Bildung, Halbleiterindustrie, News, zAufi

Deutschland braucht eine Mikroelektronik-Akademie für seine Chip-Aufholjagd

Prof. Hubert Lakner. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Hubert Lakner. Foto: Heiko Weckbrodt

Fraunhofer-Institutschef Lakner fordert mehr Ausbildungs-Ressourcen

Dresden/Berlin, 9. Februar 2024. Angesichts der jüngsten, teils subventionsgetriebenen Wachstumsschübe in der Halbleiter-Industrie braucht die Bundesrepublik eine Mikroelektronik-Akademie für ganz Deutschland. Das hat Prof. Hubert Lakner, der Leiter des Fraunhofer-Photonikinstituts IPMS in Dresden, gefordert. Schwerpunkte dieser Akademie sollen die Umschulung und Weiterbildung von höherqualifizierten Fachkräften für die neuen Chipfabriken in Dresden, Magdeburg, Ensdorf und an anderen deutschen Standorten sein.

Parallele Akademie-Initiativen in Dresden und Berlin

Um solch eine Akademie zu etablieren, gab und gibt es bereits mehrere Initiativen: Einerseits existiert in Dresden-Klotzsche bereits seit Jahren eine „Dresden Chip Academy“ (DCA), die vor allem bis zur Qimonda-Pleite sowohl Facharbeiter für die sächsischen Halbleiterfabriken ausgebildet wie auch bereits tätige Mikroelektroniker weitergebildet hat. Seit der letzten großen Chipkrise liegt deren Fokus stärker auf der Berufsausbildung. Bereits in der konkreten Planung ist nun ein „Sächsisches Ausbildungszentrum Mikroelektronik“ (Sam), um solche Berufsausbildungen in Sachsen zu bündeln und auszubauen. Außerdem hat der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bereits mehrfach eine neue Chipakademie im Freistaat angekündigt. Die Abgrenzung zum geplanten „Sam“ ist zwar immer noch nicht ganz klar. Aber anscheinend handelt es sich um ein Parallelprojekt, das die – in der alten DCA etwas eingeschlafene – Erwachsen-Bildung für die Halbleiterindustrie reanimieren soll, also Umschulungen und Weiterbildungen.

Die neue Mikroelektronik-Akademie soll für mehr und besser ausgebildete Fachkräfte in der deutschen Halbleiterbranche sorgen. Foto/Montage: FMD

Eine deutschlandweite Mikroelektronik-Akademie soll für mehr und besser ausgebildete Fachkräfte in der deutschen Halbleiterbranche sorgen. Foto/Montage: FMD

Forschungsfabrik baut virtuelle Akademie an wichtigen Halbleiter-Standorten auf

Außerdem haben die Fraunhofer-Gesellschaft und deren virtuelle „Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland“ (FMD), an deren Aufbau seinerzeit Lakner maßgeblich beteiligt war, Ende 2022 ebenfalls ein Akademie-Projekt gestartet: Diese „Mikroelektronik-Akademie“ ist ähnlich wie die FMD als dezentraler, über ganz Deutschland verteilter Verbund konzipiert. Der Hauptsitz befindet sich in Berlin, die Außenstellen in Dresden, Frankfurt an der Oder, Chemnitz, Itzenhoe, München, Erlangen, Freiburg, Wachtberg und Duisburg. Sie soll laut FMD „neue Inhalte und Formate zur Ausbildung von Fachkräften auf dem Gebiet der Mikro- und Nanoelektronik entwickeln und erproben“. Außerdem soll sie die universitäre Ausbildung von Mikroelektronik-Fachkräften unterstützen, Zusatzqualifikationen für bereits angestellte Mitarbeiter anbieten, sich vor allem der Aus- und Weiterbildung „für Beschäftigte im Bereich Mikroelektronik sowie für den wissenschaftlichen Nachwuchs“ widmen.

BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Foto: Christian Kruppa für den BDI

BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Foto: Christian Kruppa für den BDI

Auch BDI fordert mehr Aus- und Weiterbildung

Wie sehr der Fachkräftemangel das aktuelle Wachstum der deutschen Halbleiter-Industrie ausbremsen könnte, darauf hatten auch schon der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) und der Zentralverband der deutschen Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) hingewiesen: „Angesichts des Mangels an Spezialisten ist die durch die EU angestrebte Steigerung der Produktionskapazitäten auf 20 Prozent des weltweiten Volumens bis 2030 unrealistisch“, warnte BDI-Präsident Siegfried Russwurm schon im März 2023. „Wenn Europa seine Halbleiterproduktion signifikant steigern will, müssen Privatwirtschaft und Mitgliedsstaaten verstärkt in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften investieren.“

Silicon Saxony: Chipfirmen müssen mehr Schülerpraktika anbieten

Speziell in Sachsen geht der Verband „Silicon Saxony“ davon aus, dass die Zahl der Beschäftigten in den Hochtechnologie-Branchen von jetzt 76.100 bis 2030 auf etwa 102.000 steigen wird. Bis dahin werden also rund 26.000 neue Fachkräfte benötigt – etwa die Hälfte von in der sächsischen Mikroelektronik. Um diesen Bedarf zu decken, sieht „Silicon Saxony“-Geschäftsführer Frank Bösenberg die besten Aussichten in einem Lösungs-Mix aus mehr Ausbildung, Zuwanderung sowie zusätzlicher Erwerbstätigkeit von Frauen und Senioren. Dabei dürften die Unternehmen aber nicht auf Steilvorlagen der Politiker warten: „Ich kann immer wieder nur an unsere Halbleiter-Firmen appellieren: Bieten Sie zum Beispiel mehr Schülerpraktika an!“, sagte er. Denn wer Schüler und Studenten beizeiten ans eigene Unternehmen binde, verbessere die Chancen, diese jungen Menschen später auch als Fachkräfte zu gewinnen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IPMS, Silicon Saxony, Mikroelektronik-Alumni, FMD, ZVEI, BDI, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt