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Chipindustrie muss Fachkräftemangel systematisch angehen

Zwei Mitarbeiter beäugen Chipscheiben (Wafer) im Reinraum der Globalfoundries-Chipfabrik Dresden. Foto: Globalfoundries

Foto: Globalfoundries

Ex-Ausbilder schlägt auch Mini-Chipfabrik für Schüler im Technikmuseum Dresden vor

Dresden, 3. Mai 2023. Bis 2030 brauchen die Hochtechnologie-Industrie im Dreieck Dresden-Chemnitz-Freiberg 27.000 zusätzliche Fachkräfte. Das hatte der Branchenverband „Silicon Saxony“ zu Jahresbeginn 2023 in einem Strategiepapier beziffert. Und durch die neuen Fabriken von Infineon und womöglich bald auch von TSMC dürfte diese Nachfrage sogar noch schneller steigen. Dieser Bedarf wird sich aber wohl nur durch ein Zusammenspiel von mehreren Strategien halbwegs decken lassen: Ältere Erfahrungsträger sollen länger im Arbeitsleben bleiben, Frauen soll es leichter werden, Arbeit und Familie zu vereinen. Dazu müssen qualifizierte Zuwanderung sowie gezielte Nachwuchs-Akquise und -Ausbildung im Inland kommen. Wie gut letzterer Punkt funktionieren kann, wenn er nur systematisch verfolgt wird, hat die Chipbranche in Dresden bereits früher schon bewiesen: mit der „Dresden Chip Academy“ (DCA). Darauf hat der frühere DCA-Ausbilder Dr. Winfried Kempe bei bei einem Treffen ehemaliger sächsischer Mikroelektroniker in den Technischen Sammlungen Dresden (TSD) aufmerksam gemacht.

Siemens stieg früh in Dresden in Ausbildung von Mikrotechnologen und Mechatronikern ein

„Ende der 1990er Jahre entwickelten sich gerade mit dem Mikrotechnologen und dem Mechatroniker zwei neue Berufe, die für die Mikroelektronik besonders wichtig waren“, erinnert sich Kempe. Das bekam für den Elektrokonzern Siemens, der in Dresden bereits seit 1992 Berufsausbildung betrieb, eine besondere Relevanz. Denn 1994 hatte die Siemens-Tochter Simec in der sächsischen Landeshauptstadt ein großes Halbleiterwerk aufgebaut. Daraufhin baute Siemens 1998 nahe am Dresdner Flughafen in einem ehemaligen Elektromat-Gebäude eine Ausbildung für eben diese zwei neuen Berufe auf. Diese Azubi-Schmiede war sogar mit eigenen Reinräumen ausgestattet, in denen die Lehrlinge probeweise auch eigene Chips auf 100 Millimeter großen Siliziumscheiben (Wafer) erzeugen konnten.

Wechsel zu Infineon und dann zur Speicherchipschmiede Qimonda

Nachdem Siemens 1999 seine Halbleitersparte unter dem Namen „Infineon“ ausgegliedert hatte, kam auch diese Dresdner Ausbildungsstätte in Infineon-Regie und hieß ab 2002 „Dresden Chip Academy“. 2004 drehte sich das Ausgründungs-Karussell weiter und Infineon spaltete seine Speicherchip-Sparte unter dem Namen „Qimonda“ ab. Die entwickelte sich zunächst sehr dynamisch, arbeitete an vorderster technologischer Front, hatte großen Nachwuchsbedarf – und übernahm 2006 die DCA. Drei Jahre später jedoch ging Qimonda pleite. Nach einem kurzen Intermezzo mit einer Chemnitzer Firma übernahm 2009 die Cottbusser FAA Bildungsgesellschaft – aus der inzwischen die „SBH Nordost GmbH“ geworden ist – die DCA. Hinter der SBH steht wiederum die „Stiftung Bildung & Handwerk“ aus Paderborn.

Zwei eigene Reinräume für künftige Chipwerker

Jenseits dieses Besitzer-Hickhacks bildet die DCA aber weiter Azubis vor allem für die Chipindustrie und verwandte Branchen im Silicon Saxony aus – vor allem Mechatroniker und Mikrotechnologen. Mit der Zeit kam auch ein zweiter Reinraum hinzu, so dass die angehenden Chipwerker neben den Kernprozessen der Halbleiterfertigung („Frontend“) auch die Endmontage und Kontaktierung („Backend“) der Schaltkreise praktisch üben konnten. „Dadurch war es im Prinzip möglich, nahezu die gesamte Kette der Chipproduktion in der Ausbildung zu zeigen“, erzählt Kempe. Das Ausbildungsniveau sei immer so hoch gewesen, das die DCA-Lehrlinge nicht nur von Qimonda und Infineon, sondern auch von AMD beziehungsweise Globalfoundries, X-Fab, Infratec und anderen Halbleiterunternehmen übernommen worden seien.

Wie cool bist Du? Wärmebildkameras spiegeln die Besucher als Thermografie. Foto: Heiko Weckbrodt

Wie cool bist Du? Wärmebildkameras spiegeln die Besucher in der CoolX-Ausstellung in den TSD als Thermografie. Foto: Heiko Weckbrodt

Schon bei Schülern Interesse für Hightech wecken

Um künftig mehr Nachwuchs für die sächsische Halbleiterindustrie zu gewinnen, schlägt er vor, schon bei den Schülern anzusetzen: So habe er gemeinsam mit anderen ehemaligen Mikroelektronikern „(Alumni“) den Technischen Sammlungen Dresden vorgeschlagen, im dem Technikmuseum eine Art Mini-Chipfabrik einzurichten, in dem Schüler die Fertigung eigener Schaltkreise zumindest ansatzweise erproben können. Dies lasse sich beispielsweise als „Halbleiter-Tagespraktikum“ realisieren und durch Alumni fachlich betreuen. Auch Führungen durch die Mikroelektronik-Ausstellungen der TSD, Vorträge an den Schulen, Praktika in den DCA-Reinräumen und dergleichen mehr seien sinnvoll.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Interview und Vortrag Kempe, Strategiepapier Silsax, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt