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Markt für „vorausschauende Wartung“ wächst rasch

Globalfoundries Dresden setzt vorausschauende Wartung für Reinwasser-Ventile ein. Foto: Globalfoundries

Globalfoundries Dresden setzt vorausschauende Wartung für Reinwasser-Ventile ein. Foto: Globalfoundries

Zweistellige Zuwachsraten für „Predictive Maintenence“ erwartet – ein Thema auch auf der „hub:disrupt 2021“ in Dresden

Dresden, 9. September 2021. Mit der der vorausschauenden Wartung  und der Robotik fokussiert sich die „hub:disrupt“ am 6. Oktober 2021 auf zwei Technologien, die besonderes Potenzial für die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie versprechen: Beide gehören zum Wesenskern der „Industrie 4.0“, beide bieten erhebliche Möglichkeiten, Kosten zu sparen und neue Geschäftsmodelle zu generieren. Speziell mit der noch jungen „Predictive Maintenance“ (PM) können Unternehmen in erheblichen Maße Wartungs- und Reparaturkosten sparen, wenn sie Anomalien und den tatsächlichen Verschleißzustand ihre Anlagen durch moderne Sensorik und Analyseelektronik überwachen lassen.

Wenn sich ein Ausfall anbahnt, warnt die KI und fordert eine vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) an. Hier eine Statusampel an einer Anlage in der Chipfabrik von Globalfoundries Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Wenn sich ein Ausfall anbahnt, warnt die KI und fordert eine vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) an. Hier eine Statusampel an einer Anlage in der Chipfabrik von Globalfoundries Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Was ist „Predictive Maintenance“?

Um Maschinen und Anlagen vorausschauend warten zu können, müssen sie mit Sensoren ausgerüstet und vernetzt sein. Dann können Computer oder besser noch speziell „Künstliche Intelligenzen“ (KI) aus den Daten von Vibrationssensoren, Mikrophonen, Beschleunigungs- und anderen Sensoren „heraushören“, ob beispielsweise eine Welle nicht mehr rund läuft, ein Ventil leckt oder sich eine Anomalie anbahnt. Dann kann das System dem zuständigen Ingenieur oder Techniker eine Reparatur-Empfehlung geben. Umgedreht „hört“ das „Predictive Maintenance“-System aber auch, ob ein Bauteil noch sehr gut funktioniert, obwohl die formal vom Hersteller vorgeschlagene Zeit für einen Austausch schon verstrichen ist. Im ersten Fall vermeidet vorausschauende Wartung womöglich einen Totalausfall der gesamten Anlage oder Taktstraße, im anderen Fall überflüssige Austausch-Aktionen – und mindert letztlich auch Wegwerfmentalität und Ressourcenverschwendung. Das Konzept gibt es zwar schon lange, aber erst jetzt sind Sensoren und KI-Lösungen leistungsstark und billig genug, um vorausschauende Wartung systematisch in der Industrie einzusetzen.

30 bis 40 % Wachstum pro Jahr prognostiziert

Und die Zeichen stehen auf Wachstum. Für die „Predictive Maintenance“ kalkuliert „IoT Analytics“ das globale Marktvolumen derzeit auf etwa 5,9 Milliarden Euro – bei jährlichen Wachstumsraten von fast 40 Prozent. Die Analysten von „QYResearch“ schätzen die aktuellen Umsätze für 2021 auf zirka sechs Milliarden Euro und rechnen mit jährlichen Raten um die 29 Prozent. „Markets and Markets“ rechnet mit einer Verdreifachung des PM-Weltmarktes von jetzt 3,4 Milliarden Euro auf etwa zehn Milliarden Euro im Jahr 2025.

Anja Vedder. Foto: Industrial Analytics

Anja Vedder. Foto: Industrial Analytics

„Predictive Maintenance“ kann ein Drittel der Wartungskosten sparen

Expertin Anja Vedder vom Berliner Unternehmen „Industrial Analytics“, das auf „Artificial Intelligence (AI) und das „Internet of Things“ (IoT) spezialisiert ist, sieht in der vorausschauenden Wartung viel ungenutztes Potenzial – gerade in Deutschland, das dabei noch etwas hinterher hinke. „In den nächsten Jahren ist einem Wachstum im zweistelligen Prozentbereich zu rechnen“, betonte sie unter Verweis auf eine Studie, die „Roland Berger“ 2017 im Auftrag des „Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau“ (VDMA) erstellt hatte. Bisher schöpfe die deutsche Industrie die PM-Möglichkeiten nur zu einem Bruchteil aus. Das gilt einerseits für die Maschinenbauer, die um ihre Service-Umsätze fürchten, wenn sie ihren Kunden hochautomatisierte PM-Anlagenlösungen verkaufen. Auf der anderen Seite gelte das aber auch für die Anwender. „Allein bei der Wartung lassen sich damit 30 Prozent der Kosten sparen“, schätzt Vedder.

Globalfoundries Dresden setzt PM für Reinstwasser-Ventile ein

Ein Beispiel dafür ist eine Lösung, die „Globalfoundries“ Dresden mit Partnern in der „Digital Product Factory“ des „Smart Systems Hub“ für seine Reinstwasser-Versorgung realisierte: Mit Sensorplattformen der Firma „Sensry“ rüstete das Entwickler-Netzwerk die Reinstwasser-Ventile der Chipfabrik „Industrie 4.0“-tauglich auf. Die Dresdner Softwareschmiede „Coderitter“ programmierten dann Machine-Learning-Algorithmen, mit denen die Künstliche Intelligenz in einer „Edge Cloud“ anhand detektierter Geräuschen den tatsächlichen Ventilzustand erkennen kann. Ein Dashboard von „T-Systems MMS“ bereitet die Analyseergebnisse dann für die Globalfoundries-Ingenieure auf, um die richtigen Zeitpunkte für Wartung, Reparatur oder Austausch der Ventile zu finden. Das spart Geld und erhöht die Ausfallsicherheit in Europas größter Chipfabrik. Auch Ionen-Implanter im Reinraum überwacht das Unternehmen inzwischen vorausschauend.

Leitender Ingenieur: Können ein Fünftel der Instandhaltungskosten sparen

„Bezogen auf die reinen Instandhaltungskosten sehen wir Vorteile von bis zu 20 Prozent gegenüber der klassischen vorbeugenden Instandhaltung mit festgelegten Intervallen“, berichtet der leitende Ingenieur Axel Preusse von Globalfoundries. „Die Reduzierung ungeplanter Ausfälle und damit einhergehender Schäden bringt weitere Vorteile“. Deshalb wollen die Halbleiter-Experten ihre PM-Technologien nun verbessern und breiter einsetzen. Dank Künstlicher Intelligenz werde es künftig möglich sein, auch komplexe Systeme vorausschauend zu planen – ähnlich wie es die Kollegen von Bosch in ihrer neuen Dresdner Chipfabrik gerade vorbereiten. „Die Kombination mit digitalen Assistenzsystemen wird neben der reinen Vorhersage eines Ausfalls auch die passenden Korrekturmaßnahmen liefern können“, ist Ingenieur Preusse überzeugt. „Hierzu wollen wir in den kommenden Monaten erste Schritte gehen.“

Vorausschauende Wartung hilft auch beim Umweltschutz

Anja Vedder rechnet ebenfalls mit einer evolutionären Weiterentwicklung: „Predictive Maintenance wird mehr Branchen erfassen“, ist sie überzeugt. In Zukunft werde PM nicht nur in der Luftfahrt und Prozessindustrie, sondern auch im Maschinenbau und in Endkundenprodukten wie Waschmaschinen, Kühlschränken und Klimaanlagen eine wachsende Rolle spielen.“

Übergang zur „Predictive Maintenance“ erwartet

Außerdem erwartet sie einen Übergang von „Predictive Maintenance“ hin zur „Prescriptive Maintenance“, also automatisch veranlassten Wartung: Das System ermittelt dann nicht nur den Zustand der Anlagen, sondern schlägt auch selbstständig Wartungsempfehlungen und Lösungen bei Anomalien vor. Auch die Klimaschutzdiskussion sorge für einen breiteten PM-Einsatz: „Wenn vorausschauende Wartung die Lebenszeit einer Anlage verlängert und ihren Energieverbrauch senkt, hilft das letztlich, CO2-Emissionen zu mindern“.

Mehr Informationen zur „hub:disrupt“, Tickets und das Programm im Internet: smart-systems-hub.de/hub-disrupt-2021

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Interview Anja Vedder, SSH, Roland Berger/VDA, OY Research, IoT Analytics, Markets & Markets, GF

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt