Ausbildung, Quanten und Neurorechner: Fraunhofer-Forschungsfabrik Mikroelektronik wächst
Berlin/Dresden/Frankfurt an der Oder, 8. Dezember 2022. Die „Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland“ (FMD) wächst: Der durch Fraunhofer dominierte Institutsverbund hat eine neue „Mikroelektronik-Akademie“ bekommen sowie ein Modul für „Quanten- und neuromorphes Computing“ (QNC). Das hat die FMD-Geschäftsstelle in Berlin mitgeteilt.
Auf Berlin, Dresden, Frankfurt/Oder und weitere Standorte verteilt
Die Akademie und das QNC-Modul werden über das ganze Bundesgebiet verteilt sein. Die Zentrale in Berlin, der Mikroelektronik-Standort Dresden sowie der ehemalige DDR-Halbleiterstandort Frankfurt/Oder dürften dabei aber wohl eine besondere Rolle spielen.
Neue Formate für Nanoelektronik-Ausbildung gefragt
„Die Mikroelektronik-Akademie soll neue Inhalte und Formate zur Ausbildung von Fachkräften auf dem Gebiet der Mikro- und Nanoelektronik entwickeln und erproben“, informierte die FMD-Zentrale. Gedacht seien diese Bildungsangebote „als Ergänzung zur universitären Ausbildung oder als Zusatzqualifikation“. Erste Direktor der neuen Akademie ist Prof. Gerhard Kahmen von der IHP GmbH aus Frankfurt-Oder, die als „Institut für innovative Mikroelektronik“ zur Leibniz-Gemeinschaft gehört. Die Finanzierung und die Aufbauphase sind an die Projekte QNC sowie das „Kompetenzzentrum für eine ressourcenbewusste Informations- und Kommunikationstechnik“ („GreenICT@FMD“) gekoppelt.
In Sachsen gibt es bereits seit 20 Jahren eine Chip-Akademie
In Dresden war bereits im Jahr 2002 aus einem örtlichen Siemens-Berufsausbildungszentrum eine „Chip-Akademie“ entstanden, an dem ansässige Halbleiterunternehmen beteiligt waren. Nach der Qimonda-Pleite änderten sich der Betreiber und der Stellenwert der Akademie. Inzwischen betreibt die SBH Nordost GmbH die „Dresden Chip Academy“, die wiederum zur „Stiftung Bildung & Handwerk“ aus Paderborn gehört.
Intel Magdeburg und Ausbau in Dresden sorgen für starke Fachkräfte-Nachfrage
Neue Lehrlinge, Fachkräfte und Akademiker für die deutsche Halbleiterbranche zu gewinnen, wird in Sachsen und bundesweit mittlerweile zu einem drängenden Problem: Suchten nach der Wende noch zahlreiche DDR-Mikroelektroniker aus Dresden, Erfurt, Frankfurt/Oder und Teltow nach neuen Jobs, so ist dieses Fachkräfte-Reservoir durch Infineon, X-Fab, Globalfoundries, Bosch und andere Akteure längst aufgesogen. Durch die neuesten Ausbaupläne in Dresden, die geplanten Intel-Megafabs in Magdeburg, die erhoffte Ansiedlung von TSMC in Sachsen und weitere Investitionen steigt der Bedarf weiter, während durch den demografischen Wandel der „innere“ Nachschub für die Branche immer dünner wird.
QNC soll Entwicklung deutscher Quanten- und Neurocomputer voranbringen
Das neue Entwicklungsmodul FMD-QNC wiederum die Forschungsfabrik Mikroelektronik um neue Schwerpunkte und Partner. Unter anderem stoßen zu den 13 etablierten Forschungseinrichtungen nun die Fraunhofer-Institute IMWS, IOF, IPM und ILT, das Forschungszentrum Jülich sowie die AMO GmbH dazu. Inhaltlich wollen hier anwendungsnahe sie Chips, Rechentechnik und komplexe Anlagen entwickeln und austesten, die mit Quantentechnologie arbeiten beziehungsweise so ähnlich wie das menschliche Gehirn mit seinen Neuronen-Netzen rechnen. Projektleiter ist hier Oliver Pyper vom der FMD Berlin.
Supraleit-Chips, Ionenfallen und Quantenpunkte
Die FMD plant für ihr QNC-Modul unter anderem industrienahe Forschungs- und Pilotlinien für supraleitende und memristive Schaltkreise, für die dreidimensionale Konstruktion komplexer Chipstrukturen („3D-Systemintegration“) und neue Strahlquellen. „Im Ergebnis sollen Lösungen für die teilweise extremen Betriebsumgebungen wie Vakuum, kryogene Temperaturen oder elektromagnetische Abschirmung erarbeitet werden“, heißt es in der Projektbeschreibung. „Damit werden die prozesstechnischen und technologischen Voraussetzungen für Design, Herstellung und Charakterisierung von Chips für neuromorphes Computing wie auch verschiedene QC-Technologien (supraleitend-, Neutralatom-, Ionenfallen- und Quantenpunkt-basiert) geschaffen.“
Pilotlinien sollen gleich im 300-mm-Profiformat entstehen
Da die FMD hier ausdrücklich Chip-Testfabriken nutzen will, die Halbleiter-Scheiben mit 300 Millimeter Durchmesser bearbeiten können, dürften die Dresdner 300-mm-Forschungsreinräume hier eine besondere Rolle spielen. Dazu gehören das Fraunhofer-Photonikinstitut IPMS, das Nanoelektronikzentrum CNT, das Chipendmontage-Forschungszentrum Assid in Boxdorf und das neue CACHS neben der Bosch-Fabrik.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: FMD, Oiger-Archiv, Dresden Chip Academy, BMBF
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