-Working“-Büros selten sind, die Internet-Anbindung schnell ist, der ganze Spaß gratis und die Atmosphäre angenehm.
„Es motiviert ungemein, auch andere ganz konzentriert und motiviert arbeiten zu sehen“, erklärt sich das SLUB-Chef Bürger. „Bei uns kann man ganz zielstrebig und diszipliniert arbeiten, oder sich mit Leidensgenossen über Stress und Verzweiflung austauschen, wie sie jeden Geistesarbeiter mal befällt.“

Arbeitsweise hat sich radikal verändert

Aber die Bibliothekare haben auch spitzgekriegt, was den Besuchern noch nicht so ganz gefällt. „Die Arbeitsweise von Studenten, Wissenschaftlern und vielen anderen hat sich in den vergangenen Jahren ja ungemein geändert“, weiß Thomas Bürger. „Die Leute wollen mit eigenen Geräten in eigenen Sitzgruppen arbeiten. Wir brauchen also mehr mobile Sitzgruppen, die sich die Besucher selbst zu Gruppenräumen anordnen können.“

Großes Lese-Café nach britischem Vorbild

Und weil viele Gäste nicht nur lesen, sondern diskutieren und zusammenarbeiten wollen, wachse der Wunsch, mehr als nur Wasser mit in die Bibliothek nehmen zu dürfen. „Wir wollen den Café-Bereich im Foyer vergrößern und zu einem Lese-Café ähnlich wie in der British Library machen“, kündigte der SLUB-Chef an.

Wo Wissen per Hightech materielle Gestalt annimmt

Generell habe sich die Funktion von wissenschaftlichen Bibliotheken schon sehr gewandelt und verändere sich weiter: Weg von bloßen Buchverwahr- und Lesestationen hin zu „Orten der Kommunikation und der Zusammenarbeit“, zu Kompetenz- und Beratungszentren für elektronische Publikation, für die Langzeitarchivierung digitaler Ressourcen, aber auch zu kreativen Orten, in denen ideelles Wissen durch 3D-Drucker und Laser materielle Gestalt annehme. Von daher rechnet Bürger auch mit einer künftig noch wachsenden Bedeutung des „Maker Space“ in der SLUB, in der einige solche Hightech-Bastelmaschinen bereits für Besucher bereit stehen. Die Veränderungen werden wohl in vielen kleinen Schritten kommen. „Insofern wird die Renovierung nicht nur eine bauliche sein, sondern auch eine organisatorische“, betonte der Generaldirex.

Voerst noch allein, da ein Prototyp: Der "SLUB Outdoor Lounger" as Karbon-Beton soll Lesenden Entspannung verschaffen. Abb.: Paulsberg OHG

Voerst noch allein, da ein Prototyp: Der „SLUB Outdoor Lounger“ as Karbon-Beton soll Lesenden Entspannung verschaffen. Abb.: Paulsberg OHG

Aus Fusion von Uni- und Landesbibliothek entstanden

Die SLUB war 1996 aus der Fusion von Unibibliothek und Landesbibliothek entstanden. 2002 bezog sie einen 90 Millionen Euro teuren Neubau am Zelleschen Weg in Dresden. Dort betreibt sie auch ein deutschlandweit führendes Digitalisierungszentrum. Die Bibliothek verwahrt rund 5,44 Millionen Bände, 4,22 Millionen Bilddokumente und zahlreiche weitere Medien.

Die Scan-Roboter der SLUB digitalisieren bis zu 500 Buchseiten pro Stunde. Abb.: SLUB

Die Scan-Roboter der SLUB digitalisieren bis zu 500 Buchseiten pro Stunde. Abb.: SLUB

Die Zahl der physischen Entleihungen sank im Jahr 2015 um acht Prozent auf 1,74 Millionen. Dafür verzeichneten die Digitalen Sammlungen 5,4 Millionen Volltext-Downloads, das waren 7,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Die elektronischen Seitenaufrufe legten gleichzeitig um 18,7 Prozent auf 3,53 Millionen zu.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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