Halbleiterindustrie, News, Wirtschaftspolitik, zAufi

FCM baut Spezialhalbleiter-Zucht in Freiberg aus

Blick in die Galliumarsenid-Waferfertigung bei FCM. Die Freiberger wollen nun auch die Galliumnitrid-Technologie in den Griff bekommen. Abb.: FCM

Blick in die Galliumarsenid-Waferfertigung bei FCM. Abb.: FCM

Ipcei-Projekte zielen auf größere Scheiben für Handy-, Laser- und Militär-Chips

Freiberg/Dresden, 26. September 2023. Mit Blick auf den starken Bedarf nach Funk-Chips und andere Spezial-Schaltkreise aus Verbindungs-Halbleitern will die „Freiberger Compound Materials“ (FCM) künftig auch größere Chip-Scheiben (Wafer) aus Galliumarsenid mit 200 statt nur 150 Millimetern Durchmesser züchten. Außerdem plant das sächsische Mikroelektronik-Unternehmen, in Zukunft auch größere Wafer aus Indium-Phosphor-Verbindungen (6 statt bisher 4 Zoll) sowie Galliumnitrid (4 statt 2 Zoll) anzubieten, die für blaue Laser, Leistungselektronik und Datenübertragungs-Bauelemente gebraucht werden. Das hat FCM-Technikchef Stefan Eichler bei einem Alumni-Treffen ehemaliger Mikroelektroniker in den Technischen Sammlungen Dresden angekündigt.

Sondersubventionen von Bund und Land in Sicht

FCM will demnach diese Entwicklungsvorhaben als „Wichtige Projekte von gemeinsamem europäischen Interesse“ (Ipcei) einstufen lassen und dafür Sondersubventionen von Bund und Land beantragt. „Das ist nicht zuletzt eine Frage der Resilienz in Europa“, begründete Stefan Eichler den Stellenwert dieser FCM-Pläne. Denn für viele Verbindungshalbleiter und deren Ausgangsstoffe gebe es nur ganz wenige Anbieter weltweit. Und die residieren bisher nicht unbedingt im EU-Raum. Ohnehin sind Wafer aus purem Galliumnitrid (statt bloß beschichteter Silizium-Wafer) noch rar gesät. Eben dieser Verbindungshalbleiter ist aber die Basis für besonders effiziente Leistungselektronik für Elektroautos, Ladestationen, Solar- und Windkraftanlagen.

Verschiedene Wafer-Größen von 150 bis 300 Millimeter - hier aus Silizium - im Vergleich in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Verschiedene Wafer-Größen von 150 bis 300 Millimeter – hier aus Silizium – im Vergleich in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

In der Silizium-Welt sind 200 und 300 mm längst die üblichen Wafer-Größen

Mit dem Umstieg auf die 200-mm-Technik wiederum würde es FCM in Zukunft seinen Kunden auch Wafer in einer der beiden in der Chipindustrie üblichen Standard-Industriegrößen anbieten können. Zudem bedeuten größere Wafer auch mehr Ertrag pro Produktionsdurchlauf.

Einer der Weltmarktführer in der Nische

FCM gilt als deutscher Halbleiter-Champion in der Nische: Das Unternehmen züchtet und produziert seit Jahrzehnten vor allem Wafer aus dem Verbindungshalbleiter Galliumarsenid. Der eignet sich besonders für Hochfrequenz-Chips. Die brauchte ursprünglich vor allem das Militär. Insbesondere seit dem Handy- und dem Smartphone-Boom überwiegen aber die zivilen Abnehmer in der FCM-Kundschaft. Galliumarsenid ist heute beispielsweise in Mobilfunk-Chips, Lasern, LEDs, einiger Solartechnik, Fernbedienungen, bei der Gesichtserkennung, in der optischen Datenübertragung an Auto-Motoren und dergleichen mehr im Einsatz.

Germanium-Schmelze in Freiberg. Im VEB Spurenmetalle wurden auch die Silizium-Wafer für die Chipindustrie der DDR und große Teile des Ostblocks produziert. Abb.: Siltronic-Archiv

Germanium-Schmelze in Freiberg. Im VEB Spurenmetalle wurden auch die Silizium-Wafer für die Chipindustrie der DDR und große Teile des Ostblocks produziert. Abb.: Siltronic-Archiv

VEB Spurenmetalle versorgte schon DDR-Chipindustrie mit Wafern

Die Versorgung von Chipfabriken mit Spezialmaterialien hat in Freiberg eine lange Tradition: 1949 entstand in der sächsischen Bergbaustadt 1949 zunächst das „Forschungsinstitut für Nichteisenmetalle“ (FNE), 1957 wurde daraus der VEB Spurenmetalle Freiberg. Dieser Staatsbetrieb belieferte die DDR-Industrie mit hochreinen Metallen und die ostdeutsche Mikroelektronik sowie viele Ostblock-Staaten mit Silizium-Scheiben. Ab 1981 produzierte der VEB auch Galliumarsenid-Scheiben für Spezial-Bauelemente – eine Zuchtlinie, aus der nach der Wende zunächst die „Freiberger Elektronikwerkstoffe“ (FEW) und dann der FCM erwuchs. 1991 übernahm die privatisierte Firma die Galliumarsenid-Technik von Wacker, 1995 stieg dann die israelische Federmann-Gruppe in Freiberg ein. Diese Nachwende-Deals kamen nicht zuletzt auf Betreiben der Bundesregierung zustande, die den wichtigen Galliumarsenid-Nachschub für Militärnachschub nicht versiegen lassen mochte, als Wacker diese Geschäftsaktivitäten einstellen wollte.

Israelische Federmann-Gruppe fokussierte Freiberger Betrieb auf Galliumarsenid

Federmann fokussierte den nun in FCM umfirmierten Betrieb ab 1996 auf die Galliumarsenid-Wafer, die zwar ein Nischenprodukt, aber weltweit gefragt waren und sind. In den Folgejahren investierte das Unternehmen insgesamt über 200 Millionen Euro in Produktionserweiterungen, neue Zuchttechnologien sowie Fabrikübernahmen aus der Solarindustrie. Seit Inzwischen betreibt FCM vier Fabriken auf den Industriepark Süd in Freiberg – gleich neben dem Siliziumwafer-Hersteller Siltronic und der Fraunhofer-Forschungsschmiede THM.

Mittlerweile produziert das Unternehmen über 800.000 Wafer pro Jahr und deckt damit einen Großteil des Weltmarktes für Gallium-Arsenid-Scheiben in der Mikroelektronik ab. 2022 kam FCM mit seinen 350 Beschäftigten auf 80 Millionen Euro Umsatz.

Bund und Länder wollen mit Ipcei-Sondersubventionen deutsche Mikroelektronik stärken

Mit den jüngsten Ipcei-Förderzusagen für die deutsche Mikroelektronik will FCM diese Marktpositionen nun ausbauen. Bund und Länder wollen in der aktuellen Förderrunde 31 deutsche Mikroelektronik-Projekte aus elf Bundesländern mit insgesamt rund vier Milliarden Euro unterstützen. Mit 877 Millionen Euro soll ein wesentlicher Teil der Ipcei-Subventionen nach Sachsen fließen – an Bosch, Ferroelectric Memory, FCM, Globalfoundries Dresden, Infineon Dresden, NXP und Siltectra.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verspricht sich von diesen Ipcei-Fördergeldern einen ordentlichen Schub für die deutsche Mikroelektronik: Die soll die deutsche und europäische Industrie unabhängiger von Chip-Lieferungen aus Fernost machen, für neue und besonders resiliente Wertschöpfungsketten in der Bundesrepublik sorgen, aber auch einen stärkeren Beitrag zur Energiewende leisten. Außerdem beschwört auch die Bundesregierung das von der EU-Kommission ausgerufene Ziel. den Weltmarktanteil der europäischen Mikroelektronik zu verdoppeln. Der Branchenverband „Silicon Saxony“ hat bei einem Gipfel in Berlin allerdings bereits angekündigt, dass für derartige Ziele eine langfristige Förderung bis 2035 benötigt werde.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Auskünfte Eichler, FCM, Oiger-Archiv, Wikipedia, BMWK

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt