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Schweden ätzen in Sachsen den Weg zu Nanochips frei

Dr. Dmitry Suyatin, Dr. Amin Karimi und Dr. Reza Jafari Jam von "Alixlabs" im Nanolab-Reinraum der Uni Lund. Foto: Alixlabs / Uni lund

Dr. Dmitry Suyatin, Dr. Amin Karimi und Dr. Reza Jafari Jam von „Alixlabs“ im Nanolab-Reinraum der Uni Lund. Foto: Alixlabs / Uni Lund

Alixlabs Lund will bei Fraunhofer Dresden eine Alternative zur teuren EUV-Belichtungstechnik fabrikreif machen

Dresden/Lund, 2. Dezember 2022. Die schwedische Uni-Ausgründung „Alixlabs“ aus Lund will in Sachsen ein neues Ätzverfahren zur Fabrikreife führen. Das soll die Produktion von Nanoelektronik der neuesten Generation deutlich preiswerter möglich machen als bisher kalkuliert. Laut Alixlabs-Chef Jonas Sundqvist lassen sich damit auch ohne sündhaft teure Extremultraviolett-Belichter (EUV) besonders feine Chipstrukturen von weniger als zehn Nanometern erzeugen.

Der Mikroelektronik-Experte Dr. Jonas Sundqvist ist der Geschäftsführer von "Alix Labs" im schwedischen Lund. Foto: Alix Labs

Der Mikroelektronik-Experte Dr. Jonas Sundqvist ist der Geschäftsführer von „Alix Labs“. Foto: Alix Labs

In Schweden keine 300-mm-Reinräume: Uni-Ausgründung geht zu Fraunhofer Dresden

„Das Fraunhofer-Ökosystem hier in Dresden bietet für uns die besten Möglichkeiten, unser Verfahren zügig vom Labor in den Fabrikmaßstab zu überführen“, sagt der promovierte Chemiker. Vor allem das Fraunhofer-Nanoelektronikzentrum „CNT“ und das neue „Center for Advanced CMOS & Heterointegration Saxony“ (Cachs) in der ehemaligen Elektronikpapier-Fabrik von „Plastic Logic“ böten gute Möglichkeiten, die neue Technik gleich auf Pilotlinien mit 300 Millimeter großen Siliziumscheiben (Wafers) zu transferieren. In Schweden gebe es solche Möglichkeiten leider nicht. Diese und weitere Infrastrukturen am Mikroelektronik-Standort Dresden seien entscheidend gewesen, sich nach einer internationalen Standortsuche für den Freistaat zu entscheiden. „Wir wollen unsere Technologie rasch in den Markt einführen.“

Ingenieure bedienen in einem Reinraum des Fraunhofer-Photonikinstituts IPMS in Dresden Anlagen für die experimentelle Chipfertigung. Foto: Max Drescher für das Fraunhofer-IPMS

Ingenieure bedienen in einem Reinraum des Fraunhofer-Photonikinstituts IPMS in Dresden Anlagen für die experimentelle Chipfertigung. Foto: Max Drescher für das Fraunhofer-IPMS

Schwedische Ätztechnik könnte bei Europas Aufholjagd helfen

Und sollte sich die schwedische Ätztechnik durchsetzen, hätte dies auch eine europäische Dimension. Denn die EU will den europäischen Anteil an der internationalen Halbleiter-Produktion auf 20 Prozent verdreifachen. Bisher jedoch verfügt keine einzige Chipfabrik auf dem Kontinent über Anlagen, um Mikroelektronik der allerneueste Generationen unterhalb von zehn Nanometern (Millionstel Millimetern) massenhaft herzustellen. Dies ist derzeit nur wenigen Großkonzernen wie TSMC in Taiwan, Samsung in Südkorea und bald wohl auch Intel in den USA möglich. Erst wenn 2027 die beiden Magdeburger Intel-Fabs produktionsbereit sind, werden voraussichtlich auch erstmals im EU-Raum Chips der Sub-10-nm-Klasse gebaut.

Bisher gibt es weltweit erst ganz wenige EUV-Chipbelichter. Hier ist der Scanner von ASML aus den niederlanden mit visualisiertem Strahlengang durch die Röntgenspiegel zu sehen. Foto: ASML

EUV-Chipbelichter von ASML mit visualisiertem Strahlengang durch die Röntgenspiegel. Foto: ASML

Um solch kleine Transistor-Strukturen zu erzeugen, setzen die Halbleiter-Riesen meist auf EUV-Anlagen von ASML. Die werden zwar in Europa hergestellt, kosten aber mehrere Hundert Millionen Euro pro Stück – was teilweise auch die exorbitant gestiegenen Kosten für neue Chip-Megafabs erklärt. Europäische Mikroelektronik-Unternehmen wollten beziehungsweise konnten sich solche Anlagen bisher nicht im Fabrikmaßstab leisten. Sollten sich die Schweden nun tatsächlich mit ihrer Ätztechnik durchsetzen, könnte das die Karten in diesem Highend-Segment neu mischen.

Alixlabs-Chef schon seit Jahren mit Sachsen verbunden

Zwar haben schon viele Tüftler behauptet, sie könnten mit überraschenden Erfindungen eine ganze Industrie umkrempeln und sind dann doch nur kleinlaut gescheitert. Alixlabs verdient indes, ernst genommen zu werden: Das fünfköpfige Team vereint jahrzehntelange Mikroelektronik-Erfahrung. Geschäftsführer Jonas Sundqvist spezialisierte sich bereits in seiner Promotion in Uppsala auf die Atomlagen-Abscheidung („Atomic layer deposition“, kurz: ALD) für die Chipproduktion. Später forschte er auch an der Uni Lund, arbeitete bei Infineon, Qimonda, im Fraunhofer-Keramikinstitut IKTS und im Fraunhofer-CNT, wobei er sich unter anderem auch auf Chip-Ätztechniken spezialisierte.

Ätzfirma 2019 aus Uni Lund ausgegründet

Diese starke Verwurzelung des Schweden in Sachsen mag auch bei der jüngsten Standortwahl eine Rolle gespielt haben: 2019 gründete Sundqvist gemeinsam mit seinem alten Team von der Uni Lund und weiteren Mitstreitern eine eigene Firma aus. „ Alixlabs“ spezialisierte sich seitdem auf die Atomlagen-Ätztechnik („Atomic Layer Etching“, kurz: ALE) und entwickelte sie zum „Atomic Layer Etch Pitch Splitting“ (APS) weiter, das besonders kleine Nanoelektronik-Strukturen erzeugen kann.  Dabei spalten sie bereits vorgegebene Nanostrukturen. Zwar ist in der Regel eine Kombination mit klassischen und neueren Lithografieverfahren, Mehrfachstrukturierung (Multiple Patterning) sowie anderen Chip-Produktionstechniken nötig und möglich, um letztlich komplette Halbleiterstrukturen zu generieren. Doch durch die Ätzschritte soll eben auch der Vorstoß in die Nanowelt auch ohne EUV möglich werden und die Fertigungskosten deutlich senken. Alternativ sei es möglich, die Technik mit EUV zu kombinieren und dadurch noch feinere Strukturen zu produzieren, betont Sundqvist.

"Alix Labs" erzeugt mit dem APS-Verfahren Nanostrukturen. Foto: Alix Labs

„Alix Labs“ erzeugt mit dem APS-Verfahren Nanostrukturen. Foto: Alix Labs

Im Labor funktioniert’s bis hinunter zu 2 Nanometern – nun steht der Praxisbeweis an

Bisher funktioniert das Verfahren laut Alixlabs im Labormaßstab bis hinunter zu zwei Nanometern. Nun aber müssen die Schweden den Beweis antreten, ob und wieviel ihr Verfahren auch im Fabrikmaßstab taugt. Im Mai 2022 haben die Versuche im Dresdner CNT-Reinraum begonnen. Weil der Transfer dauern wird, will Alixlabs demnächst eine Tochterfirma in Sachsen gründen. Die Belegschaft in Schweden und Sachsen soll in den nächsten Jahren schrittweise bis auf zunächst 30 Beschäftigte wachsen.

Geld von Risikokapitalisten und aus Lizenz-Einnahmen

Ab der Jahreswende 2026/27 will Sundqvist das schwedische Ätzverfahren dann soweit haben, dass die ersten Kunden diese Systeme in großen Chipfabriken hochfahren können. Dann soll die Uni-Ausgründung auch die ersten größeren Umsätze durch Lizenzvergaben erlösen. Um die Zeit und Kosten bis dahin zu überbrücken, wollen die Schweden ab 2023 weiteres Geld von Risikokapitalisten einsammeln.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen. Interview Sundqvist, Alixlabs, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt