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Kommentar: Vertrauenswürdige Elektronik nicht in Sicht

5G-Antennenmast von Vodafone an der Overbeckstraße in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

5G-Antennenmast von Vodafone an der Overbeckstraße in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Streit um Spionage-Schlupflöcher bewegt Europa – das aber selbst eher reagiert als agiert

Dresden, 17. Oktober 2019. In Deutschland die Sorge um vertrauenswürdige Elektronik. Wie sehr können sich Bürger und Staat beispielsweise darauf verlassen, dass die in Mobilfunknetzen verbaute Elektronik keine Abhör-Schlupflöcher für ausländische Geheimdienste beziehungsweise Wirtschaftsspione enthält? Auch von daher war ein internationaler Streit darüber entbrannt, um der chinesische Elektronik-Gigant „Huawei“ als Netzwerkausrüster für die Telekommunikation in den westlichen Ländern zugelassen werden darf. Vor allem die USA befürchten in der Huawei-Technik eingebaute Spionagemöglichkeiten für die chinesischen Geheimdienste.

Huawei. Foto: Heiko Weckbrodt

Huawei. Foto: Heiko Weckbrodt

Initiativpapier aus dem Forschungsministerium

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) hat auch von daher nun ein „Impulspapier zur Leitinitiative der Digitalstrategie“ mit dem Titel: „Vertrauenswürdige Elektronik – Made for Europe, made for the World“ veröffentlicht. „Wir in Deutschland und Europa wollen die Digitalisierung nicht nur mitmachen, sondern nach unseren Wert- und Zielvorstellungen mitgestalten“, heißt es dort zur Motivation des Vorstoßes. „Dazu müssen wir technologisch unabhängig handlungsfähig sein, wir wollen nicht in das Risiko laufen, steuerbar zu werden. Souveränität setzt also Technologiesouveränität voraus. Diese benötigen wir gerade in der Mikroelektronik, denn Elektronik bildet den Kern jedes digitalen Systems und ist eine Schlüsseltechnologie der Digitalisierung.“

Bund bleibt bei Wunschliste stehen

In der Umsetzung des Anspruchs, Technologiesouveränität für Deutschland zu erreichen bleibt das Vorhaben aber auf halbem Wege stehen. Die Initiative des BMBF besagt:

„Vertrauenswürdige Elektronik in Deutschland und Europa beinhaltet daher die folgenden Aspekte:

  • Vertrauenswürdigkeit durch Design-Kompetenz
  • Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit auf wettbewerbsfähigem Niveau;
  • Vertrauenswürdigkeit der Lieferkette (Verlässlichkeit und Verfügbarkeit);
  • Vertrauenswürdigkeit hinsichtlich der Abwesenheit unerwünschter Funktionalitäten;
  • Vertrauenswürdigkeit als Element der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit (Trusted Partner).“

Technologiesouveränität ist nur durch eigene Produktion erreichbar

Es fehlt also auch bei diesem Plan eine eigene Fertigung auf internationalem Spitzenniveau in Europa. Stattdessen möchte man sich auf vertrauenswürdige Partner verlassen. Das ist aber das Gegenteil von Technologiesouveränität. Im Falle der für die anspruchsvollsten Anwendungen wie Künstliche Intelligenz, 5G-Telekommunikation, autonom fahrende Autos, Flugzeuge und High-Tech-Waffensysteme benötigten Chips mit kleinesten Strukturabmessungen von sieben Nanometern (nm) und darunter gibt es nur drei Länder mit jeweils einem Halbleiterunternehmen, die diese Chips produzieren können: USA mit Intel, Taiwan mit TSMC und Südkorea mit Samsung. Wie verlässlich kann eine solche Lieferkette auch in Zukunft sein, die von Ländern mit einem erratischen Präsidenten (USA), einer bedrohten Unabhängigkeit (Taiwan) oder in einer politisch fragilen Lage (Südkorea) abhängt?

Europa meilenweit abgehängt

Das Impulspapier des BMBF zu einer vertrauenswürdigen Elektronik müsste also ergänzt werden durch ein Impulspapier unseres Wirtschaftsministers, in dem der Weg aufgezeigt wird, wie Deutschland (Europa) zu einer Produktionsstätte für die modernste Mikroelektroniktechnologie kommen kann, um die allseits für notwendig befundene Technologiesouveränität zu erlangen. Davon ist Europa derzeit meilenweit entfernt.

TSMC fährt bereits 7-Nanometer-Produktion hoch

Inzwischen wächst die Firma TSMC mit dieser Spitzentechnologie in hohem Tempo. Im 3. Quartal dieses Jahres hat TSMC einen Umsatz von 9,58 Milliarden Dollar gemacht. Das sind 12,6 Prozent mehr als im gleichen Vorjahresquartal und 21,6 Prozent mehr als im 2. Quartal dieses Jahres. Dabei kommt ein erheblicher und schnell wachsender Anteil aus der Produktion von 7-nm-Chips – bereits 26 Prozent. Und schon im kommenden Jahr soll die Produktion von Chips mit 5-nm-Strukturbreiten anlaufen.

Bisher gibt es weltweit erst ganz wenige EUV-Chipbelichter. Hier ist der Scanner von ASML aus den niederlanden mit visualisiertem Strahlengang durch die Röntgenspiegel zu sehen. Foto: ASML

EUV-Scanner von ASML aus den Niederlanden für neueste Chip-Generationen. Foto: ASML

Das wäre auch in Europa möglich. Zurzeit ist das nötige Know-how in den Forschungseinrichtungen (IMEC in Belgien, Fraunhofer in Deutschland) und bei Ausrüstungsherstellern (ASML in den Niederlanden für die Lithographie) noch vorhanden, um eine solche moderne Fertigungsstätte in Europa aufzubauen. Woran es fehlt, ist eine geeignete Wirtschaftsstrategie. Die aber liefert leider auch das BMBF nicht.

Kommentar: Bernd Junghans

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt