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Mikrosystemtechnik-Kongress in Dresden: Der technologische Weg zur nachhaltigen Wirtschaft

Hat viel von seiner Strahlkraft eingebüßt: Der Elektroingenieur. Die Nachwuchsprobleme in der Branche sind ein Thema des Mikrosystemtechnik-Kongresses in Dresden. Visualisierung: Dall-E

Hat viel von seiner Strahlkraft eingebüßt: Der Elektroingenieur. Die Nachwuchsprobleme in der Branche sind ein Thema des Mikrosystemtechnik-Kongresses in Dresden. Visualisierung: Dall-E

500 Branchenvertreter diskutieren über Chancen, Innovationen – und Nachwuchsprobleme

Dresden, 20. Oktober 2023. Seien es nun Präzisionslaser für Augen-Operationen, Laborchips, die binnen Sekunden verdächtige Krebszellen im Blut eines Patienten erkennen, winzige Luftqualitäts-Sensoren, Quanten-Technologien für planetare Erkundungen oder hoch automatische Gewächshäuser für eine ökologischere Essensversorgung in Großstädten: Die neuesten Fortschritte in Mikroelektronik und Mikrosystem-Technik sorgen derzeit für Innovationsschübe in Medizin, Verkehr, Industrie und urbaner Landwirtschaft – und ebnen den Weg hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.

Gleichzeitig aber verliert das Ideal des schöpferischen Erfinders an Strahlkraft, wollen immer weniger junge Menschen beispielsweise Elektroingenieure werden. Wie dieser Spagat aus Chancen, Herausforderungen und Nachwuchsproblemen dennoch zu schaffen ist, darüber wollen rund 500 Elektroniker, Manager, Politiker und Forscher ab Montag beim „Mikrosystemtechnik-Kongress 2023“ in Dresden diskutieren. Die großen Querschnittthemen in diesem Jahr sind Nachhaltigkeit und Nachwuchs-Gewinnung.

VDE-Präsident Alf Henryk Wulf. Foto: privat via VDE

VDE-Präsident Alf Henryk Wulf. Foto: privat via VDE

Ingenieure wollen Elektrotechnik der Klimajugend schmackhaft machen

„Um einen Nachwuchs zu begeistern, der sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzt, sollten wir viel mehr darüber sprechen, dass Elektrotechnik im Kontext der Nachhaltigkeit steht“, erklärt Präsident Alf Henryk Wulf vom „Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik“ (VDE), der den Kongress gemeinsam mit dem Bundesforschungsministerium ausrichtet. „Solarpanels oder Heizungen, die smart gesteuert werden, optimierte Akku-Ladezyklen und autonom fahrende Autos gibt es nur mit Mikroelektronik – und dafür brauchen wir kluge Köpfe.“

Prof. Hubert Lakner. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Hubert Lakner. Foto: Heiko Weckbrodt

Technologische Souveränität und vertrauenswürdige Elektronik

Die Tagung solle zeigen, „dass das Erreichen der Klimaziele und der sparsame, effiziente Umgang mit Energie nur durch den Einsatz von Mikrosystemen und Mikroelektronik möglich ist“, betont auch Kongress-Mitorganisator Prof. Hubert Lakner, der in Dresden das Fraunhofer-Photonikinstitut IPMS leitet. Zudem rücken nach seiner Einschätzung „durch die weltweit fortschreitende Digitalisierung neben der reinen Verfügbarkeit von Halbleitern weitere Themen in den Vordergrund: Technologische Souveränität und Vertrauenswürdigkeit in der Mikroelektronik, also ,Trusted Electronics’, Nachhaltigkeitsaspekte wie ,Green ICT’ sowie Next Generation Computing“.

Das Mikrosystem mit dem Mini-Spektrometer. Foto: IPMS

Das Mikrosystem mit einem Mini-Spektrometer. Foto: IPMS

„Einzigartiges Ökosystem der Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik“

Kein Zufall ist, dass Dresden vom 23. bis 25. Oktober 2023 der Gastgeber für den Mikrosystemkongress ist: Die Debatten um fehlende Chips in der Corona-Krise, gestörte Wertschöpfungsketten, mehr Resilienz für Europas Kernindustrien, aber auch um Umweltschutz und eine wirtschaftliche Transformation hin zu weniger Energie- und anderem Ressourcenverbrauch hat den Blick auf Sachsens Mikroelektronik-Industrie gelenkt: In der „Silicon Saxony“ genannten Region ist ein europaweit einzigartiges Ökosystem der Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik mit derzeit über 76.000 Beschäftigten entstanden, wobei gerade stromsparende Halbleiter und moderne Leistungselektronik hier eine besondere Rolle spielen. Und dabei steht die mitteldeutsche Mikroelektronik durch die Ansiedlungen von Intel, TSMC und weiteren Akteuren gerade vor einem neuerlichen Evolutionssprung.

Gerd Teepe. Foto: Heiko Weckbrodt

Gerd Teepe. Foto: Heiko Weckbrodt

Gründergeist des „Silicon Valleys“ in Deutschland wecken

Auch von daher steht der Gastgeber Sachsen für mehrere Referate im recht umfangreichen Tagungsprogramm: Das bereits erwähnte IPMS beispielsweise stellt seine Mikrospiegel-Chips und Quantentech-Forschungen vor, Infineon und die TU Dresden präsentieren KI-Beschleuniger für den mobilen Einsatz, die TU Chemnitz zeigt Fortschritte beim Graphen-Einsatz und Gerd Teepe von Celtro Dresden diskutiert mit deutschen Forschern, wie sich der Gründergeist des kalifornischen „Silicon Valleys“ auch in Deutschland wecken lässt.

Ruf des E-Ingenieurs hat gelitten: Generation Z sieht ihn als Anweisungsempfänger

Dies ist freilich nur ein regionaler Ausriss aus dem Kongressprogramm. So sind neben den fachlichen Innovationen auch ganze Sektionen den Themen Nachhaltigkeit, verlässliche Elektronik und Nachwuchsgewinnung gewidmet. Außerdem verleihen die Veranstalter einen „Green ICT Award“ für nachhaltige Elektroniklösungen. Und die stellen eine Studie über den Ruf des Elektroingenieurs unter der Jugend vor. Dafür hatte der VDE gemeinsam mit Partnern über 1000 Studenten und Schüler befragt, wo die Probleme liegen. Dabei stellte sich heraus, dass bei der Suche nach einem Studium die Elektrotechnik kaum aufscheint, „weil das Bild vom Blaumann oder Anweisungsempfänger vorherrscht“. Zudem sei die Abbruchquote während des Studiums hoch, was die Studenten vielfach mit mangelndem Praxisbezug begründen. Außerdem vergeben die Branchenvertreter während des Kongresses die Preise in den Nachwuchswettbewerben „Invent a chip“ und „Cosima“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: VDE, IPMS, Konferenzband, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt