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Baustart für TSMC-Chipfabrik Dresden im 2. Halbjahr 2024

Früher hat TSMC immer nur Fabriken in Asien - hier die Fab16 in China - betrieben. Inzwischen stehen auch Chipwerke in Japan, den USA und in Deutschland auf der Agenda. Abb.: TSMC

TSMC-Fab16 in China. Abb.: TSMC

Fab soll halbe Million Halbleiter-Wafer pro Jahr verarbeiten und 2000 Menschen beschäftigen

Dresden, 7. April 2023. Baustart für die neue TSMC-Chipfabrik in Dresden wird im zweiten Halbjahr 2024 sein. Das Halbleiterwerk wird monatlich 40.000 Wafer mit 300 Millimetern Durchmesser bearbeiten. Es wird darauf Chips mit Strukturgrößen bis hinunter zu 12 Nanometern für Auto- und andere Industrieelektronik fertigen. Beschäftigten wird die Fab etwa 2000 Menschen in Dresden. Diese neuen Details zur Großansiedlung in Sachsen hat ESMC-Präsident Christian Koitzsch mitgeteilt. „Wir haben bereits angefangen, an der sogenannten Talent-Pipeline zu arbeiten, also die Ausbildung unserer zukünftigen Mitarbeiter voranzutreiben“, berichtete er in einer Diskussionsrunde mit dem sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) und Akteuren aus Sachsens Halbleiter-Branche.

Christian Koitzsch. Foto: Bosch

Der frühere Bosch-Dresden-Fabrikchef Christian Koitzsch ist jetzt ESMC-Präsident. Foto: Bosch

Taiwanesen tun sich für Europa-Premiere mit Bosch, Infineon und NXP als „ESMC“ zusammen

Zum Hintergrund: Die Taiwanesen wollen ihr Dresdner Werk nicht allein hochziehen, weil für sie ein Fabrikbau in Europa noch Neuland ist. Daher haben haben sie eigens für diese Premiere das Gemeinschaftsunternehmen „European Semiconductor Manufacturing Company“ (ESMC) gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP gegründet, wobei TSMC Mehrheitseigner ist. Die Taiwanesen haben dafür den ehemaligen Chef der Dresdner Bosch-Fabrik als Präsident angeworben.

ESMC-Präsident Koitzsch: „An Dresden hat uns auch dieses Ökosystem überzeugt“

Koitzsch skizzierte bei der Gelegenheit auch die Gründe, die TSMC zur Entscheidung geführt haben, ihre rund zehn Milliarden Euro teure erste Europa-Fab in Dresden zu bauen: „Unser Hauptanteilseigner TSMC ist eine stark wachsende Firma“, betonte der ESMC-Präsident. „Wir investieren nicht nur in Dresden, sondern auch in Taiwan selbst, in Japan und den USA. Dresden und Europa als Standort war natürlich auch ein Wunsch unserer Joint-Venture-Partner Bosch, Infineon und NXP. Und an Dresden hat uns auch dieses Ökosystem überzeugt: Es ist der größte Mikroelektronik-Standort in Europa mit einer entsprechenden Zulieferindustrie, aber eben auch Institutionen wie der TU Dresden, anderen sächsischen Universitäten, Helmholtz und Fraunhofer mit starken Mikroelektronikaktivitäten. Das war am Ende das Paket, das uns überzeugt hat.“ Was Koitzsch dabei nicht erwähnt, aber zweifellos auch zu den ausschlaggebenden Gründen zählte: Die Hälfte der neuen Megafab bezahlt der deutscher Steuerzahler durch Subventionen im Rahmen des „Europäischen Chipgesetzes“.

Wirtschaftsminister Martin Dulig. Foto: Heiko Weckbrodt

Wirtschaftsminister Martin Dulig. Foto: Heiko Weckbrodt

Wirtschaftsminister: Subventionen fließen über Steuern, Aufträge und ökonomische Impulse mehrfach zurück

Diese hohe Subventionsquote hat allerdings auch für Debatten gesorgt: Einerseits um die Frage, warum der Staat eigentlich ein bereits hochprofitables Unternehmen mit fünf Milliarden Euro bezuschussen muss, andererseits sorgen sich auch viele Mittelständler, ob sie künftig überhaupt noch Fachkräfte und Lehrlinge bekommen, wenn TSMC den ganzen Dresdner Arbeitsmarkt im Hightech-Sektor leersaugt. „Die Investitionen, die wir als Staat tätigen, fließen mehrfach zurück – durch hohe Einkommens- und Gewerbesteuern, Aufträge und eine wirtschaftlich gute Lage“, verteidigt Wirtschaftsminister Dulig die hohen Zuschüsse, die er „Investitionen“ statt „Subventionen“ nennen möchte. Geschäftsführer Frank Bösenberg vom Branchenverband „Silicon Saxony“ pflichtet ihm bei: „Handwerk und Mittelstand sind ein elementarer Bestandteil des Silicon Saxony. Ein Großteil der Milliarden, welche in die Werke fließen, wird weitergegeben an Unteraufträge.“ Er spricht in diesem Zusammenhang von „Coopetition“ am Standort – ein Wechselspiel von Kooperation und Konkurrenz.

Hauptgeschäftsführer Andreas Brzezinski (links) und Dresdner Präsident Jörg Dittrich von der Handwerkskammer Dresden präsentieren ihre Konjunkturanalyse fürs Frühjahr 2018 und ihre bildungspolitischen Forderungen an die sächsische Landesregierung. Foto: Heiko Weckbrodt

Hauptgeschäftsführer Andreas Brzezinski (links) und Dresdner Präsident Jörg Dittrich von der Handwerkskammer Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Handwerkskammer: Kleine und mittlere Betriebe dürften nicht hängengelassen werden

Auch der Dresdner Handwerkskammer-Geschäftsführer Andreas Brzezinski sieht durch durch die TSMC-Ansiedlung neue Möglichkeiten für Handwerk, Mittelstand und Jungunternehmen, an neue Aufträge und Technologiezugänge zu kommen. „Die Großansiedlungen sind sicherlich eine gute Chance, dass man Wertschöpfung in den Standort hineinträgt, die Produktivität steigt und wir uns in einer starken Internationalität bewegen werden.“ Allerdings sieht auch er eine Absaug-Gefahr auf dem Arbeitsmarkt. Die kleinen und mittleren Betriebe dürften nicht hängengelassen werden, fordert er und setzt dabei auch auf Fachkräfte aus dem Ausland: „Wir müssen das Thema Zuwanderung schneller angehen.“

Jan Pratzka. Foto: Heiko Weckbrodt

Jan Pratzka. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdens Wirtschaftsbürgermeister hofft auf mehr Zuzug durch Reputations-Effekte

Womöglich sorge aber gerade der Reputationsgewinn für Sachsen durch den TSMC-Zuschlag für einen verstärkten Zuzug aus dem Ausland und den alten Bundesländern, meint der Dresdner Wirtschaftsbürgermeister Jan Pratzka (CDU). „Wir gewinnen attraktive Arbeitsplätze – und die werden ziehen“, hofft er.

Frank Bösenberg. Foto: Tommy Halfter für Silicon Saxony

Frank Bösenberg. Foto: Tommy Halfter für Silicon Saxony

Maximal 1 h pro 100 km: Silicon Saxony fordert bessere Verkehrsverbindungen

Freilich haben die Stadt Dresden und andere regionale Akteure noch einige Hausaufgaben zu erledigen: vor allem, um die Fachkräfte-Probleme der großen Chipfabriken auf der einen und dem gewachsenen heimischen Mittelstand auf der anderen Seite zu entspannen und die nötige Infrastruktur zu schaffen. „Aus globalen Maßstäben befinden wir uns bei Magdeburg um die Ecke, Leipzig ist vor der Haustür. 100 Kilometer dürfen heutzutage keine Entfernung mehr sein, für die ich länger als eine Stunde brauche – egal womit“, erneuert Silicon-Saxony-Chef Bösenberg seine Forderungen nach besseren Bahnverbindungen und anderen Verkehrswegen von und nach Dresden.

Dresden will Straßenbahn 8 in den Halbleiter-Norden verlängern

Auch lokal und regional sind neue Infrastrukturinvestitionen im weiteren Wortsinne nötig: Dazu gehören neue Wohngebiete für die zusätzlichen Mitarbeiter, die TSMC, Infineon & Co. gerade anheuern, aber auch Gewerbegebiete für die Zulieferer. Solche Herausforderungen könne Dresden nur gemeinsam mit den Umland-Gemeinden und Landkreisen lösen, ist Wirtschaftsbürgermeister Pratzka überzeugt. Zudem müssten die Dresdner Verkehrsbetriebe die Straßenbahnlinie 8 vom bisherigen Endpunkt Hellerau in Richtung der Chipwerke verlängern.

Autor: Oiger

Quellen: SMWA, Silicon Saxony, HWK Dresden, LHD, Youtube-Sendung „Martin Dulig | Konkret“, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt