Alle Artikel in: Geschichte

Wirtschaftsgeschichte & Co.

Hat 2011 ihren Bachelor für Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig gemacht und weiß Bescheid, wie es in der DDR war: Christina Schwarz. Foto: Greta Hartmann für die uni Leipzig

Nachwuchs-Forscherin: DDR und Corona zu vergleichen ist „neurechts“

Kulturwissenschaftlerin: Nur kleiner Teil der Ostdeutschen fühlt sich bevormundet, Selbstbild als Umstürzler ist letztlich demokratiefeindlich Leipzig, 28. September 2020. Wer sich durch den Corona-Ausnahmezustand, durch Reiseverbote und Demonstrationsverbote, durch Schlangen und leere Regale in den Geschäften und andere Phänomene während der Pandemie an die DDR erinnert fühlt und beides „gleichsetzt“, der liegt nach Meinung der Kulturwissenschaftlerin Christina Schwarz von der Uni Leipzig falsch. Denn: „Solche Gleichsetzungen sind gängige Argumentationsmuster neurechter Akteure bis hin zu Neonazis“, kritisiert sie.

Der Einband von "Wir sind ein Volk! – Oder? Die Deutschen und die deutsche Einheit", herausgegeben von Freya Klier. Abb.: Herder-Verlag

„Die einen wurden Lehrmeister, die anderen Lehrlinge“

Im Sammelband „Wir sind ein Volk! – Oder?“ reflektieren 20 Akteure 30 Jahre deutsche Einheit Herbert Wagner kann sich noch gut an diesen Vorabend der deutschen Wiedervereinigung vor 30 Jahren entsinnen: Der Elektronikingenieur war Oberbürgermeister von Dresden geworden und saß nun in seinem Dienstzimmer und lauschte der neuen Zeit entgegen: „Vor dem Dresdner Rathaus flogen vereinzelte Feuerwerkskörper“, erinnert er sich an den 2. Oktober 1990. „Wer nicht bis Mitternacht warten konnte, ließ bereits die Sektkorken knallen.“

Die Hartmann-Lok Burgk Nr. 239 mit einem Güterwagen. Repro (hw) aus: Jürgen Schubert: Die Hänichener Kohlenbahn“/ Heimatmuseum Burgk

Meisterwerk sächsischer Eisenbahnkunst

Jürgen Schubert legt profunde Darstellung zur Geschichte der von Oberingenieur Guido Brescius konzipierten Hänichener Kohlenbahn vor Dresden. „Meine Verdauung kommt so pünktlich wie ein Zug in Deutschland“ – dieser Ausspruch des genialen Sonderlings und Eisenbahnfreaks Sheldon Cooper aus der US-Fernsehserie „The Big Bang Theory“ beweist einmal mehr, dass Drehbuchschreiber in Hollywood sehr klischeehafte Vorstellungen von Deutschland haben. Einheimische Kunden wissen, dass es mit der Pünktlichkeit bei der Bahn nicht mehr weit her ist.

Regionalgeschichts-Forscher Ivo Saganić in der Mitte August 2020 eröffneten neuen Dauerausstellung zur Öl-Destillerie Linardi. Foto: Magrit Dittmann-Soldičić/ http://stivantango.blogspot.com

Dresdner Destillierapparate am Meeresgrund vor Cres?

Dauerausstellung auf der Adria-Insel berichtet über das Destillier-Unternehmen „Linardi“ Dresden/Cres, 26. August 2020. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte eine Dresdner Firma – Volkmar Hänig & Comp., damals Zwickauer Straße – der Manufakturwirtschaft auf den Inseln der Kvarner Bucht in der Nordadria auf die Beine geholfen, wie unser Gastautor Mathias Bäumel auf unserem Portal Oiger im Sommer 2019 beschrieben hat. Ein Taucher hat nun berichtet, dass er am Grund der Bucht Zylinder entdeckt hat, die womöglich zu einer über 100 Jahre alten Destillier-Anlage aus Dresden gehören.

Entwurf zum Detailabschnitt "Tod des Generals Kraußhaar" für das Dresdner Panorama "Erstürmung von St. Privat am 18. August 1870" von Louis Braun. Repro (hw) aus: Ausstellungskatalog „Krieg. Macht. Nation, Sandstein-Verlag

Das Virtual-Reality-Kino der Kaiserzeit

1883 sorgte in Dresden das Rundbild „Die Erstürmung von St. Privat“ für Furore Dresden, 24. August 2020: Raffinierte 360-Grad-Panoramen mit 3D-Effekten sind keine Erfindung des Digitalzeitalters: Schon zu Kaiser Zeiten erfreuten sich Rundgemälde, auf denen Schlachten gezeigt wurden, großer Beliebtheit. Ein reichliches Jahrzehnt nach der Reichsgründung sorgte beispielsweise in Dresden ein Schlachten-Panorama, das ganz besonders den sächsischen Beitrag zum deutsch-französischen Krieg heraussstreichen sollte, für Furore.

Der Politikwissenschaftler Henry Krause ist seit Sommer 2020 Vorsitzender im Trägerverein der Gedenkstätte in der ehemaligen MfS-Bezirksverwaltung Dresden. Foto: Pawel Sosnowski für den Trägerverein

Neue Spitze für Gedenkstätte in Ex-Stasi-Zentrale Dresden

Der Politologe Krause folgt auf Ex-OB Wagner Dresden, 14. Juli 2020. Der Politologe Henry Krause ist neuer Vorsitzender im Trägerverein der Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden. Das hat der Verein „Erkenntnis durch Erinnerung“ mitgeteilt. Krause löst den ehemaligen Dresdner Oberbürgermeister Herbert Wagner ab, der nicht mehr kandidieren wollte.

Dampfmaschine in einer Nussschale von 1893. Foto: Ralph Köhler für die SKD

Vom Berggeschrey zum Chip: 500 Jahre sächsische Industrietradition

Landesausstellung zeigt an sieben authentischen Schauorten die Boomphasen und Talfahrten der Wirtschaft in Sachsen Zwickau, 10. Juli 2020. Eine Dampfmaschine in der Nussschale, eine Maschinengewehr-Kamera und ein vibrierender, unermüdlich webender Textilmanufaktur-Saal sind nur einige der vielen technischen und künstlerischen Attraktionen, mit denen die heute in Zwickau eröffnete 4. Sächsische Landesausstellung „Boom. 500 Jahre Industriekultur in Sachsen“ aufwartet. Bis zum 31. Dezember 2020 können die Besucher an sieben authentischen Schauorten den industriellen Weg Sachsens vom „Berggeschrey“ bis zur Gegenwart erleben und sehen.

„Ritter der Revolution“, Arad, Rumänien, Dezember 1989, Foto: Mirko Krizanovic, F.A.Z., aus der Ausstellung "1989 Zeitenwende", SLPB

Der Umbruch 1989 im Foto-Fokus

Online-Ausstellung über die Zeitenwende im Ostblock in Aufnahmen des FAZ-Fotografen Mirko Krizanovic Dresden, 28. April 2020. Unter dem Titel „1989 Zeitenwende: Zwischen Friedlicher Revolution und Gewalt“ hat die sächsische Landeszentrale für politische Bildung (SLPB) heute in Dresden eine Fotoausstellung über die Umbrüche vor drei Jahrzehnten eröffnet – wegen der corona-Pandemie allerdings „nur“ als Internet-Schau. Die Exposition fokussiert sich darauf, wie unterschiedlich – mal gewaltlos und mal gewaltsam – der Zusammenbruch des Ostblocks und der kommunistischen Regime in der DDR, in Tschechien, Jugoslawien, Rumänien und anderen Ländern verlaufen ist. Zu sehen sind unter der Adresse slpb.de/zeitenwende insgesamt 43 zeitgenössische Aufnahmen des FAZ-Fotografen Mirko Krizanovic, die die Momente dieser Zeitenwende dokumentieren. Die Texte dazu hat der Dresdner Historiker Tim Buchen verfasst.

Die "Svalbard"-Radaranlage aus dem "Eiscat"-Programm, für das sich schon in den 1980er Jahren die Stasi interessierte. Foto: Togr, Wikimedia, CC3-Lizenz, creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Die Spione, die aus dem Norden kamen

Der finnischer Historiker Kimmo Elo hat mit moderner Datenanalyse alte Netzwerke der Stasi in Skandinavien rekonstruiert – und die Ergebnisse in Dresden vorgestellt. Dresden, 27. Februar 2020. Den ostdeutschen Genossen dabei helfen, den forschungsmäßigen Anschluss ans Westniveau zu finden? Klar: Als ihn dieser DDR-Kollege mit dem Decknamen „Rudolf“ von der Uni Jena 1982 danach fragte, war das für Dr. Onni Mäkinen* eine Frage der Ehre. Und vielleicht, so hoffte der finnische Kommunist und Physiker, würde ihm die legendäre „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HVA) sogar dabei helfen, manch reaktionäres Element an seiner Uni zu neutralisieren, das seiner akadamischen Karriere schon seit Jahren im Wege stand. So kam es, dass der Stasi-Abgesandte wenig Mühe hatten, Mäkinen eines Abends alkoholisch abzufüllen und ihn zur Kooperation mit dem ostdeutschen Geheimdienst zu verpflichten. Selbst als der frischgebackene „IM Larsen“ aus seinem Rausch aufwachte, widerrief er die Verpflichtungserklärung nicht – und lieferte fortan bis kurz vor dem Zusammenbruch der DDR allerlei wichtige wie unwichtige Informationen nach Ostberlin… Pekka, Lanze und Larsen spionierten für Ostberlin Der finnische Forscher Dr. Kimmo Elo von der Universität …

Da kam es auf jede Speicherzelle an, die sich mit dem "Poke"-Befehl direkt beschreiben ließ: Der Heimcomputer "Z 9001" von Robotron musste in Kleincomputer KC85/1 umbenannt werden, da das Gerät recht rasch wieder aus dem Handel verschwand und nur noch an "gesellschaftliche Bedarfsträger" berkauft wurde. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

„Für mich war der Computer eine erstaunliche Zauberkiste“

Das Buch „Computer in der DDR“ von René Meyer liefert einen profunden Abriss über die ostdeutsche Rechentechnik und ihre Hypes. In den 1980er Jahren erfasste ein nahezu pandemischer Virus große Teile der ostdeutschen Jugend – ein eher gutartiger indes: Immer mehr Menschen in der DDR wollten auch wie die deutschen auf der anderen Seite der Grenze jene wundersamen Maschinen haben, die man Heimcomputer nannte. Und nachdem die ersten Westgeräte per Intershop und A&V-Laden in das Land einsickerten und schließlich auch Robotron Dresden und der VEB Mikroelektronik „Wilhelm Pieck“ Mühlhausen eigene „Kleinstcomputer“ entwickelt hatten, gab es kein Halten mehr: Große Teile des DDR-Volkes verwandelten sich in Computer-Nerds… Wie das kam und was dahinter steckte, hat der Leipziger Autor René Meyer in „Computer in der DDR“ zusammengetragen. Erhältlich ist dieses sehr informative und gut recherchiere Buch gegen eine Versandpauschale, aber ansonsten gratis bei der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen.

Die Yenidze in Dresden im Jahr 1996. Foto: Franz Zadnicek, via Stadtmuseum Dresden

Der verflogene Tabakrausch von Dresden

Stadtmuseum plant Sonderschau über die einstige Zigarettenmetropole Dresden, 29. Januar 2020. Einst war die sächsische Residenzstadt eine der wichtigsten Tabakmetropolen des Reiches: „Hier entstanden die erste deutsche Zigarettenfabrik und mit der ,Yenidze’ der berühmteste Reklamebau Europas“, erinnern die Kuratoren des Stadtmuseums Dresden an jene Zeit. „Dresden war Sitz von Industriellenverbänden und des Instituts für Tabakforschung, Verlagsort für Fachblätter und Zentrum des Orienttabakhandels in Mitteleuropa. Innovationen waren die Strangmaschine, der Zigarettenfilter und die Werbekunst der Moderne.“ Eben dieser längst verflossenen Epoche widmet das Stadtmuseum Dresden in diesem Jahr eine Sonderausstellung: „TABAKRAU(S)CH an der Elbe. Geschichten zwischen Orient und Okzident“ öffnet am 12. September 2020 im Landhaus an der Wilsdruffer Straße.

Regale voller Schädel im ehemaligen Foltergefängnis S-21 in Phnom Penh. Nach der Terrorherrschaft der Roten Khmer hatte so gut wie jede Familie in Kambodscha einen oder mehrere aus ihrer Mitte verloren. Solche Traumata vergisst eine Gesellschaft auch nach Jahrzehnten nicht. Foto: Heiko Weckbrodt

Bombenkrieg, Pol Pot, Mandela: Tagung über große Traumata in Dresden

Adenauer-Stiftung lädt zur Analyse schmerzender gesellschaftlicher Erinnerungen  nach Dresden Dresden, 3. Januar 2020. Was ist Ländern wie Kambodscha, Chile, Uganda oder Chile gemein? Kollektive Gewalterfahrungen, die als gesellschaftlche Traumata bis heute nachwirken.  Historiker, Journalisten und Politiker aus diesen Staaten wollen am 13. Februar in Dresden darüber diskutieren. Denn 13. Februar ist alljährlich ein Anlass, über die Zerstörung Dresdens nachzudenken – und über die zwiespältige Erinnerungs- und Gedenkkultur rund um dieses Datum. Daher hat die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung diesmal für den 13. und 14. Februar Poltiker, Journalisten und Forscher aus aller Welt zu einer Tagung „Schmerzhafte Erinnerung“ in das Rathaus Dresden eingeladen.

Die Deutsche Fotothek hat inzwischen viele ihrer Bilder digitalisiert. Die Archivare wollen die Fotos und Gemälde dadurch einfacher für die Öffentlichkeit zugänglich machen und sie für die Nachwelt sichern. Abb.: Bildschirmfoto

Fotoinstitut in Düsseldorf statt Dresden

Bund setzt nun doch auf zentrale Lösung für Kulturgut-Erhalt. Der Chef der Deutschen Fotothek in Dresden sieht darin eine überraschende Wendung. Dresden, 9. Dezember 2019. Bei der Deutschen Fotothek in Dresden hat die Entscheidung des Bundes, ein „Deutsches Fotoinstitut“ in Düsseldorf anzusiedeln, für Überraschung gesorgt. Eigentlich habe das Bundeskulturministerium zunächst eine Studie über die Zukunft der Fotoarchive in Deutschland in Auftrag gegeben, die erst 2020 vorliegen sollte, berichtete Fotothek-Leiter Jens Bove. „Erstaunlich und wirklich überraschend ist, dass über einen Neubau und über die Standortfrage entschieden worden ist, bevor die vom BKM beauftragte Studie überhaupt vorliegt“, schätzte er auf Oiger-Anfrage ein.

Königin oder Göttin aus Rosengranit aus der Regierungszeit von Ramses II. Foto: Universität Leipzig

Sächsische Archäologen graben sich bis in die Zeit vor Ramses

Rund 5500 Jahre alte Brauerei unter dem heutigen Kairo gefunden Kairo/Leipzig, 7. Dezember 2019. Sächsische und ägyptische Archäologen haben bei Not-Grabungen in Kairo diverse Relikte ausgegraben, die bis in jene Zeit zusammenreichen, als das alte Ägypten noch nicht unter einem Pharao vereinigt war. Das Team entdeckte beispielsweise die Feuerungsanlage für einen Brauerei, die vor etwa 5500 Jahren geistige Getränke herstellte. Das hat Grabungsleiter Dr. Dietrich Raue von den Uni Leipzig nun mitgeteilt.

Was war von der DDR-Wirtschaft - hier ein Blick auf Takraf-Tagebautechnik - zu retten und was nicht? Hätte die Treuhand mit mehr Zeit und anderer Ausstattung mehr Betriebe transformieren können? Die Bilanz ist weiter umstritten. Foto: Heiko Weckbrodt

Treuhand-Debatte in Dresden

Forscher, Ex-Treuhänder und Alt-Politiker wollen im Hygienemuseum eine historische Bilanz der in Ostdeutschland immer noch stark umstrittenen Anstalt ziehen. Dresden, 22. November 2019. Sie galt vielen Ostdeutschen als verhasster Arbeitsplatzvernichter und Zerstörer, den meisten westdeutschen Politikern hingegen als nötiges Instrument, um eine marode Volkswirtschaft abzuwickeln, auf dass auf diesem Boden blühende Landschaften erwachsen. Die Rede ist von der Treuhand-Anstalt, 1990 gegründet als „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“. Auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung versuchen sich nun Wissenschaftler, Journalisten, Politiker und ehemalige Treuhand-Akteure an einer Bilanz: Unter dem Titel „Die Treuhand in der Diskussion“ wollen sie sich am 10. Dezember 2019 im Deutschen Hygienemuseum in einem Expertengespräch über „Stand und Perspektiven der Forschung“ über die Treuhand austauschen.