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Sachsen melden Interesse an geplanter RISC-V-Prozessorschmiede an

Das Fraunhofer-Photonikinstitut IPMS zeigt zur Dresdner Wissenschaftsnacht auch einen Wafer mit neuartigen ferroelektrischen Speicherchips. Daraus wollen Elektroniker künstliche Nervenzellen und Synapsen konstruieren. Derartige neuromorphe Netze sollen künftig mit besonders niedrigem Energieverbrauch Datenfluten nach Mustern durchforsten, autonom fahrende Autos und Künstliche Intelligenzen hardware-seitig unterstützen. Foto (bearbeitet, freigestellt): Heiko Weckbrodt

Foto (bearbeitet, freigestellt): Heiko Weckbrodt

Standort für neues Gemeinschaftsunternehmen von Infineon, Bosch & Co. noch unklar

München/Stuttgart/Hamburg/Dresden, 10. August 2023. Deutsche und skandinavische Halbleiter-Unternehmen wollen gemeinsam eine Chipfirma gründen, die die Entwicklung von RISC-V-Prozessoren in Europa vorantreiben soll. Das haben die Gründungspartner Bosch, Infineon, Nordic Semiconductor, NXP und Qualcomm bekannt gegeben. Das Unternehmen soll vor allem Autoschaltkreise mit wenig Stromverbrauch entwickeln, später auch Chips für das Internet der Dinge (IoT) und mobile Geräte. Auch aus Sachsen gibt es Interesse für die Ansiedlung solch einer Prozessorschmiede.

Frank Bösenberg. Foto: Tommy Halfter für Silicon Saxony

Frank Bösenberg. Foto: Tommy Halfter für Silicon Saxony

„Silicon Saxony“: Firma würde gut nach Sachsen passen

Der genaue Standort stehe noch nicht fest, erklärte ein Infineon-Sprecher auf Oiger-Anfrage. Die Partner haben sich zumindest auf Deutschland festgelegt. Branchenvertreter aus Sachsen haben bereits die Hand gehoben für die Standort-Suche: „Solch ein Unternehmen würde gut hierher passen“, erklärte Geschäftsführer Frank Bösenberg vom sächsischen Technologiebranchen-Verband „Silicon Saxony“ in Dresden. Er verwies auf die lange Mikroelektronik-Traditionen im Freistaat und das in Europa einzigartige Ökosystem aus großen Chipfabriken, Zulieferern, Forschungs-Einrichtungen und Schaltkreis-Expertise auch in vielen kleinen Unternehmen im Dreieck Dresden-Freiberg-Chemnitz. Seit AMD abgezogen ist, fehlt allerdings ein großer Prozessor-Entwickler und -Produzent im „Silicon Saxony“.

Wirtschaftsförderung hält sich bedeckt

Ob sich der Freistaat aktiv um die Ansiedlung der geplanten Halbleiterfirma bewirbt, wollte die staatliche Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS) allerdings nicht mitteilen: „Wir sind immer in Gesprächen mit den führenden Unternehmen der Branche und freuen uns über Interesse an weiteren Aktivitäten in unserer Region“, betonte WFS-Sprecherin Sandra Lange. „Davon unabhängig können wir zu potentiellen, eventuellen oder laufenden Ansiedlungsvorhaben aus Gründen der Vertraulichkeit grundsätzlich keine Auskünfte geben. Dies obliegt ausschließlich den jeweiligen Unternehmen.“

„x86“-Konzept dominiert, ist aber nicht die einzige Prozessor-Architektur auf den Markt

Zum technologischen Hintergrund: Weltweit dominieren in PCs, Laptops und auch in vielen Rechenzentren vor allem Computer, deren Prozessoren auf der „x86“-Architektur von Intel und IBM basieren. Aber daneben gibt es auch andere Prozessor-Architekturen: Smartphones beispielsweise rechnen meist mit Chips, deren Befehlsstruktur vom britischen Unternehmen „ARM“ erdacht wurde. „RISC-V“ wiederum ist einen quelloffene („Open Source“) Prozessorarchitektur, die ursprünglich im akademischen Umfeld entwickelt wurde. Sie ist auf eine schnelle, aber stromsparende Rechentechnik ausgerichtet und kann im Grundsatz gratis verwendet werden. Energieeffizienz wiederum wird für Automobilelektronik immer wichtiger, weil Elektroautos mit automatischen Fahrfähigkeiten immer mehr Rechenkraft brauchen, deren Akku aber eben nur eine begrenzte Reichweite zulässt, die nicht zu sehr von den Chips an Bord verringert werden soll. Ähnliche Kriterien gelten auch für mobile Geräte und IoT-Netze.

Fokus liegt zunächst auf Auto-Schaltkreisen

In diese Lücke soll nun das angekündigte Gemeinschaftsunternehmen stoßen. Es soll nach dem Wunsch der Gründer „die Kommerzialisierung künftiger Produkte auf Basis der Open-Source-Architektur RISC-V beschleunigen“, heißt es in der Ankündigung. „Als zentrale Anlaufstelle wird das Unternehmen die Interoperabilität zwischen RISC-V basierten Produkten ermöglichen, Referenzarchitekturen bereitstellen und Lösungen etablieren, die in der Industrie weite Anwendung finden.“ Dieser quelloffene technologische Ansatz werde die Vielfalt in der Elektronikindustrie fördern, Eintrittsbarrieren für kleinere Unternehmen reduzieren und etablierten Anbietern eine bessere Skalierbarkeit bieten.

EU hat keine größeren Prozessorschmieden

In der EU gibt es schon seit dem Brexit keine wirklich großen Prozessorschmieden mehr jenseits von Spezialchips, wie sie beispielsweise NXP entwickelt. Insofern könnte die geplante RISC-V-Firma auch Lücken für ganz Europa schließen. Und in Dresden gibt es zumindest Anknüpfungspunkte für das Projekt: Erst kürzlich hatten der Dresdner Mobilfunk-Guru Prof. Gerhard Fettweis und sein Barkhausen-Institut ein europäisches Konsortium geschmiedet, das RISC-V-basierte Prozessorkerne für den Mobilfunk der 6. Generation (6G) entwickeln soll. Außerdem gibt es in der sächsischen Landeshauptstadt, auch aus früheren Entwicklungslinien heraus, eine Reihe von Experten, die sich mit Betriebssystemen und Prozessorarchitekturen gut auskennen – ganz abgesehen vom erwähnten Halbleiter-Ökosystem. Das wird demnächst durch TSMC erweitert, die wiederum unter anderem auch auf die Auftrags-Produktion von ARM-basierten Logikschaltkreisen spezialisiert sind.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Infineon, Bosch, WFS, Silicon Saxony, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt