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Dresdner Strahlenmedizin-Akteure schließen sich zusammen

Radiopharmaka-Produktion in der Firma "Rotop" in Rossendorf. Foto: Rotop

Radiopharmaka-Produktion in der Firma „Rotop“ in Rossendorf. Foto: Rotop

Akademiker und Praktiker wollen Technologietrend hin zu „Radionuklid-Liganden“ mitformen

Dresden, 23. Oktober 2023. Die seit Jahren wachsende strahlenmedizinische Branche im Raum Dresden-Radeberg hat ein „Rubin“-Bündnis geknüpft: Die acht Gründungspartner wollen durch das „Sächsische Netzwerk für Radionuklid-Theranostika“ (SNRT) gemeinsam Innovationen in der Nuklearmedizin vorantreiben und die Leistungskraft der sächsischen Unternehmen sowie Institut in diesem Sektor deutschlandweit und international sichtbarer machen. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) hat dem neuen Bündnis zwölf Millionen Euro Anschubfinanzierung versprochen. Dies geht aus einer Mitteilung des „Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf“ (HZDR) hervor, das als Nukleus dieser Branche im Großraum Dresden gilt.

Dresden will sich als führender europäischer Standort für Radionuklid-Theranostika etablieren

„Entstehen soll ein regionales unternehmerisches Bündnis für Innovation“, kündigte das HZDR an. Die Region in und um Dresden habe eine im internationalen Vergleich hervorragende Chance, „lokale Wertschöpfungsketten zu etablieren und aufzubauen, um sich zum führenden europäischen Innovations- und Produktionsstandort für Radionuklid-Theranostika zu entwickeln“, betonte Direktor Prof. Klaus Kopka vom HZDR-Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung.

Schwach strahlende Isotope anfangs vor allem für Tumor-Ortung genutzt

Zwar setzen Onkologen schwach radioaktive Präparate schon seit Jahrzehnten ein, um Tumore und andere Anomalien im Körper eines Patienten besser erkennen zu können und zu behandeln. Inzwischen zeichnen sich für diese Radionuklide aber weiterführende Perspektiven als „Theranostika“ ab, die präzise Diagnose, Ortung und die Zerstörung von Krebswucherungen kombinieren. Dafür kommen Liganden genannte Schlüsselmoleküle zum Einsatz, die sich an ganz bestimmte Krebszellen andocken und dort dann ihre radioaktive Fracht möglichst genau dosiert freisetzen. Damit lassen sich selbst sehr kleine Tumore erkennen und im Frühstadium bekämpfen.

Radio-Theranostika im Kommen

Diese „Radionuklid-Liganden“ erfordern freilich viel medizinische und technologische Expertise – und die hat eben im Großraum Dresden Traditionen, die bis in die DDR-Zeit zurückreichen. Denn schon als das HZDR noch ein Akademieinstitut war, war es mit seinen kerntechnischen Anlagen der zentrale Radionuklid-Lieferant für Krankenhäuser in der ganzen DDR. Zudem kooperierte das Rossendorfer „Zentralinstitut für Kernphysik“ (ZfK) schon damals mit der Medizinischen Akademie (Medak), aus der nach der Wende das Unklinikum Dresden wurde.

CUP-Chef Dirk Freitag-Stechl hat seine Labore in Radeberg ausgebaut. Foto: Heiko Weckbrodt

CUP-Chef Dirk Freitag-Stechl hat seine Labore in Radeberg ausgebaut. Foto: Heiko Weckbrodt

Rund 1000 Jobs hängen an Nuklearmedizin-Tech im Großraum Dresden

Inzwischen haben HZDR und Uniklinik diese Zusammenarbeit verbreitert. Zudem haben sich in und um Dresden mehrere Unternehmen ausgegründet und angesiedelt, die auf die eine oder andere Weise mit strahlenmedizinischen Präparaten zu tun haben. So gehören zu den Gründern des neuen Rubin-Bündnisses neben dem HZDR und der Hochschulmedizin der TU Dresden auch die Radiopharmaka-Firma „Rotop“ aus Rossendorf, das CUP-Labor von Dr. Freitag in Radeberg, die Biotype sowie ihre Schwesterfirma Qualitype aus Dresden-Hellerau, der Verein „VKTA – Strahlenschutz, Analytik und Entsorgung Rossendorf“ sowie die medizintechnische Automatisierungs-Firma „Jähne“ aus Dresden. Das BMBF nennt außerdem als neuntes Startmitglied noch die „Trimt GmbH –Entwicklung von Radiotheranostik“. Insgesamt beschäftigt das „Radiopharmaceutical Valley Saxony“ im Dreieck Dresden – Radeberg – Rossendorf mittlerweile rund 1000 Menschen, schätzt das HZDR.

Hochautomatisiert füllen Mensch und Roboter gemeinsam Radiopharmaka in der Rotop Radiopharmacy in Dresden-Rossendorf ab. Foto: Rotop

Hochautomatisiert füllen Mensch und Roboter gemeinsam Radiopharmaka in der Rotop Radiopharmacy in Dresden-Rossendorf ab. Foto: Rotop

Das neue Netzwerk wolle medizinische Radionuklide in ausreichender Menge für Studien und die klinische Praxis verfügbar machen, erklärt HZDR-Innovationsmanagerin Dorit Teichmann. „Um darüber hinaus Entwicklungen mit neuen Radionukliden zu ermöglichen, ist es Ziel des Bündnisses, alle Prozesse von der Forschung bis zum Einsatz in den Kliniken regional zu konzentrieren und so optimale Bedingungen für die Herstellung nuklearmedizinischer Arzneimittel in Sachsen zu bieten.“

Dr. Robert Wodtke (links) und Dr. Martin Kreller am Zyklotron des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), das in den Nachtschichten das Radionuklid Iod-123 für Rotop extrahiert. Foto: HZDR/André Wirsig für das HZDR

Dr. Robert Wodtke (links) und Dr. Martin Kreller am Zyklotron des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), das in den Nachtschichten das Radionuklid Iod-123 für Rotop extrahiert. Foto: HZDR/André Wirsig für das HZDR

Einzigartige Dichte an einschlägigen Firmen

Das Bundesforschungsministerium verspricht sich viel von dem neuen Radiopharmazie-Verbund in Sachsen: „Die Dichte an einschlägigen Firmen ist deutschlandweit einzigartig“, schätzt das Ministerium ein. Von daher könne sich „die Region Dresden langfristig zu einem europäisch führenden Innovationsstandort für Radionuklidtheranostik mit einem breiten Angebot von Produkten und Dienstleistungen“ entwickeln.

Neue Beschleuniger und Isotope geplant

Auch einige konkrete Projekte stehen schon auf der SNRT-Agenda: Neben den Isotopen Fluor-18 für die Knochenmetastasen-Diagnose, Iod-123 für die „Parkinson“-Diagnose und Kohlenstoff-11 für Positron-Tomographen wollen die Partner künftig spezielle Theragnostik-Radionuklide herstellen und für den klinischen Einsatz aufbereiten. Dazu gehört zum Beispiel Luthetium-177, das bisher weltweit nur in sehr begrenzten Mengen in Forschungsreaktoren gewonnen wird. Um das zu ändern, möchten die Sachsen auch neue Typen von Zyklotronen, Rhodotron-Elektronenbeschleunigern und andere Beschleunigertechnologien sowie dazugehörende Ziele (Targets) konstruieren beziehungsweise weiterentwickeln. Von daher ist zu erwarten, dass zu den Gründern künftig weitere Akteure zum Beispiel aus dem wissenschaftlichen Anlagenbau dazustoßen könnten.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: HZDR, Oiger-Archiv, BMBF

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt