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Nanoelektronik-Großforschungszentrum in der Lausitz vorgeschlagen

300-Millimeter-Scheibe mit aufprozessierten Test-Chips. Foto. Globalfoundries / Fraunhofer IPMS

300-Millimeter-Scheibe mit aufprozessierten Test-Chips. Foto. Globalfoundries / Fraunhofer IPMS

Millionenzuschüsse von Bund und Freistaat möglich

Görlitz, 28. April 2021. Fraunhofer und die „Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland“ (FMD) setzen sich beim Bundesforschungsministerium (BMBF) dafür ein, dass in der sächsischen Lausitz ein Elektronik-Großforschungszentrum errichtet wird. Das hat FMD-Geschäftsstellenleiter Stephan Guttowski im Oiger-Gespräch mitgeteilt. Wenn die entsprechende Ideenskizze den Zuschlag erhält, könnte dieses Zentrum mit rund 170 Millionen Euro Zuschüssen vom Bund und vom Freistaat Sachsen rechnen.

Ansiedlung könnte deutsche Antwort auf nationale Elektronikzentren wie Leti und Imec sein

„Im Mittelpunkt soll die Nanoelektronik stehen“, sagte Guttowski. Dabei gehe es sowohl um Grundlagenforschung wie auch die Anwendungen neuer Halbleitertechnologien. (Aktualisierung): Allerdings soll das Zentrum in der Lausitz kein solch zentraler Halbleiter-Netzwerkknoten sein wie es Frankreich und Belgien mit ihren nationalen Mikroelektronik-Forschungszentren Cea-Leti in Grenoble oder das Imec in Löwen haben, hat uns inzwischen eine Quelle mitgeteilt, die nicht genannt werden will. Die FMD selbst hat noch einmal eine andere Ausrichtung: Als Institutsverbund und virtuelle Chipfabrik ist aber eher anwendungsorientiert ausgerichtet. Schon seit Jahren gibt es allerdings in Sachsen Forderungen, auch etwas in der Liga von Leti und Imec auch im Freistaat zu etablieren. Frühere Versuche noch unter dem damaligen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU), das Imec zumindest zur Gründung einer Forschungs-Außenstelle in Dresden zu animieren, waren seinerzeit allerdings gescheitert.

Der Untermarkt in Görlitz: Hier mietet sich das neues Casus-Institut in der Aufbauphase ein. Foto: Sabine Wenzel für das HZDR

In Görlitz hat sich auch das neues Casus-Institut angesiedelt. Foto: Sabine Wenzel für das HZDR

Zentrum soll in Grenznähe zu Polen entstehen

Zur Debatte steht eine Ansiedlung bei Görlitz, also in der unmittelbaren Nachbarschaft zum Dreiländerdreieck. Mit solch einer Standortwahl könnten die Initiatoren mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Von dort aus wäre – ähnlich wie schon beim neuen „Casus“-Institut in Görlitz – eine enge Kooperation mit polnischen und tschechischen Forschungseinrichtungen denkbar, beispielsweise mit der Uni Breslau. Grenzüberschreiteten Projekte gemeinsam mit Osteuropa sehen wiederum die Fördermittelgeber der EU in Brüssel gern. Auch könnte solch ein Zentrum mit 1000 bis 2000 Mitarbeitern zusätzliche Jobeffekte im Umfeld erzeugen und den Strukturwandel der Lausitz nach dem Kohleausstieg unterstützen – auch von daher könnten zusätzliche Fördermittel locken.

Silicon Saxony würde erheblich wachsen

Und nicht zuletzt wäre es durch die inhaltliche Ausrichtung eines Nanoelektronik-Zentrums möglich, auch Mittel aus den Beihilfeprogrammen für „Wichtige Projekte von gemeinsamem europäischen Interesse“ (Ipcei) an Land zu ziehen. Zudem können erfahrungsgemäß große Elektronikforschungszentren oft auch Chipfabrik-Investitionen anziehen, die in der Lausitz wiederum von der Nähe zum „Silicon Saxony“ und den Halbleiter-Infrastrukturen in und um Dresden profitieren könnten. Und womöglich könnte dann auch noch einmal über den Plan nachgedacht werden, in Sachsen eine große Eurofoundry zu etablieren. Allerdings wäre dafür auch eine bessere Verkehrsanbindung von Görlitz notwendig.

Anja Karliczek ist Bundesministerin für Bildung und Forschung. Foto: Laurence Chaperon für das BMBF

Anja Karliczek ist Bundesministerin für Bildung und Forschung.
Foto: Laurence Chaperon für das BMBF

Zwei Großforschungszentren sollen Kohleausstieg versüßen

Hintergrund: Im November 2021 hatten Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Ansiedlung zweier Großforschungszentren mit insgesamt 3000 Mitarbeitern und jeweils bis zu 170 Millionen Euro Jahreszuschuss in den sächsischen Kohleausstiegs-Regionen versprochen. Als wahrscheinlich gilt, dass je eines davon in den Braunkohle-Revieren in der Lausitz und bei Leipzig entstehen werden. Bis zum 30. April 2021 – also bis zum Freitag – können Wissenschaftler Ideenskizzen für solche Großforschungszentren einsenden.

Braunkohle-Kraftwerk von Vattenfall Boxberg in der Oberlausitz. Der schwedische Konzern hat bereits angekündigt, sich aus der ostdeutschenBraunkohle zurückziehen zu wollen. Foto: Vattenfall

Braunkohle-Kraftwerk Boxberg in der Oberlausitz. Foto: Vattenfall

Die Federführung für das Projekt Nanoelektronik in der Lausitz hat laut FMD der Werkstoffwissenschaftler Prof. Harald Kuhn, der das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme (ENAS) in Chemnitz leitet. (Aktualisierung): Prof. Kuhn wollte sich auf Anfrage allerdings nicht zum Projekt äußern, bevor die Ideenskizze einreicht ist.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: FMD, BMBF, Oiger-Archiv

Zum Weiterlesen:

Großforschungszentren in Kohlerevieren geplant

Sachsen plant Casus in Görlitz

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt