News, Software, Wirtschaftspolitik, zAufi

Technik für Informatik-Ausbildung „hinkt ein Jahrzehnt hinterher“

Foto/Montage: hw

Foto/Montage: hw

Kritik an alten PCs und Lehrbüchern in Hallenser Berufsschule – die verweist auf Modernisierungsprogramm

Halle, 14. November 2023. Durch die Intel-Ansiedlung und dessen Folgeeffekte dürfte in Sachsen-Anhalt der Bedarf an Mikrotechnologen, Wartungsingenieuren und Mechatronikern, aber auch von Informatikern in den nächsten Jahren deutlich wachsen. Gerade bei der beruflichen Informatiker-Ausbildung gibt es anscheinend mindestens punktuell technologische und organisatorische Defizite – meint der angehende Fachinformatiker Jonas Lohrmann, der die Berufsschule Gutjahr in Halle-Neustadt besucht.

Ärgert sich über lange Anfahrtswege, veraltete PCs und Lehrbücher in seiner Berufsschule: Jonas Lohrmann lernt Fachinformatiker für Systemintegration in Halle. Foto: privat via Jonas Lohrmann

Ärgert sich über lange Anfahrtswege, veraltete PCs und Lehrbücher in seiner Berufsschule: Jonas Lohrmann lernt Fachinformatiker für Systemintegration in Halle. Foto: privat via Jonas Lohrmann

Computer teils mit alten 32-Bit-Betriebssystem

„Die technische Ausstattung meiner Berufsschule hinkt noch immer teilweise ein Jahrzehnt hinterher“, schätzt Lohrmann ein. So gebe es für mehrere Schüler nur veraltete Windows-7-Rechner auf 32-Bit-Basis, die installierte Software sei rund zehn Jahre alt und es stehe kein drahtloses Datennetz zur Verfügung. Zwar werde die Schule inzwischen technisch modernisiert. Doch diese Neuausstattung werde erst nach dem Ende seiner Ausbildung fertig und verursache bis dahin vor allem Baulärm.

Berufsschüler: Neue Prüfungsordnung, doch keine neue Literatur dafür

Zudem sei am 1. August 2020 ist eine neue Ausbildungsordnung für „IT-Berufe“ in Kraft getreten – doch es fehle die passende Unterrichtslektüre. „Bislang steht kein Lehrbuch zur Verfügung, das die Umsetzung der neuen Prüfungsordnung ermöglicht“, kritisiert er. Hinzu kommen in seinem konkreten Fall auch besonders lange Pendelwege von und zur Berufsschule: Zwischen seiner Heimatstadt Wittenberg und Halle brauche er hin und zurück am Tag rund fünf Stunden, „was mehr Zeit in Anspruch nimmt als die reine Unterrichtszeit an einem sechsstündigen Schultag“.

Schulleiter: Hätten uns das auch alles schneller gewünscht

Abhilfe für einige der angesprochenen Kritikpunkte sei zumindest in Sicht, erklärte dazu Berufsschul-Leiter Rüdiger Bauch auf Oiger-Anfrage. „Im Rahmen des Digitalpaktes und der Informations- und Kommunikationstechnik-Förderung hat unsere Schule vier Breitbandanschlüsse und eine Vielzahl digitaler Endgeräte, unter anderem 335 Computer, erhalten.“ Gegenwärtig werde das Schulgebäude dafür verkabelt und ausgerüstet. „Natürlich hätten wir uns das alles schneller gewünscht“, räumt der Schulleiter ein. Aber weil Stadt und Land soviel investieren, seien umfangreiche Ausschreibungen nötig gewesen.

Zudem sei auch „mit der teilweise noch vorhanden Alttechnik eine der Ausbildungsordnung entsprechende und qualitativ hochwertige Ausbildung“ möglich, versicherte Rüdiger Bauch. Ein Beleg dafür seien die „über Jahre guten und sehr guten Ergebnisse der Absolventen in den Kammerprüfungen“.

Schulträger: Technik in Fachkabinetten ist erneuerungswürdig

Ähnlich schätzt dies auch die Stadt Halle ein, die für die Schulgebäude und deren Ausstattung zuständig ist. „Die Technik in den Fachkabinetten ist mit zirka acht bis zehn Jahren erneuerungswürdig“, erklärte Rathaus-Sprecher Drago Bock auf unsere Anfrage hin. „Dies wurde in Abstimmung mit der Schulleitung identifiziert und eine Neu-Beschaffung geplant.“ So ermögliche das Digitalpakt-Geld beispielsweise neue PC-Arbeitsplätze in der Berufsschule „Gutjahr“. Ab Ende 2023 seien die neue Geräte in der Schule nutzbar.

„Es gibt da einen riesigen Bedarf“

Auch Referent Stephan Leitel vom sachsen-anhaltinischen Bildungsministerium verweist darauf, dass Bessserung in Sicht sei: „Die Digitalisierung ist und konkret auch die Glasfaser-Ausstattung ist angegangen – und zwar mit Millionenbeträgen“, betonte er. Zugleich sei klar, dass angesichts der Groß-Investitionen in Magdeburg und deren Folgeeffekte viele zusätzliche Fachkräfte in der Mikroelektronik, aber eben auch in der Informatik im ganzen Land gebraucht würden. „Es gibt da einen riesigen Bedarf.“ Wieviel Informatiker konkret Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren braucht und welche Ausbildungskapazitäten dafür im Land verfügbar seien, vermöchte er allerdings nicht zu beziffern.

Beispiel Sachsen: Chipwerk-Boom lässt auch Software-Branche stark wachsen

Das Beispiel Sachsen zeigt freilich, wie stark der Bedarf auch an Informatikern in direkter und indirekter Folge von Chipfabrik-Ansiedlungen wächst. Dort ist rings um die zahlreichen Halbleiterwerke eine dynamisch wachsende Software-Industrie entstanden. Und weitere Impulse sind absehbar: Das Nachbarland von Sachsen-Anhalt zog zwar bei der Intel-Großinvestition den Kürzeren, gilt aber längst als größter Mikroelektronik-Standort in Deutschland und Europa – und lockte erst kürzlich noch den globalen Halbleiter-Marktführer TSMC an. Und schon bevor die Taiwanesen und auch Infineon ihre jüngsten Projekte ankündigte, hatte der sächsische Verband „Silicon Saxony“ einen stark wachsenden Fachkräftebedarf in der Hightech-Branche für den Freistaat prognostiziert. Demnach beschäftigen Chipfabriken, Softwareschmieden und andere Hochtechnologie-Firmen in Sachsen bereits jetzt über 76.000 Menschen. Und bis 2030 werden mindestens weitere 24.000 Fachkräfte gebraucht: Etwa die Hälfte in der Mikroelektronik, die andere Hälfte in den Nachbarbranchen, wobei hier wiederum die größte Nachfrage aus der Softwareindustrie kommt.

Programmieren und entwickeln im Ambiente einer ehemaligen Maschinenfabrik - und wer will, darf auch von zu Hause aus arbeiten: Das Sofware-Entwicklungszentrum SID von VW nach dem Umzug in die Universellen Werke Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Das Software-Entwicklungszentrum SID von VW in Dresden ist nun eines von vielen Beispielen, wie sehr die Softwareindustrie in Sachsen im Gefolge von Mikroelektronik- und Automobilinvestitionen gewachsen ist. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Intel-Großansiedlung in Magdeburg mit einem gewissen Zeitverzug zu ähnlichen Folge-Ansiedlungen und eben auch zu einer wachsenden Software-Industrie in Sachsen-Anhalt führen wird. Insofern dürfte das Land gut beraten sein, beizeiten auch die Informatiker-Ausbildung anzukurbeln und zu modernisieren.

Für Jonas Lohrmann werden solche Ausbildungs- und Nachrüstungsoffensiven aber wohl nicht mehr viel bringen: Sein letzter Schultag ist im April 2024. Daher wird er allenfalls ein paar Monate lang noch an moderneren PCs und dann hoffentlich auch mit neuerer Ausbildungsliteratur lernen können. Noch hat er sich nicht festgelegt, wie es danach weiter geht: „Ich will in die SAP-Entwicklung gehen, vielleicht aber auch studieren.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Auskünfte Lohrmann, Stadt Halle, BS „Gutjahr“, Bildungsministerium Sachsen-Anhalt, Oiger-Archiv

Zum Weiterlesen:

Umfrage: Jeder vierte Berufsschüler in Sachsen fährt über 1,5 h zur Schule

Informatiker gefragter denn je

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt