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Alasca sieht Riesenchance für Sachsens Industrie durch quelloffene Software

Wer die Rechnerwolken betreibt, verwaltet wertvolle Datenschätze. Die Alasca-Allianz setzt sich daher für quelloffene Cloud-Lösungen und mehr digitale Souveränität für Europa ein. Visualisierung: Dall-E

Wer die Rechnerwolken betreibt, verwaltet wertvolle Datenschätze. Die Alasca-Allianz setzt sich daher für quelloffene Cloud-Lösungen und mehr digitale Souveränität für Europa ein. Visualisierung: Dall-E

Open-Source-Allianz: Viele Mittelständler sind schon viel zu abhängig von Datenkraken aus Übersee

Dresden, 26. Juni 2023. Der Mittelstand in Sachsen und ganz Deutschland kann mit quelloffenen Computerprogrammen („Open Source Software“) und regionalen Rechnerwolken („Clouds“) riskante Abhängigkeiten von den großen Datenkraken in Übersee mindern. Darauf hat heute in Dresden der „Verband für betriebsfähige, offene Cloud-Infrastrukturen Alasca“ hingewiesen, zu dem sich sieben Software-Unternehmen zusammengeschlossen haben.

Frauke Greven. Foto: SMWA

Frauke Greven. Foto: SMWA

Neue Geschäftsmodelle für Softwareschmieden wie auch für Maschinenbauer locken

Derartige Infrastrukturen vor Ort könnten die digitale Souveränität Europas stärken, die besondere Expertise deutscher Unternehmen gegen Datenkraken schützen, zudem profitablere und einzigartige neue digitale Geschäftsmodelle ermöglichen, an denen nicht ständig noch einer der sogenannten „Hyperscaler“-Konzerne aus Übersee mitverdient. Gerade Sachsen mit seinen zahlreichen industrienahen Software-Schmieden, seiner Mikroelektronik, Sensor-Produktion und Open-Source-Gemeinde sowie Pilotprojekten rund um den noch jungen europäischen Datenverbund „GaiaX“ habe beste Voraussetzungen, dafür Referenz-Projekte für Industrie und Behörden zu generieren. „Dafür müssen wir freilich die Player erst einmal zusammenführen“, betonte Frauke Greven, die die staatliche „Digitalagentur Sachsen“ leitet. Dies sei umso wichtiger, da das Thema digitale Souveränität durch den jüngsten Aufschwung der Schlüsseltechnologie „Künstliche Intelligenz“ (KI) ganz besonders an Bedeutung gewinne.

„Abhängigkeit ist schon längst da“

Vielen Geschäftsführern hiesiger Mittelständler sei dies gar nicht bewusst, aber „die Abhängigkeit von den großen internationalen Konzernen ist schon längst da“, betonte Miriam Seyffarth von der „Open Source Business Alliance“ aus Berlin. Denn immer mehr Unternehmen verlagern ihre informationstechnologischen Aktivitäten in die Cloud – und da eben meist an außereuropäische Akteure. „Mit Blick auf mögliche Industriespione und Cyberangriffe kann das zum Problem werden.“ Nicht von ungefähr rate auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationswirtschaft (BSI) zum „Open Source“-Prinzip, denn nur bei offener Software kann der geschulte Experte in den Quellcode schauen und mögliche Hintertürchen oder andere Datenabflüsse erkennen.

Allianz will Innovationsschub auslösen

Um hier einen Innovationsschub in Sachsen auszulösen, haben sieben Software-Firmen aus Dresden, Essen, dem slowakischen Pezinok und aus Neckarsulm die Alasca-Allianz gegründet. Dazu gehören „Cloud & Heat“, Cyberus, D3TN, dNation, Secunet, Secustack und Stackit. Sie wollen mehr Praxisbeispiele für „Open Source“ und regionale Clouds in der Wirtschaft schaffen, gemeinsame Projekte realisieren und für das quelloffene Prinzip die Werbetrommel rühren. Viele von ihnen wiederholen schon sein Jahren fast mantra-artig, wie dringend eine Open-Source-Offensive für Deutschland sei – und haben manchmal wohl ein wenig das Gefühl, gegen Windmühlen anzurennen.

Kai Martius (links) und Marius Feldmann wollen mot "OpenStack"-Lösungen" auch für besonders sicherheitssensible Kunden transparente und hochabgesicherte Clouds anbieten. Foto: SecuStack

Marius Feldmann (rechts) neben Kai Martius von Secustack. Foto: SecuStack

„Open Source“ seit Jahren propagiert – doch Durchbruch blieb bisher aus

Denn viele Mittelständler fragen sich beispielsweise, wie verlässlich die Open-Source-Akteure von heute wohl noch in zehn oder 20 Jahren Software-Aktualisierungen liefern oder bei Problemen helfen, warnt Digitalagentur-Chefin Frauke Greven. Auch würden die großen Cloud-Konzerne mit ihren Anwälten sehr aggressiv ihre Pfründe auch in deutschen Behörden und Unternehmen verteidigen, berichtet „Cloud & Heat“-Prokurist Marius Feldmann. Zudem ist der durchschnittliche sächsische Maschinenbauer einfach zu klein, um sich einen ganzen Stab ausgefuchster IT-Experten zu leisten, die die Alternativ-Lösungen zu den bequemen US-Angeboten kennen und umsetzen können, mutmaßen andere Akteure.

Vorrang für Open Source in Behörden gefordert

Nicht zuletzt behindere das aktuelle Vergaberecht einen breiteren „Open Source“-Einsatz in den Behörden, meint der grüne Landtagsabgeordnete Daniel Gerber, der für seine Fraktion das Thema „Digitalisierung“ betreut: „Wenn es nach mir geht, würde ich einen Vorrang für Open-Source-Software in öffentlichen Verwaltungen in Sachsen schriftlich fixieren“, sagt er.

Am Digitalisierungsschub verdienen Microsoft, Amazon und Google mit

In der Praxis jedenfalls stellen gerade viele Unternehmen – und teils auch Behörden – ihre Arbeitsabläufe auf digitale Prozesse um und kaufen dafür auch viele Software-Lizenzen. Doch die Cloud-Verträge dafür schließen sie eben zumeist mit erfahrenen Digitalkonzernen wie Microsoft, Amazon oder Google ab, die gegen saftige Entgelte eben auch Lösungen aus einem Guss und jahrelange Unterstützung versprechen.

Maschinenbauer aus Chemnitz setzt für neues Geschäftsmodell auf regionale Rechnerwolke

Und doch gibt es in Sachsen und darüber hinaus vermehrt Unternehmen, die neue digitale Geschäftsmodelle in lokalen Rechnerwolken und mit regionalen Open-Source-Partnern entwickeln, erzählt Paul Hertwig, der Geschäftsführer des Dresdner Software-Unternehmens „N+P Informationssysteme“. So gehört zu seinen Kunden ein Chemnitzer Maschinenbauer, der seine Automatisierungstechnik künftig nicht nur klassisch verkaufen, sondern auch mit digitalen Zusatzdiensten Geld verdienen will. Dafür erzeugt „N +P“ digitale Zwillinge der Chemnitzer Maschinen und verknüpft sie dann mit den Sensoren der echten Maschine, die in der Werkhalle arbeitet. Anhand solcher virtuellen Echtzeit-Modelle kann der Hersteller dem Kunden dann beispielsweise die vorausschauende Wartung der Maschine, Anomalie-Erkennung, Fernjustierung und andere Bezahl-Dienste anbieten. Und um all dies zu realisieren, hat „N + P“ GaiaX-Technologien und Open-Source-Software eingesetzt.

Foto: Tesla

Foto: Tesla

Vorbild Tesla elektrisiert nun auch viele deutsche Maschinenbauer

Ähnliche Funktionen hätte man sicher auch mit der Azure-Cloud von Microsoft oder AWS von Amazon realisieren können, räumt Hertwig ein. „Aber die von uns gewählte Lösung ist resilienter“, ist er überzeugt. Zwar sei die Debatte um robustere Wertschöpfungsketten noch nicht überall im sächsischen Mittelstand ein zentrales Thema. Dafür sei aber das Interesse vieler Industriebetriebe an neuen, digitalen Geschäftsmodellen zuletzt stark gewachsen – und von den daraus erwachsenden zusätzlichen Aufträgen profitieren dann eben auch die Softwareschmieden des regionalen Open-Source-Ökosystems im Freistaat. „Viele aus der hiesigen Industrie möchten das jetzt ähnlich machen wie Tesla“, sagt Hertwig: Die Idee: So wie die Tesla-Kunden nach dem Autokauf noch mal dafür zahlen, dass Elon Musk ihnen mehr Reichweite oder Beschleunigung digital freischaltet, so möchten nun eben auch die Maschinenbauer mit digitalen Zusatzfunktionen und Mehrwertdiensten zusätzliche Umsätze generieren. Der „N+P“-Chef sieht hier enormes Potenzial schlummern: „Wir haben hier exzellente Sondermaschinenbauer. Wenn es denen gelingt, ihr einzigartiges Know-how mit Open-Source-Software im Digitalzeitalter richtig zu verwerten, dann wächst damit eine Riesen-Chance für Sachsen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Alasca, N+P, Grüne Landtagsfraktion Sachsen, Digitalagentur Sachsen, Open Source Business Alliance, Oiger-Archiv, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt