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Elektronenkanonen für saubere Schiffsdiesel und ertragreiche Solaranlagen

Ein Elektronstrahl-Generator im "Reset"-Neubau für das Fraunhofer-FEP. Foto: Heiko Weckbrodt

Ein Elektronstrahl-Generator im „Reset“-Neubau für das Fraunhofer-FEP. Foto: Heiko Weckbrodt

Fraunhofer eröffnet neues Elektronenstrahl-Zentrum in Dresden

Dresden, 17. April 2024. Um Saatgut ohne Chemiekeule von Keimen zu befreien, die Energieausbeute von Solaranlagen hochzutreiben und mehr Wasserstoff aus Elektrolyseuren herauszuquetschen, können Elektronenstrahlen und Elektronen-Ionen-Gemische (Plasma) helfen. Einige Fortschritte hat das „Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik“ (FEP) in Dresden damit bereits erzielt. Nun wollen die Forscher diesen Weg mit – auch im wörtlichen Sinne – mehr Energie weitergehen. Dafür hat Fraunhofer den rund 17 Millionen Euro teuren Campus für „Ressourcenschonende Energietechnologien“ („Reset“) an der Winterbergstraße um ein neues Technikum „E“ wie „Elektronenstrahl-Technologien“ erweitert.

Prof. Holger Hanselka. Foto: Markus Breig für das KIT

Prof. Holger Hanselka. Foto: Markus Breig für das KIT

Fraunhofer-Präsident Hanselka: „Das ist ein Meilenstein“

In dem Neubau können Wissenschaftler nun Elektronenkanonen mit mehr Wumms einsetzen, speziell abgeschirmte Labore für Medizintechnik und Biotech-Projekte nutzen sowie ressourcensparende Mikroelektronik-Verfahren für Industriepartner wie Infineon entwickeln. „Dieses neue Forschungszentrum ist ein Meilenstein für das FEP“, befand Fraunhofer-Präsident Prof. Holger Hanselka heute zur Einweihung. Darüber hinaus stärke das Elektronenstrahl-Technikum generell Dresden und Sachsen als wichtigen Innovationsstandort der Fraunhofer-Gesellschaft.

Das neue Elektronenstrahl-Forschungszentrum auf dem Fraunhofer-Campus "Reset" in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Das neue Elektronenstrahl-Forschungszentrum auf dem Fraunhofer-Campus „Reset“ in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresden gilt als Fraunhofer-Hochburg

Dresden gilt bereits seit einigen Jahren als der Standort mit der höchsten Fraunhofer-Dichte in Deutschland: Elf Institute, An-Institute und Zweigstellen betreibt die Forschungsgesellschaft in der sächsischen Landeshauptstadt (wenn man das an der Stadtgrenze, aber auf Moritzburger Flur gelegene „Assid“ einrechnet). Mit 173 Beschäftigten und 30,7 Millionen Euro Jahreshaushalt gehört das FEP – das 1991 aus dem DDR-Privatinstitut von Manfred von Ardenne hervorgegangen war – heute zu den mittleren Fraunhofer-Instituten in Dresden. Und schon seit Längerem stehen die Zeichen auf Wachstum. Daher hat sich das FEP auch gemeinsam mit dem Nachbarinstitut IWS an dem noch jungen „Reset“-Campus beteiligt, mit dem Fraunhofer über die Winterbergstraße hinaus binnen anderthalb Dekaden gen Norden gewachsen ist.

Blick in eines der neuen FEP-Labore. Foto: Heiko Weckbrodt

Blick in eines der neuen FEP-Labore. Foto: Heiko Weckbrodt

Zeitweise stand auch Gasometer Reick als Ausbauoption zur Debatte

Angesichts der Wachstumsimpulse im Dresdner Osten diskutierten Stadt und Fraunhofer vor knapp 20 Jahren die ersten Erweiterungsoptionen, erinnert sich der heutige Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), der damals als Wirtschaftsbürgermeister agierte. Zur Debatte stand unter anderem einer der beiden großen alten Gasspeicher in Dresden-Reick als neue Fraunhofer-Hochburg. Letztlich trat die Verwaltung dann aber ein paar kommunale Baracken zwischen Winterberg- und Bodenbacher Straße an die Forscher ab. Und dort wuchs der Ausbau-Campus „Reset“, der unter anderem auch ein Zentrum für industriellen 3D-Druck („Additive Fertigung“) bekam. Über die Jahre hinweg investierten der Freistaat Sachsen, Fraunhofer und der Bund besagte 17 Millionen Euro. Nach und nach entstanden hier die Technika „N“ wie Nanotech, „S“ wie Silizium und nun eben „E“ wie Elektronenstrahltechnik.

Dresdens amtierender OB Dirk Hilbert. Abb.: LHD Dresden

Dirk Hilbert. Abb.: LHD

Interessant für Chipindustrie: FEP arbeitet an neuen Gallium-Beschichtungsverfahren für Wafer

In diesem Haus „E“ wollen die FEP-Ingenieure jetzt ihre Kernkompetenzen in der Elektronstrahl- und Plasma-Technologie schärfen, auf höheren Energieniveaus forcieren sowie neue Forschungsfelder eröffnen. Dabei stehen nicht Produkte, sondern vor allem innovative Verfahren im Fokus: „Wir verstehen uns vor allem als Prozess-Institut“, betont FEP-Chefin Prof. Elizabeth von Hauff.

Prof. Elizabeth von Hauff. Foto: Kirsten van Santen via Fraunhofer FEP

Prof. Elizabeth von Hauff. Foto: Kirsten van Santen via Fraunhofer FEP

Zu diesem Prozess-Schwerpunkten gehören besonders schonende Reinigungsverfahren für Schiffsdiesel-Abgase, neue Recyclingmethoden für Industrieabwässer, aber auch Vorhaben in den Sektoren Biomedizin. Eine neu eingerichtete Gruppe befasst sich zudem mit der Magnetron-basierten Sputter-Epitaxie. Dahinter steckt ein besonders effizientes Verfahren, um Silizium-Scheiben („Wafer“) für Chipfabriken mit einer dünnen Schicht aus Galliumnitrid zu überziehen. Solche Wafer brauchen FEP-Industriepartner wie eben Infineon, um besonders effiziente Leistungs-Halbleiter für Trafos, Elektroloks, Solar- und Windkraftparks herzustellen.

Anlagen wie die "Pia Nova" der Dresdner "Von Ardenne" beschichten Dünnschicht-Solarzellen. Abb.: Von Ardenne

Anlagen der Dresdner „Von Ardenne“ beschichten Dünnschicht-Solarzellen. Abb.: Von Ardenne

Kooperation mit FEP half „Von Ardenne“ auf dem Weg zum Champion für Dünnschichtprozesse

Ein anderer FEP-Industriepartner des FEP ist unter anderem die „Von Ardenne Anlagentechnik“ (VA), die einst ebenfalls aus dem Ardenne-Institut hervorging. Schon in der Vergangenheit habe sich diese Partnerschaft ausgezahlt, betont VA-Chef Pia von Ardenne. So habe ein gemeinsames Forschungsprojekt vor reichlich zehn Jahren dazu beigetragen, dass „Von Ardenne“ heute zu den Weltmarktführern für Anlagen zähle, mit denen sich Dünnschicht-Solaranlagen im Vakuumkammern herstellen lassen.

Die Kunstwerke im Foyer stehen für die Möglichkeitsräume, in denen sich Elektronen aufhalten. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Kunstwerke im Foyer stehen für die Möglichkeitsräume, in denen sich Elektronen aufhalten. Foto: Heiko Weckbrodt

Kämmen Bio-Designermoleküle bald strategische Rohstoffe aus dem Chipfabrik-Abwasser?

Große Hoffnungen ruhen auch auf der Partnerschaft des FEP mit den Bio-Recycling-Forschungsgruppen von Helmholtz in Dresden und Freiberg. Dr. Katrin Pollmann und ihr Team suchen unter anderem nach Wegen, das Mikroelektronik-Material Gallium mit Hilfe von Bakteriophagen und Designer-Biomolekülen aus Chipfabrik-Abwässern zurück zu gewinnen.

So stellt sich die Wirtschaftsförderung Dresden den Wissenschaftspark Ost vor. Rot eingekreist in der Fraunhofer-Campus auf der anderen Seite des Bahndamms. Grafik: LHD

So stellt sich die Wirtschaftsförderung Dresden den Wissenschaftspark Ost vor. Rot eingekreist in der Fraunhofer-Campus auf der anderen Seite des Bahndamms. Grafik: LHD

Stadt drängelt seit Dekaden bei Bahn um Durchbruch gen Strehlen

Genug Platz und Ausrüstungen dafür bietet nun erst einmal das neue Elektronenstrahl-Forschungszentrum zwischen Winterberg- und Bodenbacher Straße. Wenn dann weiterer Wachstumsbedarf entstehe, „können wir uns über die nächsten Schritte unterhalten“, versprach Oberbürgermeister Hilbert schon mal zur Einweihungsfeier. Zwar gilt mit dem Haus E der „Reset“-Campus als baulich ausgeschöpft. Aber wenn es Hilbert und seinen Nachfolgern in diesem Jahrhundert noch gelingen sollte, von der Deutschen Bahn eine Wiedereröffnung der Bahndamm-Unterführung gen Dresden-Strehlen zu erwirken, wie schon seit Jahrzehnten erbeten, dann bekommt auch Fraunhofer in Richtung Süden ganz neue Erweiterungsoptionen. Denn dort erschließt die Stadt Dresden den „Wissenschaftspark Ost“ – und Fraunhofer hat dort bereits erste Ansiedlungspläne avisiert, verriet Hilbert auf Oiger-Anfrage. Dabei handelt es sich dem Vernehmen nach um das „Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung“ (IVV), das bisher mit dem Institutsteil „Verarbeitungstechnik“ weit im Dresdner Süden residiert.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: von Hauff, FEP, OB Hilbert, Infineon, von Ardenne, HZDR/HIF, Oiger-Archiv, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt