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Amazon-Softwarezentrum in Dresden wächst weiter

Blick ins Entwicklungszentrum von Amazon in Dresden.  Foto: Amazon

Blick ins Entwicklungszentrum von Amazon in Dresden. Foto: Amazon

Hypervisoren und Migrations-Helfer: Entwicklerteam könnte bis 2030 auf über 400 zulegen

Dresden, 14. September 2023. Das Amazon-Entwicklungszentrum Dresden wird in den nächsten Jahren kräftig wachsen. Das hat Chris Schläger, der Leiter des „Amazon Development Center Germany“ (ADCG), heute zum zehnjährigen Gründungsjubiläum prognostiziert. Womöglich könnte das Software-Forschungszentrum an der Großenhainer Straße von derzeit rund 100 Beschäftigten bis Ende der Dekade auf dann etwa 430 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wachsen – wenn es die alten Vor-Corona-Wachstumsraten von 30 Prozent wieder erreicht und eine weitere Etage ausbaut.

Chris Schläger leitet das „Amazon Development Center Germany“ in Dresden: Linux-Experte Chris Schläger. Foto: Heiko Weckbrodt

Chris Schläger leitet das „Amazon Development Center Germany“ in Dresden: Linux-Experte Chris Schläger. Foto: Heiko Weckbrodt

Mitverantwortlich für das starke Wachstum von Amazons Cloud-Sparte

Mit seinen Forschungen an besseren Betriebssystemen für Rechnerwolken („Clouds“) habe das ADCG in den vergangenen zehn Jahren zu den starken Zuwächse der Sparte „Amazon Web Services“ (AWS) innerhalb des Digitalkonzerns Amazon beigetragen, meint Schläger. „Ohne Technologien wie die ,Live Migration Technology’, die wir hier in Dresden entwickelt haben, hätten sich die Amazon Web Services wohl kaum so dynamisch entwickeln können.“

Energie- und Umweltbilanz rückt stärker in den Fokus

Auch in Zukunft werde sich das Zentrum wichtigen Zukunftsfragen widmen: wie beispielsweise Clouds dazu gebracht werden, weniger Energie zu verbrauchen, wie sich mehr Rechenleistung bei geringeren Kosten aus den Computern herauskitzeln und wie sich die ökologische Bilanz der digitalen Dienste verbessern lässt. Von daher sei weiteres Wachstum in Dresden vorprogrammiert.

Auch das gehört im Amazon-Entwicklungszentrum in Dresden zum Arbeiten dazu: ein Spielzimmer zum Entspannen. Foto: Heiko Weckbrodt

Auch das gehört im Amazon-Entwicklungszentrum in Dresden zum Arbeiten dazu: ein Spielzimmer zum Entspannen. Foto: Heiko Weckbrodt

Vor zehn Jahren aus den Resten eines AMD-Entwicklungszentrums in Dresden entstanden

Hervorgegangen war das heutige ADCG aus dem Betriebssystem-Entwicklungszentrum OSRC von AMD in Sachsen. Als sich der US-Prozessorhersteller aus Dresden zurückzog, wechselte Chris Schläger 2013 mit einem Kernteam zu Amazon: Der ehemalige Internet-Buchhändler war da längst zu einem Online-Riesen gewachsen, der nebenher seine eigenen Rechnerkapazitäten durch Vermietung an Kunden besser auslasten wollte. Die damals noch junge AWS-Sparte suchte Betriebssystem-Experten für diese Cloud-Dienste und fand sie in dem Dresdner Team in Dresden. Schläger und seine Kollegen residierten zunächst im Waldschlösschenareal und zogen 2021 in eine sanierte ehemalige Schreibmaschinenfabrik hinterm Bahnhof Neustadt um. Um neue Talente zu gewinnen, kooperiert das Team unter anderem mit der TU Dresden und dem Manos-Gymnasium. Auch ist das Zentrum seit kurzem auch Mitglied im „Silicon Saxony“-Netzwerk.

Das Entwicklungszentrum der "Amazon Web Services" in Dresden befindet sich an der Großenhainer Straße. Foto: Heiko Weckbrodt

Das Entwicklungszentrum der „Amazon Web Services“ in Dresden befindet sich an der Großenhainer Straße. Foto: Heiko Weckbrodt

Migrationstechnologie aus Dresden macht schnelle und unbemerkte Verschiebeaktionen möglich

Spezialisiert ist das Dresdner Kollektiv vor allem auf „Hypervisoren“, die auf physischen Rechnern virtuelle Computer einrichten. Darauf basierend entwickelten die Programmierer dann die „Live Migration Technology“. Die erlaubt es der Amazon-Sparte AWS, die Daten ihrer Kunden schnell und reibungslos zum Beispiel von älteren auf neuere Computer zu verlagern oder bei schwacher Rechenlast auf verbrauchsarme Systeme zu verschieben. Und das spart wiederum Energie und Kosten – und entlastet letztlich auch die Umwelt, betont Schläger.

Weitere Standorte in Berlin, Aachen und Tübingen eröffnet

Seit den Anfängen vor zehn Jahren hat Amazon die Deutschen freilich mit mehr und mehr Entwicklungsaufgaben betraut. Daher hat das ADCG neben Dresden inzwischen auch weitere Standorte: Berlin kümmert sich um das Maschinelle Lernen (ML), Aachen um Sprachverarbeitungs-Software und Tübingen als jüngster deutscher Standort um Robotik sowie ebenfalls ML.

Freuen sich im Amazon-Entwicklungszentrum Dresden (von links nach rechts): Der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert, Zentrumsleiter Chris Schläger, Ministerpräsident Michael Kretschmer und US-Botschaftsrat Stephen Anderson. Foto: Heiko Weckbrodt

Freuen sich im Amazon-Entwicklungszentrum Dresden (von links nach rechts): Der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert, Zentrumsleiter Chris Schläger, Ministerpräsident Michael Kretschmer und US-Botschaftsrat Stephen Anderson. Foto: Heiko Weckbrodt

Ministerpräsident: Wir brauchen eingekaufte Technologie wie bei TSMC – aber auch eigene Entwicklungen wie bei Amazon Dresden

Angesichts dieses Wachstums nannte US-Botschaftsrat Stephen Anderson das ADCG eine Erfolgsgeschichte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den USA. Das sieht der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ähnlich: Während Ansiedlungen wie die von TSMC eher ein „eingekaufter“ Technologietransfer nach Sachsen seien, habe das Amazon-Team in Dresden ganz eigene, genuin hier verortete Technologien geschaffen, sagte er mit Blick auf die Debatten um milliardenschwere Ansiedlungs-Subventionen für die taiwanesische Chipschmiede TSMC. Eigene Technologien seien wiederum ein besonders wichtiger Erfolgsfaktor für einen Standort, der eben nicht nur mit Chips und Autos, sondern eben auch mit wegweisender Software-Entwicklung punktet. Generell habe gerade die Softwaresparte ganz wesentlich zum Beschäftigungszuwachs in der Landeshauptstadt in den vergangenen Jahren beigetragen, ergänzte der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) aus lokaler Perspektive.

Noch viel Potenzial an Schnittstelle zwischen Betriebssystem und Prozessor

Und gerade an der Schnittstelle zwischen Hard- und Software, an der sich das Dresdner Amazon-Team bewegt, schlummert noch viel Potenzial, davon ist auch Schläger überzeugt. Nicht ohne Grund habe sich Amazon – eigentlich eher ein elektronisches Handels- und Software-Unternehmen – auch zu einem Chiphersteller entwickelt, habe mit dem „Graviton“ einen spezialisierten Cloud-Prozessor entwickelt, argumentiert der ADCG-Chef. „Anfangs lief das alles noch gut mit Standardtechnik“, sagt Schläger. „Inzwischen sind aber die meisten Computer in unseren Rechenzentren custom-designd, haben also spezielle Hardware.“ Daran zeige sich, wie sehr Betriebssystem, Prozessor sowie andere Soft- und Hardware zusammengedacht werden müssten.

Starke Betriebssystem-Gemeinde in Dresden gewachsen

Umso erfreulicher sei es, dass gerade in Dresden zusammen mit der Chipbranche auch eine starke Gemeinde von Betriebssystem-Experten gewachsen sei. „Ich bin auch zuversichtlich, dass dieser Bereich hier weiter wächst“, meint Schläger. Und dies wiederum könnte sich womöglich für künftige Ansiedlungen noch auszahlen – man denke nur an die jüngeren Projekte mit RISC-V-Prozessorarchitekturen in der Stadt.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: AWS/ADCG, Vor-Ort-Besuch, Einschätzungen Schläger, Kretschmer, Hilbert und Anderson, Oiger-Archiv, Redhat

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt