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Zeitzeugen-Wissen als „tragende Säulen der Industriekultur“ sichern

Akademiker-Alltagsfreuden in der DDR: Das Kollektiv hat ein eigenes Elektronen-Mikroskop! Autor Gerhard Barkleit ist auf dieser Aufnahme in der Mitte im Pullover zu sehen. Foto (bearbeitet): Dr. Gabriele Barkleit

Akademiker-Alltagsfreuden in der DDR: Das Kollektiv hat ein eigenes Elektronen-Mikroskop! Foto (bearbeitet): Dr. Gabriele Barkleit

Landesverband Industriekultur Sachsen plädiert für weitere Befragungen

Chemnitz/Dresden, 14. Januar 2024. Zeitzeugenberichte aus DDR-Betrieben sollten noch stärker als bisher erfragt und für die Nachwelt dokumentiert werden. Dafür plädiert der „Landesverband Industriekultur Sachsen“ (IKU) in seinem Ausblick für das Jahr 2024.

Roland Schwarz, Direktor der Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Direktor Roland Schwarz vor einer rekonstruierten „Zeiss Ikon“-Werbung an einer Außenwand der Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

„Zur Industriekultur in Sachsen gehören auch die Stilllegungen unzähliger Betriebe und das Verschwinden ganzer Branchen in den Jahren nach der deutschen Einheit – und die Erinnerungen der Frauen und Männer, die damals ihre Arbeit verloren und einen dramatischen Bruch in ihrer Berufsbiografie erlebten“, betont Museumsdirektor Roland Schwarz von den Technischen Sammlungen Dresden (TSD), die sich im Industriekultur-Verband seit langem engagieren.

Viele kleine Interview-Projekte setzen ein Puzzle zusammen

„Die mündlichen Überlieferungen und biografischen Erzählungen gehören als Zeitzeugenwissen zu den tragenden Säulen der Industriekultur, sie machen technische Prozesse menschlich zugänglich und in ihren Auswirkungen gesamtgesellschaftlich verständlich“, meint Vorstandsmitglied Anja Nixdorf-Munkwitz. Inzwischen haben es sich laut ihrer Einschätzung zahlreiche Projekte in Sachsen zur Aufgabe gemacht, frühere Beschäftigte der Industriebetriebe nach ihren Erinnerungen an diese Zeit zu befragen und ihre Zeitzeugenberichte zu dokumentieren und zu veröffentlichen. „Darin sehen wir auch einen Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Geschichte der DDR und der Vereinigung sowie deren Nachwirkungen bis in die Gegenwart“, unterstreicht Schwarz.

Zwei Ingenieure testen einen "EC 1055"-Rechner im VEB Robotron-Elektronik Dresden. Abb.: Ulrich Häßler, Bundesarchiv, Wikipedia, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Zwei Ingenieure testen einen „EC 1055“-Rechner im VEB Robotron-Elektronik Dresden. Abb.: Ulrich Häßler, Bundesarchiv, Wikipedia, CC-3-Lizenz

Nach Ex-Robotronern wollen nun auch DDR-Mikroelektroniker ihre Geschichten erzählen

Der Förderverein der TSD beispielsweise sammelt bereits seit Jahren Berichte von Zeitzeugen, die die Geschichte, Technik und den Arbeitsalltag im DDR-Computerkombinat Robotron und weiteren ostdeutschen Rechentechnik-Unternehmen vor der Wende erlebt haben. Auch unterstützen das Dresdner Technikmuseum sowie der Branchenverband „Silicon Saxony“ den „Alumni-Kreis“ ehemaliger sächsischer Mikroelektroniker, die die Dokumentation von Zeitzeugenberichten aus der DDR-Halbleiterindustrie ebenfalls zu einer ihrer Hauptaufgaben auserkoren haben. Auch hier bei Oiger.de sind mehrfach Zeitzeugen mit Berichten aus DDR-Technologiebetrieben zu Wort gekommen. Dazu gehören beispielsweise Artikel über das Megabit-Projekt und die Versuche zur Ionenstrahl-Lithografie.

Der Ionenprojektor, die Feldlinse und Rechentechnik im Jahr 1983 in Dresden. Quelle: Steinbrecher, Repro: Heiko Weckbrodt

Ein Ionenprojektor, die Feldlinse und Rechentechnik im Jahr 1983 in Dresden. Quelle: Steinbrecher, Repro: Heiko Weckbrodt

Doku-Zentrum entsteht in Borna

Außerdem entsteht derzeit in Borna mit Förderzuschüssen von Bund und Land ein „Dokumentationszentrum zur Regional- und Wirtschaftsgeschichte Sachsens“. Ein besonderer Sammelschwerpunkt soll die Geschichte des mitteldeutschen Bergbaus und speziell des Braunkohle-Tagebaus bilden.

Industriekultur-Konferenz in Freiberg geplant

Um den aktuellen Stand dieser und weiterer Sammlungs- und Forschungsprojekte zur sächsischen Industriegeschichte zu debattieren, laden der Landesverband und die Bergakademie Freiberg demnächst zur Konferenz „Industriekultur Quo Vadis? Stand und Perspektiven der Industriekultur und Industriedenkmalpflege in Deutschland“ ein. Am 25. und 26. März 2024 wollen sich die Teilnehmer über die Entwicklungen in verschiedenen Bundesländern austauschen und am „Fahrplan Industriekultur in Sachsen“ weiterarbeiten.

Autor: hw

Quellen: IKU, Oiger-Archiv, Förderverein TSD

Zum Weiterlesen:

Sachsen wollen ihre Industriekultur stärker für Zukunftsthemen einspannen

Technikmuseum Dresden zeigt Schau das bittere Ende von Pentacon

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt