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Minister: Chips aus Sachsen machen EU krisenfester

Blick in das 300-mm-Fabrikmodul von Infineon Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Blick in das 300-mm-Fabrikmodul von Infineon Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Seit DDR-Zeiten gewachsenes Ökosystem und langfristige Fachkräfte-Ausbildung generieren selbstverstärkende Wachstumsimpulse

Dresden/Freiberg/Moritzburg, 28. März 2024. Fähige Ingenieure und andere hochqualifizierte Fachkräfte waren und sind einer der Schlüsselfaktoren für das starke Mikroelektronik-Ökosystem, das sich seit DDR-Zeiten im Dreieck Dresden-Freiberg-Chemnitz gebildet hat. Und dieses Netz aus technologie-orientierten Forschungseinrichtungen, Halbleiterwerken, Zulieferern und Gerätebauern ist wiederum mitverantwortlich dafür, dass das heutige „Silicon Saxony“ immer neue Chipfabrik-Ansiedlungen wie jüngst wie die von TSMC anzieht oder Ausbau-Entscheidungen wie die von Infineon auslöst. Wichtig ist es nun dafür zu sorgen, dass der Zufluss fähiger Menschen in die sächsische Halbleiter-Industrie nicht versiegt. Das hat sich während einer Mikroelektronik-Tour des sächsischen Wirtschaftsministers Martin Dulig (SPD) deutlich gezeigt.

FCM-Technikchef Stefan Eichler (links) und FCM-Chef Michael Harz (rechts) erklären dem sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig (Mitte) die Kristallzucht von Verbindungshalbleitern in Freiberg. Foto: Heiko Weckbrodt

FCM-Technikchef Stefan Eichler (links) und FCM-Chef Michael Harz (rechts) erklären dem sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig (Mitte) die Kristallzucht von Verbindungshalbleitern in Freiberg. Foto: Heiko Weckbrodt

Sachsen müht sich um neue Fachkräfte

Die Branche profitierte sichtlich „von den vielen hoch qualifizierten Ingenieuren und Facharbeitern, die dazu beitragen, dass der Freistaat Sachsen in der Halbleiterindustrie eine Spitzenposition in Europa eingenommen hat“, betonte Dulig in einem Resümee. „Unter dem Eindruck der neu entstehenden Produktionskapazitäten arbeiten wir verstärkt daran, dass Dresden auch künftig mit attraktiver Aus- und Weiterbildung sowie guten Beschäftigungschancen Heimat für Top-Leute aus nah und fern bleibt und wird.“

Infineon-Manager: Wo einmal eine Chipfabrik ist, wird vieles einfacher

Ähnlich sieht das beispielsweise auch Geschäftsführer Thomas Richter von Infineon Dresden – das Unternehmen investiert gerade mit Staatshilfe fünf Milliarden Euro in eine vierte Fabrik in der sächsischen Landeshauptstadt: Das Herzstück der neuen Fab, die derzeit im Dresdner Norden entstehe, sei zwar der teuerste Reinraum, den Infineon bisher gebaut habe. Dies liege unter anderem an den Zusatzausgaben für eine umweltfreundlichere Chip-Produktion und an gestiegenen Baukosten. Dennoch habe sich der Konzern bewusst für Dresden entschieden: „Wenn die Infrastrukturen für eine Chipfabrik einmal da sind, ist vieles einfacher“, betont er. Gemeint sind damit beispielsweise Zulieferer von Spezialgasen und -materialien, von Sonderausrüstungen und dergleichen für die Chipproduktion, aber auch die dafür nötigen Medienanschlüsse. Wichtig sei es aber eben auch, den Fachkräfte-Nachschub trotz des demografischen Wandels in Sachsen und auch ganz konkret in der Infineon-Belegschaft – und zudem mitten in einer Ausbau-Phase – zu sichern. Deshalb baue das Unternehmen auch seine eigenen Ausbildungskapazitäten aus, werde „auf die eine oder andere Weise“ das geplante überbetriebliche „Sächsische Ausbildungszentrum für Mikroelektronik“ (SAM) mitfinanzieren und bemühe sich auch sehr darum, hiesige und internationale Ingenieure nach Dresden zu holen und hier zu halten.

Beispiele: TU-Ingenieur gründet Reinraum-Robotik-Firma, Kühlanlagenbauer schießen sich auf Öko-Kältetechnik für Chipfabriken ein

Wie wichtig Ingenieurgeist für das „Silicon Saxony“ ist, zeigen auch die vielen Erfolgsgeschichten jenseits der großen Chipkonzerne, in den kleinen, agilen Zulieferern und Spezialunternehmen. Beispiele dafür sind etwa Andenso Moritzburg und die „Sachsen-Kälte“ Dresden: Die Roboterfirma Adenso etwa wurde vom Dresdner TU-Absolventen Uwe Beier gegründet, atmet ganz und gar den Erfinder- und Konstrukteursgeist sächsischer Ingenieure und hat sich zu einem hochspezialisierten Robotertechnik-Entwickler für große Chipfabrik-Ausrüster weltweit profiliert. Die „Sachsen-Kälte“ wiederum wurde nach der Wende von Spezialisten des VEB Kühlanlagenbaus gegründet und beliefert heute Halbleiterwerke und andere Technologiebetriebe mit besonders energiesparsamer und umweltfreundlicher Klima- und Kältetechnik.

Weltmarktführer für GaAs-Spezialhalbleiter züchtet seine Kristalle in Freiberg

Wurzeln in der DDR-Technologiepolitik haben auch andere Nischen-Weltmarktführer in Sachsen: Dazu gehört unter anderem die neue Fabrik für Mikrooptiken, die Jenoptik in Dresden hochzieht. Und Jenoptik wiederum ist eine der Firmen, die aus den Überresten des ostdeutschen Technologiekombinats VEB Carl Zeiss Jena entstanden. Ein weiteres Beispiel: Nach der Wende zerfiel der Kern-Materialzulieferer der DDR-Mikroelektronik, der VEB Spurenmetalle Freiberg, in viele privatwirtschaftliche Unternehmungen. Dazu gehörten große Wafer-Hersteller wie Siltronic, mehrere Solarfirmen, aber auch die „Freiberger Compound Materials“ GmbH (FCM). Die ist heute Weltmarktführer für Galliumarsenid-Kristallscheiben, die beispielsweise für die Produktion von Hochfrequenz-Chips gebraucht werden – und diese aus Freiberger Materialien gemachten Schaltkreise stecken inzwischen in den meisten Handys weltweit.

Jahrzehntealte Weichenstellungen wirken bis heute

Insofern hat die heutige Positionierung von Sachsen als ein europaweit führender Mikroelektronik-Standorte eine lange Vorgeschichte, die viel mit industriepolitischen Weichenstellungen der Vergangenheit zu tun hat, aber auch mit langfristig organisierter Fachkräfte-Ausbildung in Sachsen und Thüringen – und einer Halbleiter-Expertise, die über Jahrzehnte hinweg akkumuliert wurde.

Breites Wertschöpfungs-Netz entstanden

Heute hat die Branche „Mikroelektronik/Informations- und Kommunikationstechnik“ einen Anteil von jeweils 14 Prozent am sächsischen Industrieumsatz und am Auslandsumsatz der sächsischen Industrie, berichtet das Wirtschaftsministerium. Insgesamt beschäftigen im „Silicon Saxony“ rund 3650 Hightech-Betriebe rund 76.000 Menschen. „Silicon Saxony deckt mit den hier wirkenden Forschungseinrichtungen, Produzenten, Software-Firmen, Zulieferern und Dienstleistern die gesamte Wertschöpfungskette der Mikroelektronik ab und besitzt damit ein absolutes Alleinstellungsmerkmal“, schätzt Minister Dulig ein. „Das Know-how aus Sachsen hilft der EU, sich schrittweise aus der hohen Abhängigkeit vom US-amerikanischen und insbesondere vom asiatischen Markt zu lösen. ,Made in Saxony‘ stabilisiert die Lieferketten und macht Europa insgesamt krisenfester.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: SMWA, Vor-Ort-Besuche und Auskünfte FCM, Sachsen-Kälte, Infineon, Jenoptik, Adenso, Oiger-Archiv, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt