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Dresden schmiedet regionales Bündnis für TSMC-Halbleiterfabrik

Vor allem die modernen 300-mm-Fabriken von TSMC sind stark ausgelastet. Foto: TSMC

Vor allem in der Anfangsphase der neuen Europa-Chipfabrik wird TSMC wohl zahlreiche taiwanesische Spezialisten nach Dresden mitnehmen. Foto: TSMC

Umland-Kommunen sollen helfen, Bedarf zuziehender Chipexperten an Wohnungen, Schulen, Kitas und Kultur zu decken

Dresden/Radebeul, 11. April 2024. Damit der Aufschwung der sächsischen Mikroelektronik nicht an sich selbst erstickt, will Dresden ein Bündnis mit den Umland-Kommunen und -kreisen schmieden. Ziel: Mit Blick auf die neuen Chipfabriken von TSMC, Infineon, Jenoptik und anderen Technologie-Unternehmen sollen im Speckgürtel der Landeshauptstadt Zehntausende neue Wohnungen, aber auch Kitas, Schulen und andere Infrastrukturen für die zuziehenden Halbleiter-Fachkräfte sowie deren Familien entstehen. Eigens dafür hat die sächsische Staatsregierung heute rund 120 Bürgermeister, Landräte und andere regionale Akteure zu einer TSMC-Standortkonferenz nach Radebeul einladen.

Stadt und Land betreiben hohen Aufwand, um Stadt für die neue Liga fit zu machen

Zuvor hatte Dresden bereits mehrere Programme aufgelegt, die genug Strom, Wasser und Abwasser-Reinigungskapazitäten für die neuen „Fabs“ sichern sollen. Rechnet man alles zusammen, geben Land, Landeshauptstadt und deren Töchter in Summe schätzungsweise noch einmal eine weitere halbe Milliarde Euro aus, um den Standort für die – ohnehin mit fünf Milliarden Euro subventionierte – TSMC-Ansiedlung sowie weitere Chipfabrik-Projekte im Dresdner Norden fit zu machen. Das hält Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) indes für gut angelegtes Geld – denn Dresden und das Umland steigen nach seiner Einschätzung durch den Zuschlag aus Taiwan in die „Champions League“ der weltweit wichtigsten Mikroelektronik-Standorte auf.

Sehen noch einen ordentlichen Stapel Arbeit vor sich, bevor die erste europäische Chipfabrik von TSMC in Dresden starten kann: Oberbürgermeister Dirk Hilbert (links) und der sächsische Regionalminister Thomas Schmidt während der TSMC-Standortkonferenz mit Landräten und Bürgermeistern aus der Region im "Alten Güterboden" in Radebeul. Foto: Heiko Weckbrodt

Sehen noch einen ordentlichen Stapel Arbeit vor sich, bevor die erste europäische Chipfabrik von TSMC in Dresden starten kann: Oberbürgermeister Dirk Hilbert (links) und der sächsische Regionalminister Thomas Schmidt während der TSMC-Standortkonferenz mit Landräten und Bürgermeistern aus der Region im „Alten Güterboden“ in Radebeul. Foto: Heiko Weckbrodt

Regionalminister Schmidt schwört Kommunen und Kreise auf konzertierte Aktion ein

„Wir wollen die neuen großen Ansiedlungen der Halbleiterindustrie in der Landeshauptstadt und deren Auswirkungen begleiten und befördern – und zwar mit vereinten Kräften“, betonte Regionalminister Thomas Schmidt (CDU) am Rande der Konferenz. „Es geht nicht ohne entscheidende Investitionen, zum Beispiel in zusätzliche Wohnungen, Schul- und Kinderbetreuungsplätze, die Versorgung mit Strom, Wasser und Abwasser, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, aber auch die Ausweisung und Entwicklung von weiteren Industrie- und Gewerbegebieten.“ Schmidt kündigte dafür Förderzuschüsse aus sächsischen Regionalprogrammen an.

Bekommt Ottendorf-Okrilla eigene Gymnasial-Klassen?

Einige konkrete Projekte rührt Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) auch bereits mit seinen Kollegen aus dem Umland ein. Beispielsweise liebäugelt Ottendorf-Okrilla schon seit längerem mit einem eigenen Gymnasium. „Bisher müssen rund 700 Schüler von dort noch nach Radeberg pendeln“, sagt Hilbert. Anderseits sei ein steigender Schulbedarf im Dresdner Norden absehbar, wo die meisten Chipwerke stehen. Angedacht sei daher, eine Oberschule in Ottendorf-Okrilla in eine Gesamtschule mit Gymnasialklassen umzuwandeln. Dresden sei bereits, sich daran finanziell zu beteiligen, allerdings müssten für solch ein Projekt auch die Schulnetzpläne angepasst werden.

Auch Schulen und Kitas mit Mandarin als Zusatz-Sprache denkbar

Ein dickes Aufgabenpaket ist auch noch in puncto Wohnraum abzuarbeiten: Einerseits werden gerade in der Vorlauf- und Startphase der neuen TSMC-Fabrik in Dresden wahrscheinlich zahlreiche taiwanesische Spezialisten mindestens vorübergehend nach Sachsen ziehen. Und die werden allen bisherigen Signalen zufolge wahrscheinlich gerne in einem Wohngebiet zusammenleben, brauchen dann auch internationale Schulen und Kitas für ihre Kinder, in denen auch Mandarin gesprochen wird.

Christian Koitzsch. Foto: Bosch

Christian Koitzsch. Foto: Bosch

Größerer Zuzug ab 2026 zu erwarten

Ein größerer Zuzug dürfte ab 2026 einsetzen, wenn einerseits die vierte Dresdner Infineon-Fabrik die Fertigung beginnt und ein Jahr später auch die TSMC-Fab startet. Allein diese beiden neuen Halbleiterwerke wollen in Summe 3000 Mikrotechnologen, Mechatroniker, Instandhaltungstechniker, Ingenieure und andere Fachkräfte anheuern. In der „European Semiconductor Manufacturing Company“ (ESMC), die TSMC, Bosch, Infineon und NXP eigens für die neue Megafab gegründet haben, geht Präsident Christian Koitzsch davon aus, dass er etwa die Hälfte aus Zuzüglern rekrutieren kann, den Rest aus dem Dresdner Umland. In der Infineon-Fab 4 dürfte es ähnlich laufen.

Silicon Saxony sieht bis 2030 Bedarf an 27.000 zusätzlichen Fachkräften

Und das sind nur die beiden größten, besonders bekannten Investitionen am Standort.Viele andere Erweiterungen sowie Ansiedlungen von TSMC-Zulieferfirmen dürften folgen. In Summe rechnet der sächsische Branchenverband „Silicon Saxony“ bis 2030 mit einem zusätzlichen Bedarf von rund 27.000 Fachkräften in der Hightech-Wirtschaft. Davon könnten Schätzungen zufolge über 13.000 auf die Dresdner Chipwerke entfallen. Und davon dürften wiederum mindestens die Hälfte Zuzügler aus Deutschland und dem Ausland sein, die wohl meist auch Familien mitbringen. Dass auf dem angespannten Dresdner Markt dafür rechtzeitig genug Häuser und Wohnungen bezugsbereit sind, gilt als unwahrscheinlich. Neue Wohngebiete rings um Dresden, Ottendorf-Okrilla, Radeberg, Radebeul oder Moritzburg könnten helfen, diese Lücken zu schließen – wenn das Bündnis zustande kommt. In weiteren Investorenkonferenzen wollen die Dresdner die Optionen dafür ausloten.

Neue Straßen- und S-Bahn-Linien stehen auf dem Wunschzettel – sind aber noch ungewiss

Auf die Kooperation der Umlandgemeinden, der Landkreise Bautzen und Meißen sowie der Verkehrsunternehmen wird Dresden aber nicht nur beim Wohnungsbau angewiesen sein. Denn je mehr Chipwerke in spe damit liebäugeln, sich im Speckgürtel niederzulassen, umso wichtiger werden kurze Pendelzeiten. Langfristig stehen daher auch Verlängerungen für die Straßenbahnen und S-Bahnen im Dresdener Norden zur Debatte – da allerdings wäre teuer und langwierig. Fürs Erste sind daher nur Taktverdichtungen und neue Busse geplant.

Dresden vergrößert Elektro-Berufsschule, Standort für neue Azubi-Schmiede Sam eher im Umland

Auch für die Lehrlings-Ausbildung zeichnet sich eine Lösung teilweise außerhalb der Stadtgrenzen ab. Das theoretische Rüstzeug sollen die Chip-Azubis zwar im Dresdner Berufsschulzentrum für Elektrotechnik bekommen, für das die Stadt einen größeren Neubau in Prohlis errichtet. Für den Praxisteil soll ein „Sächsisches Ausbildungszentrum für Mikroelektronik“ (Sam) entstehen. Der Standort steht zwar noch nicht fest, die Wahl könnte aber aus Fördergeld-Gründen eher auf den Landkreis Bautzen als auf Dresden fallen.

Dresden verweist auf Speckgürtel-Wachstum um München

Angesichts der Fülle an Aufgaben sehen Schmidt und Hilbert in dem geplanten „TSMC“-Bündnis mit dem Umland zwar vor allem erst mal „große Herausforderungen“, aber eben auch erhebliche Chancen: Schaue man sich das Beispiel München an , dann zeige sich, dass das Münchner Umland noch viel stärker als die Stadt selbst vom Aufschwung der bayrischen Metropole profitiert habe, argumentiert Hilbert. Ähnliche Impulse seien für das Dresdner Umland zu erwarten – durch Steuereinnahmen, Ansiedlungen in neuen Gewerbegebieten und dergleichen mehr.

Oliver Schenk ist Chef der sächsischen Staatskanzlei im Ministerrang. Foto: Pawel Sosnowski für die SKK

Oliver Schenk ist Chef der sächsischen Staatskanzlei. Foto: Pawel Sosnowski für die SKK

Staatskanzlei prophezeit Win-Win-Situation: „Ansiedlung wird auf ganz Sachsen ausstrahlen“

Das sieht auch Staatskanzlei-Chef Oliver Schenk (CDU) so, der die TSMC-Ansiedlung auf sächsischer Seite koordiniert: „Die Ansiedlung wird auf ganz Sachsen ausstrahlen mit positiven Effekten bei Beschäftigung und Wertschöpfung“, prognostiziert er. „Von dieser insgesamt positiven Entwicklung werden auch kleinere Unternehmen und Handwerksbetriebe nachhaltig profitieren.“

Qimonda, Nanya, Windbond: Schon früher bekam Dresden Alltagskultur-Impulse aus Taiwan

Nicht zuletzt müssen Dresden und die Dresdner allerdings auch dafür sorgen, dass sich ausländische Fachkräfte hier auch wohl fühlen. Einige Erfahrungen mit den Wünschen und Bedürfnissen taiwanesischer Fachleute habe die Stadt ja bereits, sagt Oberbürgermeister Hilbert – und erinnert die starke internationale Ausrichtung des einstigen Speicherchip-Konzerns „Qimonda“, der vor seinem Untergang immer wieder auch taiwanische Kollegen von Nanya, Winbond und anderen Mikroelektronik-Unternehmen als Partner nach Dresden geholt hatte.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Auskünfte Th. Schmidt (SMR), D. Hilbert (LHD), Oiger-Archiv

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt