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Ein Drittel der Verlage in Sachsen seit Corona gestorben

Die Lücken in der Verlagslandschaft werden immer größer. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Die Lücken in der Verlagslandschaft werden immer größer. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Immer mehr kleinen Regionalverlagen geht die Puste aus, meint Verlegerin Salomo

Dresden, 4. September 2023. Viele kleinere Regionalverlage in Sachsen haben Corona nicht überlebt – und auch danach ist das Verlagssterben weitergegangen. Das hat die Dresdner Verlegerin und Großbuchhandels-Mitarbeiterin Katharina Salomo eingeschätzt. Insgesamt gibt es im Freistaat inzwischen rund ein Drittel weniger Verlage als vor der Pandemie.

Verödete Innenstädte, Papier-Lieferprobleme, steigende Kosten und Konsumtief machen Verlegern zu schaffen

Schuld seien unter anderem die Umsatzeinbrüche während der Corona-Krise, die gerade kleinere Akteure nicht mehr wettmachen konnten, aber auch „eine immer schnellere Verödung der Innenstädte, Beschaffungsengpässe beim Papier, die Energiekrise, eine hohe Inflation und aktuell das Konsumtief“. Zu vermuten ist auch, dass die gewachsenen Möglichkeiten für Autoren, ihre Bücher über Online-Plattformen wie Amazon selbst zu verlegen, den Regionalverlagen auch ein Stück weit das literarische Wasser abgegraben haben. Denn einerseits gehen diese Autoren den regionalen Kleinverlagen als Kunden verloren, anderseits verkaufen diese Schriftsteller ihre Bücher dann eben gleich auch per Internet über Amazon & Co.

Katharina Salomo. Foto: Heiko Weckbrodt

Katharina Salomo. Foto: Heiko Weckbrodt

Schon vor der Pandemie kriselte es – auch weil immer weniger Deutsche Bücher kaufen

Doch auch schon vor Corona habe es in der sächsischen Verlegerbranche gekriselt, meint Salomo. So machte die Insolvenz des Zwischenbuchhändlers „KNV“ im Jahr 2019 den Verlegern die Arbeit schwer. Zudem verteuerte sich das Porto für Büchersendungen um bis zu 60 Prozent. Hinzu kommt eine langfristige Entwicklung: Immer weniger Menschen im „Land der Dichter und Denker“ kaufen nämlich überhaupt noch Bücher. So erwarben im Jahr 2022 nur noch 25,8 Millionen Kunden Bücher. Das waren rund 1,4 Millionen weniger als im Vorjahr.

Kleine Indie-Verlage sterben oft auf Raten

Leider lasse sich nur schwer beziffern, wieviele Verlage in Konsequenz all dieser Entwicklungen seit 2019 im Freistaat ihre Tätigkeit eingestellt haben, räumte Salomo auf Oiger-Anfrage ein. „Denn kleine, unabhängige Verlage verabschieden sich ja nicht auf einmal von heute auf morgen vom Buchmarkt beziehungsweise aus dem Gewerberegister, sie stellen nach und nach ihr Programm ein, verlegen keine neuen Titel mehr“, erklärte sie. „Die Verleger suchen sich ein anderes Standbein oder gehen in eine Festanstellung. Das merkt man nicht sofort, erst in ein paar Jahren, wenn sich das Fehlen der Bücher aus den kleinen, unabhängigen Verlagen beim Publikum bemerkbar machen wird.“

Nach der Wende immer mehr Verlage in Sachsen – doch mit Corona kam der große Einbruch

Bereits Ende 2022 hatte Björn Bedey, der Sprecher der „Interessengruppe unabhängiger Verlage“, im „Börsenblatt“ der Buchbranche eingeschätzt, dass deutschlandweit jede Woche mindestens ein kleinerer, unabhängiger Verlag aufgibt. Insgesamt gab es Ende 2022 nur noch 126 Verlage in Sachsen und damit 36 Prozent weniger als vor Corona. Das geht aus Statistiken des Landesverbandes Mitteldeutschland im „Börsenverein des Deutschen Buchhandels“ hervor. Zur Erinnerung: Nach der Wende war die Zahl der Verlage zunächst deutlich gewachsen, von vier im Jahr 1989 bis auf 198 im Spitzenjahr 2019. Seither ist zahlreichen Verlagen im Freistaat die Luft ausgegangen.

Auch Salomo schaltete ihren Dresdner Buchverlag auf „nebenher“ um

Auch Salomos eigene verlegerische Arbeit blieb nicht ungeschoren: Über Jahre hinweg hatte sie ab 2009 den Dresdner Buchverlag aufgebaut, darüber auch viel gelobte Romane und Sachbücher von Willi Hetze („Die Schwärmer“), Jens-Uwe Sommerschuh („Mimi“), Michael Braun Alexander („Der Aquarist“) und Hans-Joachim Böttger („Elisabeth von Sachsen…“ veröffentlicht. Sie organisierte Büchermessen wie Buchmesse „Schriftgut“ und vernetzte mit eigenen Veranstaltungsformaten die sächsische Verlegerszene. Auch gründete sie mit anderen Akteuren aus der Szene eine eigene unabhängige Buchhandlung in Dresden-Pieschen.

Barbara Miklaw (Mirabilis Verlag), Sigrid Kraft und Tobias Fahnauer (Fahnauer-Verlag), Petra Sprenger (Opernmouth), Jens Korch (Edition Wannenbuch), Frank Elstner (Palisander-Verlag), Natascha Sturm (Neissufer-Verlag) und Katharina Salomo (Dresdner Buchverlag/Salomo Publishing) zeigen in der neuen Buchhandlung "Shakespeares Enkel" an der Weimarischen Straße in Dresden ihre Werke. Foto: Heiko Weckbrodt

Das Archivfoto aus dem Jahr zeigt die Indie-Buchhandlung „Shakespeares Enkel“ in Pieschen – hier mit Barbara Miklaw (Mirabilis Verlag), Sigrid Kraft und Tobias Fahnauer (Fahnauer-Verlag), Petra Sprenger (Opernmouth), Jens Korch (Edition Wannenbuch), Frank Elstner (Palisander-Verlag), Natascha Sturm (Neissufer-Verlag) und Katharina Salomo (Dresdner Buchverlag/Salomo Publishing). Foto: Heiko Weckbrodt

Dann kam Corona: „Unsere erst in 2019 mit enormen personellen und finanziellen Anstrengungen entwickelten und umgesetzten neuen Vertriebsmöglichkeiten für unsere Bücher und damit Umsätze fielen Anfang 2020 mit Ausbruch der Pandemie sofort weg“, berichtet Salomo. In der Konsequenz gab sie die Verlegerei als Haupterwerb auf und wechselte in eine Festanstellung bei der „Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft“ (LKG). Immerhin hat sie den Dresdner Buchverlag nicht liquidiert, sondern führt ihn nebenberuflich weiter. „Es entstehen aktuell zwar keine großen, teuren Buchprojekte“, sagt sie, „jedoch in regelmäßigen Abständen weiterhin Herzensprojekte“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Auskünfte Salomo, Börsenverein, Börsenblatt, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt