Mikroelektronik-Branche signalisiert bereits Interesse an Meyer-Burger-Personal
Freiberg, 28. März 2024. Industriepolitisch mag das Aus für die Freiberger Solarfabrik von Meyer Burger für die Region und Sachsen ein Verlust sein – soziale Probleme sehen der Freiberger Oberbürgermeister Sven Krüger (parteilos) und Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) daraus kaum erwachsen. Grund: Sie rechnen damit, dass die 400 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen rasch wieder Jobs in Sachsens Mikroelektronik oder anderen Betrieben mit Fachkräfte-Bedarf bekommen. „Ich gehe davon aus, dass alle wieder neue Arbeit bekommen“, erklärte Sven Krüger.
Schon in erster Solarkrise wurde entlassenes Personal bald „aufgesaugt“
Denn die Erfahrungen aus dem ersten Zusammenbruch der mitteldeutschen Photovoltaik-Industrie zeigen: Wer Solarmodule in der Fabrik fertigen kann, ist auch in Chipfabriken und anderen Unternehmen gefragt, bekommt bald wieder einen neuen Arbeitsplatz.
Auch Nischen-Weltmarktführer FCM liebäugelt mit Mitarbeitern aus der Modul-Fab
Der Mikroelektronik-Zulieferer „Freiberger Compound Materials“ (FCM) beispielsweise hat jetzt auch schon Interesse an den ehemaligen Solar-Arbeitern angemeldet. „Wir wachsen und haben daher großes Interesse an neuen Leuten“, bekundet FCM-Chef Michael Harz vom Weltmarktführer für Galliumarsenid-Chipscheiben.
Berufemesse in Freiberg geplant
Freilich ist der Wechsel von einer Branche zur anderen kein Selbstläufer. Deshalb organisieren die kommunalen Wirtschaftsförderer gemeinsam mit Meyer Burger am 23. April 2024 eine Berufemesse für die Fabrik-Beschäftigten: Sie soll die Entlassenen mit einstellungswilligen Unternehmen aus der Region zusammenbringen.
Zweite deutsche Solarkrise durch Überkapazitäten in China und US-Blockadepolitik ausgelöst
Hintergrund der Misere: 2021 hatte der Schweizer Ausrüster „Meyer Burger“ eine ehemalige Fabrikhalle der – während der Solarkrise 2018 pleite gegangenen – „Solarworld“ in Freiberg übernommen, sie neu ausgerüstet und ambitionierte Pläne für eine umfangreiche Solarmodul-Produktion in Sachsen verkündet. Derweil aber fuhr die chinesische Konkurrent ihre Produktion weiter hoch, die USA riegelten im Zuge ihres neuen Protektionismus-Kurses ihre Märkte gegen die Chinesen ab. Die leiteten daraufhin ihre Module massenhaft nach Europa um. Die Folge war ein starker Preisverfall der Module, mit dem die deutschen Hersteller nicht mithalten konnten. Daraufhin forderten die Industrievertreter, aber auch Politiker insbesondere von SPD und Grünen, eine Bevorzugung ihrer Module in Deutschland, Subventionen oder andere protektionistische Abwehrmaßnahmen gegen die Chinesen. Andernfalls werde man gen USA abwandern, drohten Unternehmen wie Meyer Burger. Inzwischen haben die Schweizer ihre Drohung wahr gemacht und die Freiberger Fab, die rund 400 Menschen Beschäftigte, dicht gemacht.
Wirtschaftsminister ärgert sich: Schon der 2. Solar-Exodus aus Mitteldeutschland
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) ist nun empört – allerdings weniger über die Drohungen von Meyer Burger, sondern über die FDP, die in der Bundesampel neue Subventionen oder andere Hilfen für die verlustreichen deutschen Photovoltaik-Fabriken abgeblockt hatte. „Das ist nun schon das zweite Mal, dass sich die deutsche Solarindustrie aus der Region verabschiedet“, ärgerte er sich bei einem Besuch in Freiberg.
Erste Krise 2012 durch Subventionsabbau und Überholkurs der Chinesen ausgelöst
Dabei bezieht er sich auf die erste mitteldeutsche Solarkrise ab 2012. In die war die Photovoltaik-Industrie in Sachsen, Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländern gestürzt, weil sie sich verzettelte, zurückblieb und von den Chinesen technologisch sowie mengenmäßig überholt wurde. Nach dem Abbau der indirekten Subventionen über die EEG-Umlagen war sie nicht mehr wettbewerbsfähig. Dem marktwirtschaftlichen Sensenmann fielen damals Solarworld, Q-Cells und viele andere mitteldeutsche Branchengrößen zum Opfer. Andere wie Sunstrom oder Solarworld schafften aus der Insolvenz heraus zumindest einen Neustart und haben sich mit neuen Geschäftsmodellen von der asiatischen Konkurrenz abgegrenzt – allerdings auch aus dem Massenmarkt verabschiedet. In diesen Markt wollte wiederum „Meyer Burger“ mit neuaufgebauten Fabriken für besonders hochwertige Solarzellen und -module in Mitteldeutschland einsteigen. Doch gegen die großen und hocheffizienten chinesischen Fabriken vermochten die Schweizer schon in der ersten globalen Überproduktionswelle nach dem Neustart nicht zu bestehen. Wie schon ihre Vorgänger riefen sie sofort nach Staatshilfe – indes vergebens.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Angaben Krüger, Harz, Dulig, Oiger-Archiv
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