Cloud und Hypervisoren im Trend: Entwickler-Team kann sich am neuen Standort verdreifachen
Dresden, 25. August 2021. Amazon hat sein Software-Entwicklungszentrum in Dresden in ein neues Domizil verlagert und vergrößert: Die 120-köpftige Mannschaft um den Betriebssystem-Experten Chris Schläger ist vom Waldschlösschen-Areal an die Großenhainer Straße umgezogen – in einen Neubau, der in seiner Kubatur der früheren Schreibmaschinen-Fabrik an diesem Standort nachempfunden ist. „Wir wollen hier weiter wachsen“, kündigte Chris Schläger heute während der Eröffnungsfeier an. „Platz ist hier für etwa 340 Leute.“
„Tolles Bekenntnis zu Sachsen“
„Ein tolles Bekenntnis zum Freistaat und zu Dresden“, lobte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) diese Weichenstellung der Amerikaner. Obgleich Amazon in anderen Zusammenhängen auch Kritik einstecken müsse („Sie schlagen Schneisen, die umstritten sind“), sei das Unternehmen zugleich ein Innovationstreiber. Mit dem Umzug und Ausbau innerhalb von Dresden stärke das Unternehmen die Chancen auf zusätzliche Wertschöpfung in Sachsen. Der Entwicklungsschwerpunkt in Dresden stehe zudem für eine wichtige Zukunftstechnologie: „Cloud Computing wird noch eine große Rolle spielen“, betonte der Ministerpräsident auf die Rechnerwolken-Technologie, an der das Dresdner Forscherteam arbeitet.
Team wechselte nach AMD-Rückzug aus Sachsen zu Amazon
Angefangen hatte all dies mit einem eigentlich unerfreulichen Rückschlag für den Hochtechnologie-Standort Dresden: Der US-Prozessorkonzern AMD gliederte 2009 seine Dresdner Fabrik in das neue Unternehmen Globalfoundries aus, zog sich schrittweise ganz aus Sachsen zurück und schloss in diesem Zuge auch sein hiesiges Entwicklungszentrum für Linux-basierte Betriebssystemsoftware. Dessen Chef Chris Schläger wollte jedoch nicht, dass sich sein Team in alle Winde zerstreut. Schließlich fand er mit dem Online-Handelsriesen Amazon einen Interessenten, der genau die Expertise der Dresdner suchte. Daraufhin zog Schläger mit zwölf Mitstreitern ins Waldschlösschen-Areal um und formierte dort ein Forschungszentrum für die Amazon-Tochter „Amazon Web Services“ (AWS), die zu den weltweit größten Cloud-Anbietern gehört.
Hypervisor-Konzept erwies sich als Erfolgsmodell
Das Schläger-Team fokussiert sich hier vor allem auf sogenannte Hypervisoren. Das sind spezielle Programme, die auf physischen Rechner virtuelle Systeme laufen lassen kann. Für den AWS-Kunden sieht das aus wie ein eigener Computer, der das per Internet eingespiegelt wird, doch physisch residierte dieser virtuelle Hochleistungsrechner wie ein „Geist“ in einem oft weit entfernten Rechenzentrum. Diese Lösung soll die Angriffs- und Ausfallsicherheit der der Datenverarbeitung beim Kunden sichern: Nur innerhalb der verschlüsselten virtuellen Maschine sind deren Daten entschlüsselbar. Und wenn ein Einschubcomputer im Rechenzentrum ausfällt, kann der virtuelle Rechner schnell und für den Kunden unbemerkt auf eine andere Hardware umgeschaufelt werden. Außerdem ist es so für den Kunden möglich, Cloud-Kapazitäten und -Dienste flexibel zuzubuchen oder abzuwählen. Bei AWS nennt sich dies „„Amazon Elastic Compute Cloud“.
Team seit dem Neustart verzehnfacht
Die zugrunde liegende und in Dresden mitentwickelte Hypervisor-Technologie hat sich konzeptionell als großer Erfolg erwiesen. In der Folge hat sich die Mitarbeiterzahl seit dem Neustart in Amazon-Regie im Jahr 2013 bis heute verzehnfacht – und ein weiteres Wachstum ist absehbar. Deshalb hat das Amazon-Entwicklerteam nun in dem Neubaukomplex hinter dem Bahnhof Dresden-Neustadt eingemietet. Dort stehen den Frauen und Männern rund auf 5700 Quadratmeter mit Büros, Küchen, Konferenz- Ruhe- Still- und Spieleräumen zur Verfügung, außerdem eine Dachterrasse.
Einstiger Standort der Schreibmaschinenfabrik Clemens Müller
Auf dem Areal würde bereits früher Dresdner Industriegeschichte geschrieben: Ab 1873/74 betrieb hier Clemens Müller eine Nähmaschinenfabrik. Die stellte ab 1909 auch Schreibmaschinen her. Später fusionierte sie mit „Seidel & Neumann“. Zeitweise beschäftigte das Unternehmen bis zu 1300 Mitarbeiter. Insgesamt stellte der Betrieb im Laufe seiner wechselvollen Geschichte über eine Million Schreibmaschinen mit so wohlklingenden Namen wie „Stella“, „Ideal“ und „Urania“ her und exportierte einen Großteil davon in alle Welt. Zu DDR-Zeiten gehörte die Fabrik zum VEB Reglerwerk Dresden. Mitte der 1990er Jahre rückten dann allerdings die Abrissbagger an.
Fabrik abgerissen, TLG setzt Neo-Komplex an ihre Stelle
2020 baute die „TLG Immobilien“ dort einen Büroneubau-Komplex namens „Neo“, der sich an die Form der alten Fabrik anlehnt. Neben Amazon ist dort auch die Autobahn GmbH des Bundes eingezogen. Ein Energietechnik-Unternehmen will sich ebenfalls noch einmieten.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Vor-Ort-Besuch, Amazon, Oiger-Archiv
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